zum Hauptinhalt
Alexej Nawalny, Oppositionsführer aus Russland.
© Pavel Golovkin/dpa

Nach der mutmaßlichen Vergiftung von Nawalny: „Die Behörden fürchten ihn“

Es war nicht der erste Anschlag auf den Kreml-Kritiker. Er deckt Missstände auf – und hat sich so in Russland viele Feinde gemacht. Ein Portrait.

Auf einem Video aus der Flugzeugkabine sind Schreie zu hören. Alexej Nawalny, Russlands bekanntester Kreml- Kritiker, kämpft im Moment der Aufnahme, die ein Passagier auf Instagram postete, offensichtlich mit heftigen Schmerzen. Im sibirischen Omsk kommt der 44-Jährige in eine Klinik. Details zur Diagnose will ein Arzt nicht nennen. „Vergiftung ist eine Möglichkeit“, sagt er.

Nawalnys Sprecherin ist weniger zurückhaltend: „Ich bin sicher, dass er absichtlich vergiftet wurde“, sagt Kira Jarmysch. Nawalny war in der Vergangenheit immer wieder Opfer von Angriffen geworden. 2017 wurde der Oppositionelle bei einer Farbattacke schwer am Auge verletzt, drohte gar zu erblinden. Er wurde später in Spanien operiert.

Vor einem Jahr musste er während seiner Haftstrafe in einem Krankenhaus angeblich wegen eines Allergieschocks behandelt werden. Nawalny betonte damals, dass er vergiftet worden sein könnte. Der Zwischenfall von diesem Donnerstag aber, so Jarmysch, sei „der schwerste bisher“.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Bislang ließ Nawalny sich weder von Angriffen noch von Razzien, Festnahmen und anderen Schikanen einschüchtern. Er ist der wohl deutlichste Kritiker von Präsident Wladimir Putin und seines Machtapparats, der seit Jahren immer vehementer versucht, jede Opposition im Land zu unterdrücken. Bekannt geworden ist Nawalny in den vergangenen knapp zehn Jahren mit Recherchen über die weit verbreitete Korruption.

Mit seinem „Fonds für Korruptionsbekämpfung“ deckt er immer wieder spektakuläre Fälle von Veruntreuung und Machtmissbrauch durch Regierungsmitglieder und Oligarchen auf. Der Regierungspartei haftet der Ruf an, die „Partei der Gauner und Diebe“ zu sein – Nawalny hat ihn einst geprägt.

Er verbreitete seine Ergebnisse auf den sozialen Netzwerken

Rechercheergebnisse veröffentlicht er in den sozialen Netzwerken, wo er Millionen Menschen erreicht. So hat er sich nicht nur zahlreiche Anhänger, sondern auch Feinde im Machtapparat gemacht. Für Veränderung in Russland kämpft Nawalny nicht nur im Netz, sondern auch auf der Straße. Seinen Aufrufen zu Protesten gegen die Regierung folgen nimmer wieder Zehntausende.

Dabei versucht die Staatsmacht regelmäßig seine politischen Ambitionen zu unterbinden. Zur Präsidentschaftswahl 2018 wurde er nicht zugelassen. Als Argument diente eine Bewährungsstrafe, die der Europäische Menschenrechtsgerichtshof für rechtswidrig hält. Bei der Bürgermeisterwahl in Moskau im Jahr 2013 erhielt Nawalny beachtliche 27 Prozent gegen den Kreml-Kandidaten.

Die mutmaßliche Vergiftung bringt Jarmysch mit anstehenden Kommunalwahlen in Verbindung: „Offensichtlich haben die Behörden irgendwelche Vorstellungen, dass die Situation gefährlich werden könnte und man, wenn es nötig ist, auch Alexej neutralisieren muss.“ Kreml-nahe Telegram-Kanäle verbreiteten am Donnerstag, Nawalny habe am Vorabend zu viel getrunken und eine Pille gegen den Kater genommen, die zur Vergiftung geführt habe. Nichts davon sei wahr, widerspricht Jarmysch.

Zur Startseite