Abgastests mit Affen: Die Autobosse müssen endlich Verantwortung übernehmen
Die deutsche Wirtschaft hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Es wird höchste Zeit, den Scheinwerfer auf die Eliten zu richten. Ein Kommentar.
In der Politik, so weiß man, stürzen die Großen nur selten über die Skandale selbst, mögen sie auch noch so ungeheuerlich sein. Was sie ihre hohen Ämter und ihr Ansehen kostet, ist meistens der Umgang mit den eigenen Verfehlungen. Erst wenn Betrug vertuscht wird und sogar Mitarbeiter zu Bauernopfern im Kampf um Verschleierung werden, dann richtet sich die öffentliche Meinung mit offener Ablehnung gegen solches Verhalten. Und es ist richtig, dass dann seinen Platz räumen muss, wer seiner Verantwortung nicht gerecht wird. Ob es sich nun um Staatssekretäre, Minister oder manchmal sogar Bundespräsidenten handelt.
Denn mit der Fehlbarkeit des Einzelnen können wir umgehen, den öffentlichen Pranger auf Marktplätzen gibt es Gott sei Dank schon lange nicht mehr. Was die Gesellschaft jedoch zerstört, Stück für Stück, das ist der Verdacht von Unredlichkeit oder gar die Vermutung eines unmoralischen Systems, in dem die Kleinen immer gehängt werden und die Großen davonkommen.
Man kann eigentlich nur froh sein, dass sie in ihrer Selbstgewissheit weiter dramatische Fehler machen und damit den ruhenden Wohlstandsbürger auf die Barrikaden treibt! Eine Selbstreinigung erscheint kaum möglich, betrachtet man die derzeitige Politik.
schreibt NutzerIn gladis
Wenn jetzt bekannt wird, dass die Elite der deutschen Automobilindustrie eine Vereinigung gegründet hat, die in ihrem Auftrag fragwürdige Belege dafür suchte, dass unter anderem Stickoxide aus Abgasen für die Gesundheit der Menschen ungefährlich sind – und damit nichts anderes bestritten werden sollte, als dass die Erde rund ist, und dazu auch noch Tiere vor Abgasrohre gespannt wurden –, dann wird es höchste Zeit, den Scheinwerfer auf diese Eliten selbst zu richten. Auf die Großen nämlich, die Vorstände und auch ihre Kontrolleure.
Wer will den Autobauern noch trauen?
Denn wer soll noch glauben, dass nur ein paar übereifrige Ingenieure bei Volkswagen, Audi, Daimler oder BMW an Abschalteinrichtungen für Dieselfahrzeuge herumgeschraubt haben, um ihre eigene berufliche Bilanz aufzubessern? Und wer will noch den zahllosen Entschuldigungen des Automobilmanagements vertrauen? Wie glaubwürdig sind Beteuerungen, von nichts gewusst zu haben? Was zählt die Zusicherung, was im Dieselskandal geschehen ist, werde bedauert, was die Ansage, das werde alles aufgearbeitet?
Blödsinn, möchte man dem entgegenschleudern. Der hunderttausendfache Betrug an Kunden, die bewusste Inkaufnahme der Schädigung von Umwelt und Gesundheit beruhen doch ganz offensichtlich auf einem System. Während auf der einen Seite mit ausgeklügelten Abschalteinrichtungen das umweltbewusste Diesel-Fahren in dicken Karossen suggeriert wurde, sollten bunte Broschüren mit den Unterschriften von wissenschaftlichen Instituten die Unbedenklichkeit des grenzenlosen Motorrausches vorgaukeln.
Das Geschäft, der Aktienkurs und, ja, auch die eigene Karriere in den Topetagen, das Millioneneinkommen, stehen dabei wohl an erster Stelle. Das Bewusstsein für Anstand und gesellschaftliche Verantwortung kommt zum Schluss. Denn vertraut wird darauf, dass die Öffentlichkeit vor Konsequenzen zurückschreckt: Politiker, weil sie um das Ansehen des Standortes fürchten. Gewerkschafter und Betriebsräte, weil sie die Sorge um Arbeitsplätze umtreibt. Hat es seit dem Bekanntwerden des Dieselskandals jenseits der bekannten Bauernopfer personelle Konsequenzen gegeben? Es wäre Zeit dafür.
Als das schmutzige Geschäft der Crème de la crème der deutschen Finanzwirtschaft vor zehn Jahren aufflog, war die Bestürzung darüber groß, wie gleichgültig den Bankern offenbar die Auswirkungen ihres Tuns für die Gesellschaft waren. Verschämt versicherte seinerzeit nicht nur die Branche selbst, das verloren gegangene Vertrauen in Unternehmer und Manager wiederherstellen zu wollen. Geschehen ist seither offenbar nicht sehr viel, zumindest hat der Prozess der Selbstvergewisserung, den die Wirtschaftseliten versprachen, Wolfsburg, Ingolstadt und Stuttgart wohl noch nicht erreicht. Die deutsche Wirtschaft hat hier nach wie vor ein Glaubwürdigkeitsproblem. Der Dieselskandal und der Umgang mit ihm stehen dafür beispielhaft.