Längere Wahlperiode: Drei, vier, fünf?
Die große Koalition denkt offenbar über eine Verlängerung der Wahlperiode des Bundestags von vier auf fünf Jahre nach. Das war zuletzt im Reichstag nach 1893 der Fall. Es waren auch schon mal drei Jahre.
Dass man eine längere Wahlperiode brauche, das hat den einen oder die andere im Bundestag immer wieder umgetrieben. Aber nun könnte eine konzertierte Aktion daraus werden. Norbert Lammert, der Bundestagspräsident, ist vorgeprescht, Politiker von Union und SPD signalisieren Zustimmung, die Opposition scheint nicht grundsätzlich abgeneigt. Am Ende könnte also zu den Reformen der schwarz-roten Mammutkoalition gehören, die Wahlperiode von vier auf fünf Jahre zu verlängern. Die eine Begründung lautet, damit schließe sich der Bundestag ja nur den Landtagen (und auch dem Europaparlament) an. In der Tat haben alle Länder bis auf Bremen mittlerweile eine fünfjährige Legislaturperiode eingeführt. Ein weiterer Grund wird schon seit Jahren nach vorn geschoben: Eine längere Wahlperiode mache dem Parlament ein ruhigeres, gründlicheres Arbeiten möglich, der Bundestag wäre dann weniger von Wahlkämpfen getrieben. Wobei natürlich die angeblich Getriebenen diese Wahlkämpfe selber veranstalten, was das Argument etwas ins Leere laufen lässt. Und Gründlichkeit ist nicht unbedingt eine Frage von Zeiträumen.
In der Verfassung steht bisher, dass der Bundestag für vier Jahre gewählt wird. In der Frühzeit der Demokratie waren kürzere Wahlperioden die Norm. Im Verfassungsentwurf der Paulskirchenversammlung von 1849 hieß es: „Die Mitglieder des Volkshauses werden für das erste Mal auf vier Jahre, demnächst immer auf drei Jahre gewählt.“ Dass das US-Repräsentantenhaus bis heute sogar alle zwei Jahre gewählt wird, ist ein Echo dieser urdemokratischen Sichtweise. Der nach demokratischem Männerwahlrecht bestimmte Reichstag hatte nach 1871 zunächst ebenfalls drei Jahre bis zur Neuwahl, 1888 wurde die Wahlperiode auf fünf Jahre verlängert (mit Wirkung ab 1893). In der Weimarer Verfassung von 1919 ging man dann auf vier Jahre (was auch die Regel bei den Landtagen war), in der Realität aber kam nur ein Reichstag auf die volle Zeit, alle anderen wurden vorzeitig aufgelöst. 1949 dann beließen es die Väter und Mütter des Grundgesetzes bei vier Jahren. In seinem Standardwerk zum weltweiten Wahlrecht schreibt der Heidelberger Politologe Dieter Nohlen, dass international die Dauer der Wahlperioden zwischen vier und sechs Jahren schwanke, wobei bei Parlamenten vier Jahre üblich seien, bei Präsidenten fünf oder sechs Jahre.
Die Verlängerung der Wahlperioden bei Landtagen (und nun eventuell beim Bundestag) fällt in eine Zeit, in der die regionalen und nationalen Parlamente Gesetzgebungskompetenzen an die Europäische Union abgeben mussten – und zwar vor allem an die Brüsseler Kommission, weniger an das in seinen Vollmachten eingeschränkte EU-Parlament. Die Landtage hatten zuvor schon ihre Legislativmacht weitgehend an den Bundestag verloren. Insofern kann man die Verlängerung von Wahlperioden als (problematische) Folge einer Entparlamentarisierung sehen. Dass die Debatte um längere Wahlperioden oft mit der Forderung nach mehr Volksabstimmungen ergänzt wird (so auch jetzt wieder von Koalitions- wie von Oppositionspolitikern), deutet auf darauf hin, dass die politische Klasse sich ein anderes, weniger repräsentatives System wünscht: längere Parlamentszeiten (für das ruhigere Arbeiten) und periodische Referenden, die dann als „Wahlersatzhandlungen“ inszeniert werden können. Eine Rolle bei der Forderung nach längeren Wahlperioden dürften auch die Parteifinanzen spielen: Wahlkämpfe sind, jedenfalls in ihrer heute praktizierten Form, sehr kostspielig. Gleichzeitig verlieren die Parteien Mitglieder, sie bekommen weniger Spenden und die staatliche Finanzierung (ohnehin umstritten) ist ausgereizt. Da ist ein Jahr mehr fürs Geldsammeln durchaus willkommen. Der gerade gewählte Bundestag kann sich seine "Amtszeit" nicht selbst verlängern. Eine Reform würde also frühestens 2017 greifen.
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