Dieselskandal: VW-Chef Müller: Abgastests waren „unethisch und abstoßend“
VW-Konzernchef Matthias Müller hat umstrittene Versuche beim Test von Dieselabgasen als inakzeptabel bezeichnet. Politik und Verbände fordern Konsequenzen.
VW-Konzernchef Matthias Müller hat umstrittene Versuche beim Test von Dieselabgasen als inakzeptabel bezeichnet. „Die damals von der EUGT in den USA praktizierten Methoden waren falsch, sie waren unethisch und abstoßend. Mit Interessensvertretung oder wissenschaftlicher Aufklärung hatte das nichts, gar nichts zu tun“, sagte Müller am Montagabend in Brüssel. „Mir tut es leid, dass Volkswagen als einer der Träger der EUGT an diesen Vorgängen beteiligt war. [...] Es gibt Dinge, die tut man schlicht nicht.“ Es müssten nun „alle nötigen Konsequenzen“ gezogen werden.
Politiker und Verbände forderten am Montag personelle Konsequenzen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte die Versuche scharf und forderte Aufklärung. „Diese Tests an Affen oder sogar Menschen sind ethisch in keiner Weise zu rechtfertigen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Für VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch sind die Versuche „in keinster Weise nachvollziehbar“, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der im VW-Aufsichtsrat sitzt, forderte umfassende Aufklärung. Er habe von den Tierversuchen nichts gewusst. Umweltverbände, Grünen-Politiker, Tierschützer und Lobbycontrol sprachen von „haarsträubenden“ Erkenntnissen. Entschuldigungen reichten jetzt nicht mehr aus, nun sei die Politik am Zuge.
VW hatte sich am Sonntag für Tests mit Affen entschuldigt, die vor Jahren in einem US-Labor im Auftrag der von Volkswagen, Daimler, BMW und Bosch gegründeten Europäischen Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT) vorgenommen worden waren. Federführend war VW gewesen. Ziel der Tests war es, zu zeigen, dass Dieselabgase unschädlich seien.
Die Autolobby hatte ihren Sitz in Berlin
Nach neuen Berichten soll die EUGT darüber hinaus eine Studie an der Universität Aachen in Auftrag gegeben haben, bei der auch Menschen Stickstoffoxid ausgesetzt wurden, das von Dieselmotoren erzeugt wird. Dem trat am Montag Institutsleiter Thomas Kraus entgegen: Eine entsprechende Studie von 2013 befasse sich nicht mit der Dieselbelastung von Menschen. Es sei vielmehr um den Stickstoffdioxidgrenzwert am Arbeitsplatz gegangen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. 25 gesunde Menschen seien Konzentrationen ausgesetzt worden, die unterhalb der Belastung am Arbeitsplatz lägen. Die Ethikkommission der Uniklinik habe die 2016 veröffentlichte Studie geprüft und genehmigt.
Das EUGT mit Sitz in Berlin, an dem VW die Hälfte der Anteile und BMW und Daimler je ein Viertel hielten, war 2017 aufgelöst worden – auch im Lichte der 2015 aufgedeckten Dieselaffäre. Bosch war bereits 2013 wegen Meinungsverschiedenheiten ausgeschieden. Daimler hatte erklärt, man halte „die Tierversuche in der Studie für überflüssig und sinnlos“. BMW teilte auf Anfrage mit, man habe an den genannten Studien nicht mitgewirkt und sich bereits vergangene Woche distanziert. „Wir haben umgehend mit einer internen Untersuchung begonnen, um die Arbeit und Hintergründe der EUGT sorgfältig aufzuklären“, hieß es.
Der VW-Konzern sieht sich nun erneut schwersten Vorwürfen ausgesetzt, die vor allem auf dem US-Markt gravierende Folgen haben könnten. Die „New York Times“ hatte zuerst über die Schadstofftests mit Affen berichtet. Leser kommentierten den Fall des deutschen Autobauers empört und verwiesen auf den Holocaust. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) reagierte „entsetzt“. Was bekannt sei, sei „abscheulich“, erklärte sie am Montag. Die Hintergründe gehörten jetzt schnell auf den Tisch. Neben der Autoindustrie müsse auch die Wissenschaft ihre Verantwortung dafür aufklären. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Stephan Kühn sagte: „Diese Abgasexperimente zerstören weiter das Vertrauen in die Autoindustrie. Ethik und Moral wurden offenbar für den Profit geopfert.“