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Verblassende Partei für Lautsprecher. Mikrofon beim Landesparteitag der der sächsischen AfD im Februar 2019.
© Sebastian Willnow/dpa

Historischer Verdachtsfall: Die AfD ist nun juristisch gebrandmarkt

Die AfD darf wegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen nun von Gerichts wegen beobachtet werden. Das ist eine historische Zäsur. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frank Jansen

Jetzt kommen schwere Zeiten auf die AfD zu. Die Entscheidung des Kölner Verwaltungsgerichts, das Bundesamt für Verfassungsschutz dürfe die Partei komplett wegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen als „Verdachtsfall“ einstufen, ist eine Zäsur. Dass die Partei rechtsextremistisch durchsetzt ist, wird nun von Richtern bestätigt.

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ist eine in Bundestag und allen Landtagen vertretene Partei juristisch gebrandmarkt. Auch wenn die AfD noch zum Oberverwaltungsgericht und womöglich zum Bundesverfassungsgericht zieht, wird sie den üblen Ruf kaum wieder los werden. Das hat sie sich selbst eingebrockt.

In der Partei führen schon lange rechtsextreme Agitatoren wie Björn Höcke, Hans-Thomas Tillschneider und Stephan Brandner das große Wort. Die AfD ist seit Jahren eine Plattform für rassistische, antisemitische, islamophobe und demokratiefeindliche Hetze. Auch scheinbar seriöse Führungsfiguren wie Alexander Gauland stecken tief im Sumpf der Ressentiments.

Gauland hat nicht nur den rechtsextremen „Flügel“ hofiert, sondern auch selbst das Stichwort für die mentale Verrohung der Partei gegeben. Seine Behauptung, das Nazi-Regime sei „nur ein Vogelschiss“ in der 1000-jährigen deutscher Geschichte, hat Rechtsextremisten – über die AfD hinaus – in ihrem bräunlichen Weltbild bestätigt.

Ein Attest auch für Gauland

Widerspruch in der Partei gab es nicht. Der Fall Gauland zeigt, dass die ganze Partei, nicht nur Flügel-Leute wie Höcke, ein zumindest zwiespältiges Verhältnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung hat. Die Entscheidung des Kölner Gerichts ist das passende Attest.

Die Richter haben zudem über den Fall hinaus ein Zeichen gesetzt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz, ja der gesamte Verbund der Behörden für Verfassungsschutz, können sich als Frühwarnsystem der Demokratie bestätigt fühlen. Das Verwaltungsgericht hat mit der Entscheidung zum Thema Verdachtsfall AfD implizit auch die Notwendigkeit der Existenz des Inlandsnachrichtendienstes anerkannt.

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Das ist kein Freispruch für die Pannen und Versäumnisse der Vergangenheit, wie beim NSU-Desaster. Doch die Entscheidung der Kölner Richter signalisiert auch, dass eine Demokratie nicht wehrhaft ist, wenn nicht eine Sicherheitsbehörde rechtzeitig extremistische Tendenzen unter die Lupe nimmt. Es ist an der Zeit, dass die Zweifler an der Arbeit des Verfassungsschutzes einen realistischen Blick wagen.

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