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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
© Stefanie Loos/Pool via Reuters

Merkels Doppel-Podcast zu Corona: „Das Gebot der Stunde heißt für uns alle: Kontakte reduzieren“

Man erwarte, dass Politiker immer neue Worte finden, sagt Merkel in ihrer Botschaft – und unterstreicht dann ihre Sicht der Corona-Lage auf besondere Art.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich in der Coronavirus-Krise mit einem ungewöhnlichen Videopodcast an die Menschen in Deutschland gewandt und damit eindringlich dazu aufgerufen die sozialen Kontakte zu minimieren. Damit wolle die Kanzlerin unterstreichen, wie ernst die gegenwärtige Situation in der Pandemie sei, teilte die Bundesregierung mit.

Merkel bedankt sich für viele positive Reaktionen, „genauso wie für die kritischen Stimmen“, die es auf ihre Botschaft vom vergangenen Samstag gegeben habe. Dann sagt Merkel angesichts der am Samstag gemeldeten fast 15.000 Neuinfektionen: „Heute, eine Woche später, hat sich die Pandemie-Lage noch weiter zugespitzt.“

Ihre Grundüberzeugung habe sich nicht geändert, so die Kanzlerin: „Wir sind nicht machtlos gegen das Virus, unser Verhalten entscheidet, wie stark und wie schnell es sich ausbreitet. Und das Gebot der Stunde heißt für uns alle: Kontakte reduzieren. Viel weniger Menschen treffen.“

Wenn sich alle daran hielten, werde Deutschland die gewaltige Herausforderung bestehen, sagte Merkel und fährt fort: „Ich weiß, eigentlich erwartet man, dass Politiker immer wieder neue Worte. Aber für mich gilt das, was ich Ihnen letzte Woche gesagt habe noch Wort für Wort.“

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Sie würde sich daher freuen, so die Kanzlerin, wenn der eine oder andere es sich noch einmal anhört oder Freunden vorspielt, für die es neu sei. „Und so folgt jetzt noch einmal der Podcast vom vergangenen Samstag“, sagt Merkel, bevor das Video vom 17. Oktober nach 1:35 Minuten erneut abgespielt wird.

Darin hatte Merkel dazu aufgerufen, Kontakte außerhalb der eigenen Familie deutlich zu verringern und darum gebeten, auf Reisen und Feiern, die „nicht wirklich zwingend notwendig“ sind, zu verzichten. „Bitte bleiben Sie, wenn immer möglich, zu Hause, an Ihrem Wohnort.“

Vor einem erneuten Treffen von Merkel und den Ministerpräsidenten der Länder in der kommenden Woche werden die Rufe nach schärferen und vor allem einheitlicheren Corona-Regeln lauter. Wirtschaftsminister Peter Altmaier nannte die Infektionslage dramatisch bezeichnet warnte zugleich vor einem Herunterfahren der Wirtschaft. „Einen neuen flächendeckenden 'Lockdown' darf es nicht geben und ich halte ihn auch nicht für erforderlich“, sagte er den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe.

Es komme auf entschiedenes Handeln an, sagte der Wirtschaftsminister und rief Bund und Länder dazu auf, „in größerer Einmütigkeit in den nächsten Tagen die notwendigen Beschlüsse fassen“. Deutschland könne sich nicht länger Flickenteppiche von Regelungen leisten und müsse eine unkontrollierte Ausbreitung des Virus verhindern. „Wir haben dringenden Handlungsbedarf - sowohl zum Schutz der Gesundheit als auch, um den Erholungsprozess der deutschen Wirtschaft nicht zu gefährden.“

Entscheidungen eines einzelnen Bundeslandes können Auswirkungen auf alle anderen Bundesländer haben. Deshalb brauchen wir dringend mehr gemeinsame Entscheidungen“, sagte er. „Entweder durch alle Länder zusammen oder – wo das zu schwerfällig ist – auf Bundesebene, wo die Länder ja durchaus beteiligt sind“, fügte er offenbar mit Blick auf den Bundesrat hinzu.

