Politischer Aschermittwoch: Die AfD ist das neue Attackenziel der CSU
Neue Tonlage in Passau: Statt gegen Flüchtlinge und Berliner Politik zu wettern, grenzt sich die CSU scharf von der AfD ab.
Schon klar, für Manfred Weber ist es ein Heimspiel. Passau liegt in Niederbayern, der CSU-Aufsteiger mit den schütteren Haaren war dort bis zu seinem Durchstarten in der Europapolitik Bezirksvorsitzender. Doch als der Beifall in der prall gefüllten Dreiländerhalle nicht enden will, als die andere und eigentlich zentrale Person des politischen Aschermittwochs in Bayern das Mikrofon nochmal freigeben und in das Klatschen miteinstimmen muss – da spürt man, dass da einer ist, der dem neuen Ministerpräsidenten und Parteichef wenn schon nicht die Schau stehlen, so doch in der Anhängergunst das Wasser reichen kann. Obwohl er ganz anders auftritt und für eine ganz andere CSU steht als Markus Söder und seine Vorgänger.
Reden erstmals simultan ins Englische übertragen
Allein schon, wen dieser Weber hergelockt hat. Um den Kandidaten für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten auf heimischer Bühne zu erleben, sind so viele internationale Beobachter gekommen, dass die Reden des traditionellen CSU-Spektakels erstmals simultan ins Englische übertragen werden. Im Schwärmen für den Freistaat und die ihn dauerregierende CSU spricht Söder später sogar selber vom „Bavarian Dream of Life“.
Weber enttäuscht die von weither Angereisten nicht. Der 46-Jährige zeigt klare Kante. Europa werde sich von einem Donald Trump nicht durch Strafzoll-Androhungen erpressen lassen. Er werde dafür sorgen, „dass nicht nur Handwerker hier ihre Steuern zahlen, sondern auch die Apples und Facebooks dieser Welt“. Und die Beitrittsgespräche mit der Türkei würden unter ihm als Kommissionschef sofort gestoppt. Per Richtlinienkompetenz.
Weber nennt AfD-Politiker "Dumpfbacken"
Das kommt an bei den Zuhörern, bringt erwartbaren Beifall. Doch geklatscht wird auch, als Weber ein leidenschaftliches Plädoyer für Europa hält, daran erinnert, wie der Kontinent ohne EU aussehen würde, dass Wohlstand, Freiheit und langjähriger Frieden anders nicht denkbar seien.
Und dann geht es gegen die „Dumpfbacken“. Weber belegt die Rechtspopulisten der AfD gleich mehrmals mit dieser Vokabel. Diese Typen würden „immer dreister und immer radikaler“, wollten Deutschland zerstören. Die CSU werde sie mit aller Kraft bekämpfen. Söder wird diesen Ton später aufnehmen und sogar noch verstärken – als Beleg für das Mea Culpa, das er selbst vor seiner treuen Aschermittwochs-Gemeinde noch mal klopfen muss: „Wir haben im letzten Jahr manches falsch gemacht. Aber wir haben daraus gelernt“.
Lasst die Nazis allein"
Söder durfte in Passau vor einem Jahr schon mal als Hauptredner auf die Bühne – allerdings nur als Ersatzmann, weil Horst Seehofer wegen einer Grippe das Bett hüten musste. Der 52-Jährige gibt sich lässig, kommt mit Trachtenjacke und Dreitagebart. Und er wird längst nicht so ins Mäandern verfallen wie sein Vorgänger. Auch wenn es ohne publikumswirksame Schlenker zu verbotener Indianerkostümierung und schulschwänzenden Klimaschützern nicht geht. Der Mann am Mikro hätte nämlich, statt im Latein-Unterricht zu sitzen, schon auch gerne demonstriert. Allerdings für Franz-Josef-Strauß, wie er betont.
Spaß beiseite, klare politische Abgrenzung her. Vor einem Jahr wetterte Söder gegen Burkas und Berliner Politik. Nun sind Gauland, Höcke & Co. beherrschendes Thema. Und Attackenziel: Die AfD befinde sich „klar auf dem Weg ins Rechtsextreme“, verkündet der CSU-Vorsitzende. Es handle sich keineswegs nur um „vereinsamte, verwirrte Konservative“. Söders-Appell an verbliebene Gemäßigte: „Kehrt zurück und lasst die Nazis allein in der AfD.“ Und er lässt dabei auch den heiklen Streit um den richtigen Umgang mit Ungarns Premier Viktor Orban in der Europäischen Volkspartei (EVP) nicht außen vor. Man werde Europa „nicht Nationalisten, Populisten oder Extremisten überlassen“, sagt Söder unter Anspielung auf das Thema. Weber hatte sich dazu in Passau mit keinem Wort geäußert.
Söder: Streit mit der CDU wird sich nicht wiederholen
Über das bis dato vorherrschende Dauerthema der CSU, die Probleme mit Flüchtlingen und Asyl, will Söder diesmal nicht groß reden. Zuwanderung bedeute "Bereicherung", verkündet er stattdessen. Und dass es auch „um Hilfe und Solidarität“ gehe, um "Liebe am Nächsten". Das passt zu seinem Versprechen, das nicht nur der im Saal sitzende CDU-General Paul Ziemiak mit Interesse registriert haben dürfte. „Mit uns“, so Söder, „wird sich 2015 und der ganze Streit danach nicht wiederholen.“
Und die anderen Parteien? Die Sozialdemokraten sind kurz abgehandelt. "Wir werden nichts tun, was nur der SPD nützt", stellt Söder klar. Deren Pläne für eine Sozialstaatsreform seien "Gift für die Konjunktur", einen Linksruck in Deutschland dürfe es nicht geben. Und wenn die Genossen glaubten, "die Latte jetzt unglaublich hoch legen" und den Koalitionsvertrag nach der Europawahl nochmal neu verhandeln zu können, hätten sie sich getäuscht.
Mit eigenem Dreitagebart gegen Habeck
Eingehender beschäftigt sich der CSU-Vorsitzende mit den Grünen. Besserwisserisch, nennt sie Söder. Stellt klar, dass sie "kein Copyright auf Umwelt- und Klimaschutz" hätten., dass die CSU grüne Politik genauso könne. Und besonders scheint ihn die Popularität von Parteichef Robert Habeck umzutreiben. Ellenlang echauffiert sich der mit den eigenen Sympathiewerten kämpfende Söder über "diesen Wanderprediger in Sachen Demokratie". Um sich am Schluss selbstgefällig seinen neuen Dreitagebart zu kraulen. "So lässig wie Habeck sind wir schon lange", behauptet er. "Bloß - bei uns wächst mehr."