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Wirft gerne Blumen - und politische Spitzen. Der türkische Staatspräsident Erdogan.
© AFP

Deutsch-türkisches Verhältnis: Die Bundesregierung sollte Erdogan die Tür nicht offen halten

Wenn Erdogan hetzt, muss Bundeskanzlerin Angela Merkel mit der Bundesregierung eine klare Haltung zeigen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Ist das alles hilflos! Da sagen vom Justizminister bis zum Unionsfraktionschef alle, dass Recep Tayyip Erdogan mit seinem Nazi-Vorwurf gegen die Bundesrepublik infam rede, dass es abwegig sei und dass man das nicht hinnehmen könne. Ja, aber wie, wenn doch andererseits jede Eskalation vermieden werden soll?

Als wäre das nicht schwierig genug, sagt Erdogan aber auch noch, dass er jederzeit, heute, morgen, nach Deutschland kommen könne, um zu reden; und wenn nicht, werde er einen Aufstand machen. Wenn also einer weiter eskaliert, dann er. Und jetzt? Jetzt wird es Zeit, sich zu überlegen, wie Erdogan und seinen Vasallen Einhalt geboten werden kann. Mut gehört allerdings dazu.

Zunächst einmal: Wenn Erdogan offiziell als Staatschef der Türkei nach Deutschland kommen sollte, dann gilt, dass ausländische Regierungsmitglieder, die hier öffentlich über ihre Politik sprechen wollen, sich dabei nicht auf Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit berufen können. Daher durfte vergangenes Jahr eine Video-Schalte von Erdogan bei einer Kölner Demo verboten werden. Wenn Erdogan aber als Privatmann kommt, braucht er ein Visum, und es wäre nicht ungewöhnlich, ihm das angesichts flagranter Verletzungen der Menschenrechte zu verweigern.

Meinungsfreiheit einfordern, aber selbst mit Füßen treten - unverschämt

Es wäre eine schreckliche, wirklich schreckliche Peinlichkeit, sollte die Bundesregierung hier keine klare Haltung einnehmen. Der Reporter Deniz Yücel sitzt auf unbestimmte Zeit in der Türkei in Untersuchungshaft – und nicht nur er –, die Meinungsfreiheit wird dort buchstäblich mit Füßen getreten, aber sie darf hier im Land von dem, der das in der Türkei tut, in unverschämter Weise eingefordert werden? Das kann nicht folgenlos bleiben. Selbst wenn es die Folge der stetigen Lavierens der Bundeskanzlerin ist.

Jetzt hat Angela Merkel ihre Chance. Erdogan sieht die Integration von Türkischstämmigen in unserem Land als Verbrechen gegen die Menschlichkeit; er hetzt gegen unsere Werte, die Grundlage unseres Staates. Will er tatsächlich Wahlkampf in Deutschland unter den 1,4 Millionen türkischen Wahlberechtigten machen, um seine Machtbefugnisse weiter auszudehnen, sollte die Bundesregierung nicht einfach die Tür offen halten.

Warum nicht eine EU-weite Linie bei solchen Auftritten?

Sie müsste ihm bedeuten, dass er kein Privatmann ist, wenn er nach Deutschland kommt. Erdogan redet dann als Staatschef über seine Politik, um seine Vorstellung von der Verfassung der Türkei durchsetzen. Und das, so könnte die Bundesregierung klar machen, will sie nicht dulden. Viel zu lange hat sie ja den brutalen Dauerputsch geduldet, um ihren Flüchtlingsdeal nicht zu gefährden. Auch mit ihren Partnern in der EU kann sich die Kanzlerin abstimmen, ihrem Amtskollegen in Wien zum Beispiel, der Wahlkampfauftritte türkischer Politiker EU-weit verbieten will.

Wenn die Bundesregierung Erdogan das Rederecht allerdings nicht versagen will, dann kann sie zumindest die Andersdenkenden ermuntern. Indem sie denen, die gegen die Verfassungsänderung sind, die kein Rederecht in der Türkei haben, eines in Deutschland gewährt.

Am 16. April stimmen die Türken ab. Da bleibt noch Zeit für klare Worte und entschlossenes Handeln.

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