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Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), die in der Pandemie einen besonders vorsichtigen und strikten Kurs fährt, sagte der „Bild“: „Ich sehe den Anstieg der Zahlen mit Sorge. Es ist gut, dass wir die Corona-Ampel eingeführt haben. Wir müssen aber nächste Woche bei der Konferenz der Ministerpräsidenten beraten, ob weitere Schritte erforderlich sind.“

Auch Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hat Gesprächsbedarf, will aber zunächst abwarten, ob die letzten Beschlüsse von Bund und Ländern wirken. Sein Land habe sie schnell umgesetzt. „Ob diese ausreichen, wird sich in den kommenden zehn bis vierzehn Tagen zeigen. Diese Zeit sollten wir abwarten, bevor wir weitere Schritte einleiten“, sagte er dem Blatt.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der in der Corona-Krise eher auf Merkels Linie liegt, will trotz zunehmender Kritik an seinem eher strikten Kurs festhalten. „Ich habe keinen Grund, meinen Kurs zu ändern“, sagte der CSU-Chef der „Augsburger Allgemeinen“. „Wir haben mit allen grundsätzlichen Einschätzungen Recht behalten.“

Für den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach gibt es nur zwei Möglichkeiten: freiwillige Kontaktbeschränkungen eines Jeden oder „immer neue Zwangs-Lockdowns“. „Wird das Virus laufen gelassen, schießen die Zahlen so schnell in die Höhe, dass die Krankenhäuser überfordert sind und viel zu viele Menschen an Corona sterben“, sagte der Epidemiologe der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Wir müssen also ganz schnell die persönlichen Kontakte herunterfahren, damit wir nicht in einem Monat im Gesundheitsnotstand aufwachen.“

Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Georg Baum, bezeichnete die aktuelle Situation dagegen trotz steigender Infektionszahlen als beherrschbar. „Die Krankenhäuser sind hoch alarmiert, ohne hektisch zu sein“, sagte Baum dem „Mannheimer Morgen“.

Zurzeit gebe es rund 8.000 freie Intensivbetten, wobei durch Verschieben von nicht notwendigen Behandlungen weitere 10.000 Betten frei gemacht werden könnten. „Außerdem müssen nicht alle Patienten, die mit einer Corona-Infektion ins Krankenhaus kommen, intensivmedizinisch behandelt werden.“ Baum zufolge werden derzeit 6.000 Patienten in Krankenhäusern wegen Covid-19 behandelt, etwa 1000 davon liegen auf der Intensivstation.

„Die Kapazitäten werden noch lange reichen, ehe es bedenklich wird“, gab Baum sich überzeugt. Damit die Lage in den kommenden Wochen und Monaten aber nicht außer Kontrolle gerate, sei insgesamt sehr viel Vorsicht und Einsatzbereitschaft gefordert. Jeder müsse selbst vorbeugend tätig sein und das machen, was Bundeskanzlerin Merkel sage, und nicht notwendige Kontakte vermeiden.

Der Landkreistagspräsident Reinhard Sager wies auf die Probleme vieler Gesundheitsämter hin, die Masse an Neuinfektionen noch nachzuverfolgen. Die Länder forderte er auf, sie schnell personell zu verstärken, so wie im Sommer vereinbart. Auf Grundlage des Pakts von Bund und Ländern sei „derzeit noch keine Neueinstellung erfolgt“, so Sager in der „NOZ“. Der Pakt müsse rasch umgesetzt werden. „Seitens der Länder muss es hier um Schnelligkeit gehen.“

Vizekanzler Olaf Scholz äußerte Verständnis für junge Menschen, die hungrig aufs Leben sind. „Ich verstehe alle, die jeden Tag voll auskosten, die feiern und Freunde treffen wollen“, sagte der Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat dem Nachrichtenportal Watson. Doch es brauche Geduld. „Die aktuellen Einschränkungen zum Schutz vor Corona sind für viele nervig, für andere bedrückend und für wieder andere auch wirtschaftlich eine Zumutung. Leider sind sie nötig, um Schlimmeres zu verhindern. Wir sollten weiter alles tun, um die zu schützen, die wir lieben und deren Gesundheit uns wichtig ist.“ 

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