Verlängerung der Wahlperiode?: Die Amtszeit der Kanzler sollte beschränkt werden
Bundestagspräsident Lammert will nur noch alle fünf statt vier Jahre wählen lassen. Besser wird dadurch nichts. Der Bundestag ist aus ganz anderen Gründen schwach. Ein Kommentar
Wird in Deutschland zu oft gewählt? Norbert Lammert will, dass die Bürger nur noch alle fünf statt vier Jahre über einen neuen Bundestag entscheiden. Eine „haushohe virtuelle Mehrheit“ gebe es dafür im Parlament, sagte dessen Präsident zu Wochenbeginn. Vertreter aller Fraktionen stimmten ihm zu. Da wundert es, dass die Abgeordneten nicht längst schon zur Tat geschritten sind. Denn immer wieder bringt Lammert seine Forderung vor. Aus seiner Sicht geht es um eine „schlichte Frage der Zweckmäßigkeit“.
Womöglich ist aber auch den Parlamentariern klar, dass es für eine Reduzierung der Mitwirkungsrechte der Bevölkerung guter Argumente bedarf. Zumindest sollte nicht der Eindruck entstehen, dass die Politik einfach länger in Ruhe gelassen werden will. Die Einführung von Volksabstimmungen auf Bundesebene als Ausgleich, wie von den Grünen gefordert, hat Lammert jedoch bereits abgelehnt.
Gesellschaftlich nimmt das Tempo zu, doch Lammert will auf die Bremse treten
66 Jahre ist die Bundesrepublik mit einer vierjährigen Wahlperiode gut gefahren – dreimal war es sogar die Politik, die reguläre Wahlen nicht abwarten wollte und die Wähler vorzeitig zu den Urnen rief (1972, 1983, 2005). Dennoch meint Lammert nun, diverse Probleme durch eine Verlängerung der Legislaturperiode lösen zu können – den Rückgang der Wahlbeteiligung etwa oder den Eindruck, dass der Bundestag zu wenig stemmt. Das erste halbe Jahr gehe für die Einarbeitung drauf, das vierte Jahr „steht im Zeichen des Bundestagswahlkampfs“, sagt er.
Lammerts Argumentation erscheint skurril. Während das gesellschaftliche Tempo zumindest gefühlt eher schneller wird, will er auf die Bremse treten. Erst recht wirkt sein Vorstoß vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Szenerie wie aus der Zeit gefallen: 2013 schleppten Union und SPD sich zunächst monatelang mit Koalitionsverhandlungen hin, die am Ende zu den längsten in der Geschichte der Bundesrepublik wurden. Nach zwei Jahren entpuppt der Koalitionsvertrag sich als so gut wie abgearbeitet. Dann wird in der SPD über den nächsten Bundestagswahlkampf geredet, als wolle man ihn am liebsten ganz absagen. Und schließlich heißt es, Kanzlerin Angela Merkel bereite ihre vierte Amtszeit vor – alles andere wäre eine Sensationsnachricht gewesen.
Unter einem Zuviel an Wettbewerb leidet die deutsche Politik also gerade nicht, wie Lammert unterstellt. Sondern ganz im Gegenteil: Ihr mangelt es daran.
Dass immer weniger Bürger an Wahlen teilnehmen, liegt auch kaum an einem Übermaß an Abstimmungsmöglichkeiten. Landtags-, Europa- und Kommunalwahlen gab es früher schon. Lammert aber sagt: „Nirgendwo wird so oft gewählt wie bei uns. Das fördert die Wahlbeteiligung erkennbar nicht.“ Zwar stimmt es, dass bis auf die Bürgerschaft in Bremen inzwischen alle Landesparlamente für fünf statt früher vier Jahre gewählt werde. Vergleichbar mit dem Bundestag aber sind sie nicht. Sie gestalten viel weniger an der Gesetzgebung mit und sind kaum der Ort für große Grundsatzdebatten. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Kontrolle der Landesverwaltung.
Auch von einer vorzeitigen Arbeitsunfähigkeit des Bundestages gegen Ende der Legislaturperiode kann keine Rede sein. 2009 zum Beispiel, im Zuge der Finanzkrise, erwies das Parlament sich als voll handlungsfähig, obwohl damals im September gewählt wurde. Abwrackprämie, Bankenrettung, Konjunkturpakete, um nur einige Punkte zu nennen, wurden kurz vor Toresschluss auf den Weg gebracht.
Obama könnte das Vorbild sein
Wollte Lammert den Bundestag gegenüber der Regierung tatsächlich stärken, dann müsste er einen ganz anderen Vorschlag machen: Den, die Amtszeiten von Ministern oder zumindest von Kanzlern zu beschränken. Denn die eigentlichen Probleme des Bundestages haben nichts mit einem Mangel an Zeit zu tun, sondern mit einem Übergewicht der Exekutive im Verhältnis zur Legislative. Das geht zum einen auf europäische Verpflichtungen zurück – bereits verhandelte Griechenland-Verträge zum Beispiel kann der Bundestag nicht mehr ändern. Das hat aber auch mit einem mangelhaften Austausch an Regierungspersonal zu tun.
Wenn man sieht, wie schwungvoll und befreit Barack Obama inzwischen handelt, weil er keine Rücksicht auf eine eventuelle Wiederwahl nehmen muss, dann würde man sich eine Amtszeitbegrenzung im Grundgesetz durchaus wünschen. Obamas letzte zwei Jahre als Präsident könnten die stärksten seiner Amtszeit werden. Völlig unklar dagegen ist, für welche Projekte Merkel eine vierte Amtszeit nutzen will. Bisher sieht es so aus, als wolle sie es in erster Linie Helmut Kohl gleichtun.