SPD und Kanzlerdebatte: Torsten Albig hält Angela Merkel für fast unbesiegbar
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig verärgert seine SPD. Er hält einen Kanzlerkandidaten (also Sigmar Gabriel) für chancenlos - und lobt Angela Merkel.
Was ist bei geringen Erfolgsaussichten besser: kämpfen oder lieber gleich aufgeben? Darüber ist im Hinblick auf die nächste Bundestagswahl ein Streit in der SPD ausgebrochen. Auslöser der Debatte am Freitag sind Äußerungen von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD), nach denen die SPD 2017 auch auf einen Kanzlerkandidaten verzichten könnte. Die Linke sieht darin "Luschenhaftigkeit".
Für die SPD und Parteichef Sigmar Gabriel ist es frustrierend: Obwohl die Sozialdemokraten in der großen Koalition mit der Union einige politische Erfolge wie den Mindestlohn, die Mietpreisbremse und die Einführung einer Frauenquote in Führungsetagen feiern konnten, kommen sie in Umfragen nicht über 25 Prozent Zustimmung hinaus, wie das am Freitag veröffentlichte Politbarometer von Tagesspiegel und ZDF erneut bestätigte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kann demnach auf einen stabilen und bequemen Vorsprung von 16 Prozentpunkten ihrer Partei blicken.
Für Albig ist das ein Grund, seiner SPD bereits die Aussicht auf einen Sieg bei der Bundestagswahl 2017 abzusprechen. Er habe zwar "gar keinen Zweifel", dass Gabriel "exzellent" als Kanzlerkandidat sei, sagte Albig in einem NDR-Sommerinterview. Ein Sieg gegen Merkel sei jedoch schwer. "Ich glaube, sie macht das ganz ausgezeichnet - sie ist eine gute Kanzlerin", lobte der Ministerpräsident.
Kritik von den Kollegen
Für die SPD könne also auch das Wahlziel lauten, an der nächsten Regierung wieder beteiligt zu sein, sagte Albig. Auch dafür werde ein starker Kandidat benötigt, aber "ob die Bezeichnung Kanzlerkandidat noch richtig ist oder nicht, das werden wir sehen". In seiner Partei sorgte der Mann aus dem hohen Norden damit für massive Verärgerung. "Der Gedanke ist völlig abwegig, dass die SPD ohne Kanzlerkandidaten in die Bundestagswahl 2017 gehen könnte", sagte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi dem "Spiegel". Die SPD kämpfe für ein Ende der großen Koalition mit Politik, Programm und Personal.
Auch SPD-Vizechef Ralf Stegner widersprach entschieden. "Eine Partei wie die SPD, die in 14 von 16 Ländern regiert, die fast jede deutsche Großstadt regiert, die kann natürlich nicht den Anspruch aufgeben, den Kanzler zu stellen", sagte der Vorsitzende der Schleswig-Holstein-SPD dem NDR. Vielleicht habe Albig ja "norddeutschen Humor" sprechen lassen. Falls das der Fall gewesen sein sollte, ist Albig Wiederholungstäter. Bereits im März hatte er die Chancen eines SPD-Kandidaten gegen Merkel als gering eingeschätzt, als er unkte: "Vielleicht müssen wir noch eine Weile warten, bis wir wieder Autogrammkarten eines sozialdemokratischen Kanzlers verteilen können."
Albigs erneute Zweifel an den Erfolgsaussichten seiner Partei empören sogar die Opposition. "Diese Luschenhaftigkeit einiger Sozialdemokraten befördert Politikverdrossenheit", kritisierte der Linken-Politiker Dietmar Bartsch in der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung". Es sei der traditionsreichen Sozialdemokratie unwürdig, "nicht mit aller Kraft um die Kanzlerschaft zu kämpfen". Bei der CDU kam die Quasi-Wahlempfehlung Albigs für Merkel hingegen gut an. "Ministerpräsident Albig hat recht", sagte der CDU-Vizevorsitzende Thomas Strobl den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Ich wünsche ihm viel Glück und Erfolg, seine Position in seiner Partei durchzusetzen."