Das Erbe der DDR: Die AfD entdeckt die Treuhand für den Wahlkampf
Die AfD will mit der Linken für einen U-Ausschuss stimmen. Ein willkommenes Kampagnenthema im Osten, wo die Folgen von Arbeitslosigkeit viele weiterhin prägen.
Die AfD hat zum Tag der Arbeit die Folgen der Privatisierungspolitik der Treuhandanstalt nach der Wiedervereinigung zu einem neuen Kampagnenthema in Ostdeutschland gemacht. „Nach den Landtagswahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen werden wir in den ostdeutschen Landtagen Untersuchungsausschüsse zur Treuhand beantragen“, sagte der ostpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Jürgen Pohl. Zudem kündigte er die Zustimmung zu einem von Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch geforderten Bundestags-Untersuchungsausschuss an. Es wäre der zweite dieser Art, einen weiteren gab es bereits zum DDR-Vermögen, wo auch die Treuhand eine Rolle spielte.
Vielleicht entdeckt die AfD ja demnächst ein zukunftsträchtigeres Thema für sich. "Aufarbeitung Treuhand" ist für mich eher was für Historiker als für einen Untersuchungsausschuss.
schreibt NutzerIn klammer
Der AfD-Ostbeauftragte Pohl betonte, auch fast 30 Jahre nach der deutschen Einheit sei der Osten wirtschaftlich und sozial benachteiligt: „Die Altparteien haben den Menschen das Blaue vom Himmel versprochen. Bekommen haben sie Niedriglöhne und Armutsrenten. Gemessen an der Wirklichkeit waren die Versprechungen ein Hohn.“
Thüringens AfD-Chef Björn Höcke sagte, die Entwicklung verstoße gegen das Grundgesetz, das die Herstellung gleicher Lebensverhältnisse in ganz Deutschland vorschreibe. Man müsse der Frage nachgehen, „wer damals ein Interesse daran hatte, das Gebiet der ehemaligen DDR zu deindustrialisieren“. Viele Bürger von Rügen bis zum Thüringer Wald hätten das Gefühl, „dass sie damals über den Tisch gezogen wurden.“
Der AfD-Versuch, das Thema zu besetzen, bringt jedoch die Linke in Not. Denn sie versteht sich bisher als eine Volkspartei im Osten und als Anwalt der Wendeverlierer. Dabei war ihre Vorgängerpartei, die SED, für den dramatischen Zustand der DDR-Wirtschaft verantwortlich.
Die Treuhand spielte eine zentrale Rolle bei der Umwandlung der DDR-Planwirtschaft in eine Marktwirtschaft. Der erste Treuhand-Chef, der 1991 ermordete Detlev Rohwedder, prägte die Grundsätze vom Privatisieren, Sanieren und Abwickeln. Millionen von Jobs im Osten fielen weg. Allerdings war die DDR-Wirtschaft zur Wende in großen Teilen marode, viele Industrieanlagen waren veraltet.
Laut Umfragen ist die AfD inzwischen im Osten stärkste Kraft, die Landtagswahl am 1. September (Sachsen, Brandenburg) und am 27. Oktober (Thüringen) könnte die politische Landschaft kräftig durcheinanderwirbeln. Im Bundestag braucht es ein Viertel der Abgeordneten für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, AfD und Linke kommen auf 160 Sitze, notwendig wären 178 Abgeordnete. Bartsch hatte bereits Gespräche mit den Fraktionsvorsitzenden und mit Ost-Abgeordneten von Union, SPD, FDP und Grünen angekündigt – nicht aber mit der rechtspopulistischen AfD. „Es gibt Chancen, dass wir das Quorum für einen Untersuchungsausschuss erreichen werden“, erklärte Bartsch.
SPD-Beauftragter fordert Wahrheitskommission
Die durch die Abwicklung Tausender Betriebe entstandene Massenarbeitslosigkeit, Zukunftsangst und der Niedergang ganzer Regionen wird bis heute mit der Treuhandanstalt verbunden. Angesichts der AfD-Erfolge und neuen Studien zum Lebensgefühl in Ostdeutschland ist das schwierige Kapitel nun wieder in den Fokus gerückt. Hunderttausende Menschen, die jahrzehntelang in den Betrieben gearbeitet hatten, fühlten ihre Lebensleistung verachtet und gering geschätzt. Zudem gibt es hier Probleme mit nicht ausreichenden Renten und es gibt insgesamt weit mehr Geringverdiener – in den ostdeutschen Ländern verdienten zuletzt knapp 30 Prozent der Vollzeitbeschäftigten weniger als 2000 Euro brutto.
Der SPD-Ostbeauftragte Martin Dulig forderte mit Blick auf die Treuhand sogar die Einsetzung einer Wahrheitskommission, um damit die deutsche Debatte über die Nachwendezeit voranzubringen. Solche Kommissionen wurden in anderen Staaten gegründet, um beispielsweise Kriegsverbrechen aufzuarbeiten.
Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte (CDU), hatte dagegen zuletzt gegenüber der dpa gewarnt, alten Vorurteilen Vorschub zu leisten und die Gräben zwischen Ost und West zu vertiefen. Er sei ein großer Skeptiker von Geschichtspolitik. „Politiker sind nicht die besseren Historiker“, erklärte er mit Blick auf neue Versuche der Aufarbeitung: Die Auswertung der Akten sei vorrangig Aufgabe von Historikern. Zudem sei es die Linke gewesen, die den „Scherbenhaufen DDR-Wirtschaft“ hinterlassen habe, kritisierte er einen Versuch von Geschichtsklitterung. Mitarbeit: Maria Fiedler