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EU-Verkehrskommissarin Bulc hat den Widerstand gegen die Mautpläne von Bundesverkehrsminister Dobrindt (CSU) aufgegeben.
© dpa/Stephanie Lecocq

Kompromiss zwischen Dobrindt und Bulc: Die Maut kommt - Details immer noch unklar

Der Kompromiss zur PKW-Maut steht: Deutsche Autofahrer könnten entlastet, Kurzzeitvignetten für Ausländer teurer werden.

Ausgerechnet Brüssel. Als Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt am Donnerstagabend in der EU-Kommission neben seiner Widersacherin Violeta Bulc steht, ist ihm die Zufriedenheit anzusehen. An der Seite der EU-Verkehrskommissarin und mit Europaflaggen im Hintergrund kann er verkünden, dass er grünes Licht für ein Vorhaben bekommt, das Kritiker nicht zuletzt als anti-europäisch geißeln: die Pkw-Maut, Prestigeprojekt seiner CSU, geboren als Wahlkampfhit für bayerische Bierzelte. Nach Monaten harter Konfrontation sind Berlin und Brüssel auf Harmoniekurs eingeschwenkt.

Ist der Weg für die Maut also frei? Nun sei klar, „dass die Pkw-Maut kommt“, sagt Dobrindt. Wann, wie und ob, bleibt vorerst in der Schwebe. „Eine Verständigung mit Brüssel heißt nicht, dass die veränderte Pkw-Maut morgen im Gesetzblatt steht“, sagt SPD-Fraktionsvize Sören Bartol. „Unsere Messlatte ist, dass es keine zusätzlichen Belastungen für deutsche Autofahrer geben darf.“ Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat schon gewarnt, eine zusätzliche Abgabe dürfe im Saldo im Etat nicht weniger Einnahmen produzieren.

Wie reagieren Nachbarländer wie Österreich oder die Niederlande? Die wollen den Gang der Dinge genau beobachten. „Es ist alles möglich“, sagte der Wiener Verkehrsminister Jörg Leichtfried prompt mit Blick auf eine mögliche eigene Klage. Die Einigung zwischen Berlin und Brüssel bezeichnete er als „faulen Kompromiss“. Autofahrer werden die Maut ohnehin nicht so bald spüren: Dobrindt hat bereits klargemacht, dass ein Start wegen der nötigen Vorbereitungen nicht mehr vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 realistisch ist.

Unklar ist ebenso, wer in Zukunft wieviel bezahlen muss. Aus den am Donnerstag bekannt gewordenen Details des Kompromisses zwischen Dobrindt und Bulc geht nicht eindeutig hervor, wie sich die Belastungen gegenüber den ursprünglichen Plänen neu verteilen werden. Doch scheinen Entlastungen für deutsche Autofahrer einherzugehen mit höheren Preisen für Kurzzeitvignetten, die an Ausländer verkauft werden.

Nach der Vereinbarung sollen vor allem deutsche Besitzer von Neufahrzeugen besser wegkommen als in Dobrindts erstem Modell – denn Autos mit einer geringen Schadstoffstufe sollen bei der von deutschen Staatsbürgern verlangten Langzeitmaut weniger zahlen müssen als bisher bei der Kfz-Steuer. Diese Steuer soll künftig praktisch mit der Maut verrechnet werden. Mit diesem Schritt wäre allerdings eine gleichmäßige Behandlung deutscher Autofahrer nicht mehr gegeben, weil die Steuerverrechnung unterschiedlich gehandhabt würde. Die stärkere Entlastung von Wagen mit niedrigen Abgaswerten senkt die Einnahmen angeblich um 100 Millionen Euro. Dennoch sollen die Zusatzeinnahmen aus der Maut durch den Vignettenverkauf an Ausländer weiter bei 500 Millionen Euro im Jahr liegen.

In mehreren Stufen

Dagegen wird der Preis für Kurzzeitvignetten je nach Fahrzeugeigenschaften stärker gespreizt als geplant. So sollte die Zehn-Tages-Maut bisher fünf, zehn oder 15 Euro kosten. Nun hieß es aus Brüssel, dass es eine Tabelle mit Preisen von 2,50, vier, sechs, 14 und 20 Euro geben wird. Entsprechendes gilt für die geplante Zwei-Monats-Vignette. Sie soll jetzt zwischen sieben und 40 Euro kosten, mit fünf Preisstufen. Bisher waren drei Stufen zwischen 16 und 30 Euro geplant.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Christine Lambrecht, sprach am Donnerstag die Kosten der Mauterhebung und damit die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens an. „Die Maut darf kein Selbstzweck sein“, sagte Lambrecht. „Was wir ganz sicher nicht brauchen, ist ein Bürokratiemonster, das die zusätzlichen Einnahmen auffrisst.“ Diese müssten auch substanziell sein.

