Werbekampagne: Die BVG-Liebe is' mir nich' egal
Ist die BVG etwa nur so unfreundlich, weil sie ihre Kunden liebt? Mag sein. Doch auch Witzigkeit kennt ihre Grenzen. Eine Kolumne.
Es ist, was es ist, sagt die Liebe. So lautet eine Strophe in einem Gedicht von Erich Fried. Daran muss ich immer denken, wenn ich mich über die BVG ärgere. Die wirbt nämlich in den sozialen Medien mit dem Slogan „Weil wir dich lieben“.
Neulich war es wieder so weit. In der U-Bahn scrollte ich mich durch die Tweets und blieb bei einem hängen: „Falls es in der Schönleinstraße komisch riecht: Es ist Spargelzeit“, twitterte das Social-Media-Team der BVG. Zuerst musste ich schmunzeln, weil ja gerade wirklich Spargelzeit ist. Die gute Laune verging mir aber schlagartig, als ich aus der U-Bahn stieg. Es roch so bestialisch nach Urin, dass ich mich fast übergeben musste. Und in der Station Schönleinstraße stinkt es immer. Mal halt mit, mal ohne Spargel-Odeur, je nach Saison.
Sie denken jetzt zu Recht: „Hat die Akyün keine anderen Sorgen, als sich über Uringestank aufzuregen?“ Doch, habe ich. Aber wenn man sich bewusst macht, dass die BVG drei Millionen Euro für die „Weil wir dich lieben“-Kampagne ausgibt, zwei Dutzend Mitarbeiter dafür arbeiten und der öffentliche Nahverkehr nicht aus Nächstenliebe betrieben wird, funktioniert eine „Dem geschenkten Gaul schaut man nichts ins Maul“-Attitüde nicht mehr. Wir Fahrgäste zahlen ordentlich für die Dienstleitung. Dabei habe ich selbst schon beim lustigen Sprücheklopfen mitgemacht. Einmal schrieb ich auf Twitter: „U-Bahn Berlin, 33 Grad, Luftfeuchtigkeit gefühlte 99 Prozent und ich falle unangenehm auf: Hab geduscht.“ Prompt kam die Antwort vom Social-Media-Team: „Eigentlich fällt man den Fahrgästen nur unangenehm auf, wenn man nach dem Anfahren ,Fahrkarten, bitte‘ ruft.“
Sauber machen statt Sprüche klopfen
Doch mittlerweile ist mir der Humor gehörig vergangen. Meine schlechte Laune habe ich auch gleich kundgetan: „Ich fand euch mal lustig und kreativ“, schrieb ich auf Twitter. Und weiter: „Seit einiger Zeit nervt ihr nur noch mit eurer arroganten, überheblichen ,Is mir egal‘-Attitüde. Ihr stellt uns eure Dienstleistung nicht kostenlos zur Verfügung, wir bezahlen dafür. Sauber machen statt Sprüche klopfen, das ist Liebe.“ Aber diesmal blieb es erstaunlich ruhig, kein sarkastischer Spruch, kein Witzchen vom Weil-wir-dich-lieben-Team.
Vielleicht, dachte ich kurz, hat es nach vier Jahren seit Start der Kampagne bei den Verantwortlichen „Klick“ gemacht. Schienenersatzverkehr, Zugausfälle, Verspätungen, ständige Preiserhöhungen, kaputte Aufzüge, stinkende Bahnhöfe und Durchsagen, die kein Mensch versteht, sind für die Fahrgäste nicht lustig, sondern extrem nervig. Und überhaupt: Ich kaufe mir eine Monatskarte für ein funktionierendes Netz – und kein Los der Lotterie, das mich nur vielleicht zu meinem Zielort bringt, doch für die Vertragserfüllung keinerlei Gewähr übernimmt.
Vielleicht verstehe ich die ganze Kampagne auch einfach nicht, und die BVG agiert nach der chinesischen Weisheit, dass Freundlichkeit die höchste Form der Verachtung ist. Im Umkehrschluss könnte das dann bedeuten: Nur weil wir euch lieben, sind wir so unfreundlich zu euch.
Doch auch wenn Witzigkeit keine Grenzen kennt – mit lustigen Sprüchen von den Problemen abzulenken, kann nicht die Antwort sein. Wenn im öffentlichen Nahverkehr alles tipptopp funktioniert, dann kann man auch Witze machen. Dann lache ich auch mit, zum Beispiel über diese Situation im Bus. Die Frau: „Ein Kind, bitte.“ Der Fahrer: „Kein Problem, aber weiß ihr Mann davon?“ Bis dahin aber begnüge ich mich mit einer anderen Strophe aus dem Erich- Fried-Gedicht: „Es ist aussichtslos, sagt die Einsicht.“