Nach einem am Donnerstag vorgelegten Gutachten des Bundesrechnungshofs sind allerdings die Erhebungs- und Kontrollkosten bei der Maut erheblich. Sie liegen bei 27 Prozent der Summe, die zusätzlich (also nach Abzug der Steuererstattung für Deutsche) eingenommen wird. Geringer wären die Kosten demnach, wenn die gesamten Einnahmen aus der Pkw-Maut über die geplante Verkehrsinfrastrukturgesellschaft abgewickelt würden. In diese Gesellschaft will die Bundesregierung die Autobahnen und einige vierspurige Bundesstraßen einbringen, um sie künftig selber zentral zu verwalten. Bisher sind für das Planen und Bauen der Fernstraßen weitgehend die Länder im Auftrag des Bundes zuständig.

Kritik an großen ÖPP

Rechnungshofpräsident Kay Scheller warnte allerdings davor, die Reform der Straßenverwaltung für eine ausgedehnte Privatisierungspolitik zu nutzen. Zwar will die Regierung Autobahnen oder die Autobahngesellschaft nicht verkaufen. Doch ist es nach den vorliegenden Gesetzentwürfen möglich, auch größere Teile des Fernstraßennetzes im Rahmen öffentlich-privater Partnerschaften (ÖPP) in Konzession für einige Jahrzehnte an private Firmen zu vergeben.

Diese Firmen (etwa Konsortien von großen Baukonzernen und Finanzinvestoren) wären dann für Bau- und Erhaltungsmaßnahmen verantwortlich, würden aber durch Steuermittel und vor allem die Einnahmen aus der Lkw- und der Pkw-Maut bezahlt. Scheller befürchtet, auch angesichts der Erfahrungen mit dieser Form der Privatisierung in Frankreich, deutlich höhere Kosten und damit auch eine deutlich höhere Maut als bisher geplant.

Zudem sieht er kritisch, dass dadurch die Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten der Regierung und vor allem des Bundestages eingeschränkt wären. Würden solche ÖPP-Projekte auf große Teile oder das gesamte Fernstraßennetz ausgedehnt, „würde der Staat die Regieführung aus der Hand geben“, sagte Scheller. Um die Kosten in Grenzen zu halten, sollte die Gesellschaft (die nach den Plänen der Bundesregierung privatrechtlich als GmbH in Bundesbesitz gegründet werden soll) eigene Kredite nur dann aufnehmen dürfen, wenn diese vom Staat garantiert werden – weil damit geringere Zinsen möglich sind.

Schellers Plädoyer für eine engere Kontrolle der Gesellschaft durch Regierung und Bundestag spräche eher für eine Gründung als öffentlich-rechtliche Anstalt. Das wollen auch viele SPD-Abgeordnete. Grüne und Linke fordern das ohnehin.

Grüne sehen sich bestätigt

Die Grünen sehen sich durch den Rechnungshofbericht bestätigt. „So wie die Autobahngesellschaft jetzt geplant ist, entstehen große Probleme durch Privatisierung, mangelnde Kontrollmöglichkeiten und fehlende Transparenz“, sagte der Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler. ÖPP sollten daher ausgeschlossen werden. Sie seien bis zu 20 Prozent teurer als die konventionelle Realisierung durch den Staat, der private Firmen direkt mit Planung und Bau beauftragt.

In Frankreich kommen Firmen, denen Autobahnen per Konzession übertragen wurden, auf Umsatzrenditen von bis zu 20 Prozent. Die Renditeerwartungen privater Firmen bei ÖPP in Deutschland werden auf sechs bis zehn Prozent geschätzt. Laut Scheller sollte es in Deutschland nicht dazu kommen, dass – wie in Frankreich – die privaten Autobahnbetreiber die Höhe der Maut dem Gesetzgeber quasi vorschreiben.

Die EU-Kommission strebt seit Längerem ein europaweites Mautsystem für die Fernstraßen an. In der Schweiz, in Österreich und Slowenien gibt es Vignettensysteme, die unabhängig sind von der tatsächlichen Nutzung. In Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Kroatien und auch Polen werden streckenabhängige Gebühren verlangt, so wie in Deutschland auch schon beim Lkw-Verkehr auf Autobahnen und einigen Bundesstraßen. Geplant ist, die Lkw-Nutzungsgebühr auf alle Bundesstraßen auszuweiten. (mit dpa/AFP)

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