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Erwartet keine Angebote: AfD-Spitzenkandidatin Frauke Petry.
© dpa

Landtagswahl in Sachsen: Die AfD als Alternative für Russland

Die Alternative für Deutschland (AfD) zieht am Sonntag in Sachsen wohl erstmals in einen Landtag ein. Das Thema Euro-Kritik spielt kaum eine Rolle mehr in der AfD. Stattdessen wird über die Rolle Russlands gestritten - ist das der neue Markenkern?

Es gibt Menschen, die hören es nicht gerne, wenn es heißt, dass die Alternative für Deutschland (AfD) künftig die FDP ersetzen könnte. Nicht bei den Liberalen, logisch. Aber auch nicht bei der Euro-kritischen Partei. Zwar ist der Jubel dort stets groß, wenn an Wahlabenden der gelbe Hochrechnungsbalken mal wieder nach unten rutscht. Doch das Wort „liberal“ kommt im Wortschatz von AfD-Politikern selten vor. Lieber bezeichnet man sich als „konservativ“, als „Partei des gesunden Menschenverstands“ – oder als Kombination aus beidem.

Sachsen ist die Hochburg der AfD

Sachsen, wo am Sonntag ein neuer Landtag gewählt wird, ist unbestrittene Hochburg der AfD. Bei der Bundestagswahl (6,8 Prozent) und der Europawahl (10,1 Prozent) erzielte sie dort jeweils ihr bundesweit bestes Ergebnis. Mit einem zweistelligen Resultat wird in der Bundesgeschäftsstelle diesmal zwar nicht gerechnet. Aber sechs bis sieben Prozent sollten es schon sein. Schließlich soll der erstmalige Einzug in ein deutsches Landesparlament genügend Schwung hinterlassen, um zwei Wochen später auch in Brandenburg und Thüringen erfolgreich zu sein.

Spitzenkandidatin Frauke Petry präsentiert sich dementsprechend siegesgewiss. In einem Interview hatte sie sich kürzlich sogar zu wilden Koalitionsspekulationen hinreißen lassen. Sie sprach über die mögliche Tolerierung einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung in Dresden. Später ruderte sie zurück. Naheliegender, wenn überhaupt, wäre ein Bündnis mit der sächsischen Union. Inhaltlich gäbe es wohl kaum völlig Unüberbrückbares. Zumal die AfD von der Maßgabe abgerückt ist, nur dann mit einer der von ihr so bezeichneten „Altparteien“ zusammenzuarbeiten, wenn diese von der verhassten Politik der Euro-Rettung Abstand nimmt.

Petry selbst sagt inzwischen, sie rechne nicht ernsthaft mit einer Regierungsbeteiligung. Allenfalls könne die CDU versucht sein, Sondierungen mit der AfD zu führen, um so den Preis für andere Bündnisse nach oben zu treiben. Die jüngste Ermahnung von CDU-Generalsekretär Peter Tauber, wonach der Bundesvorstand der Union nicht nur für den Bund, sondern auch für alle Länder eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließe, lässt auch dieses Szenario unwahrscheinlich erscheinen.

Verdrießen muss das die Funktionäre der AfD nicht. Schon in den vergangenen Wahlkämpfen hat man dort die Erfahrung gemacht, dass die aufgedrängte wie auch selbst gewählte Rolle als Paria im Zweifel mehr nützt als schadet. Regieren würde man zwar schon gerne. Doch die Selbsteinschätzung in der Bundesspitze ist realistisch genug, um zu wissen, dass die AfD weder das Personal noch ein inhaltliches Fundament hat, um bei Regierungsbildungen eine Rolle spielen zu können.

Knapp 4000 Mitglieder haben die AfD wieder verlassen

Gefährlicher als der Gang in die Landtagsopposition könnten für die AfD andere Entwicklungen sein. Weiterhin gibt es ungelöste inhaltliche Konflikte, die vom Europawahlerfolg bloß überdeckt worden sind. Ermattet vom Bild der ewigen Querulantenpartei hatte die Parteiführung im Frühjahr die Flucht in Internetabstimmungen, Fachausschüsse und Satzungskonvente angetreten. Um den Preis, dass von einem lebendigen Parteileben abseits von Wahlkämpfen kaum die Rede sein kann. Die Fluktuation innerhalb der Parteimitgliedschaft ist verhältnismäßig hoch, immerhin knapp 4000 Mitglieder haben die AfD seit Gründung bereits wieder verlassen, auch wenn dank Neueintritten am Ende ein leichtes Plus bleibt. Immer neue Ideen, wie kürzlich der Ruf nach der „Drei-Kind-Familie“ oder einer Volksabstimmung zum Abtreibungsrecht, sollen das Wegbrechen des Euro-Themas kompensieren. Auf Aktionismus als Politikstil sei man eben angewiesen, heißt es aus der Parteiführung.

Ressentiments werden dabei in gewohnter Weise meist nur angespielt, zum Beispiel mit der Warnung von angeblicher „Integrationsfolklore“ oder der Geißelung von „Antidiskriminierungsschulungen“ im Landtagswahlprogramm. Manchem bei der AfD scheint trotzdem zu wenig Leben in der Bude zu sein. So hatte etwa der Leipziger AfD-Kandidat Roland Ulbrich den österreichischen Rechtspopulisten Andreas Mölzer (FPÖ) eingeladen, einen früheren Haider-Vertrauten, der die EU schon mal als „Negerkonglomerat“ bezeichnet hatte. Der Auftritt fand nicht statt, die offizielle Begründung: Mölzer habe ein „akutes Augenleiden“. Petry bestreitet eine Einflussnahme. Zuvor hatte sie ihren Vize Thomas Hartung ins Aus gedrängt, der sich auf Facebook über einen spanischen Lehrer mit Down-Syndrom mokiert hatte.

Alexander Gauland drohte wegen der Russland-Politik mit Rückzug

Während Fälle wie der von Ulbrich und Hartung einigermaßen routiniert als „Einzelaktionen“ und „Kompetenzüberschreitungen“ verbrämt werden, traf ein anderer Streit die Partei tatsächlich an einem neuralgischen Punkt. Ausgerechnet Alexander Gauland, Parteivize und Spitzenkandidat in Brandenburg, warnte vor einer Spaltung der AfD und drohte mit seinem Rückzug, weil die EU-Spitzenkräfte Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel in Brüssel kürzlich für Russland-Sanktionen gestimmt hatten. Auch Petry protestierte. Zwar ist Gaulands Hang zur Russlandfreundlichkeit seit langem bekannt. Er ist aber keiner, der ohne Not über die Stränge schlägt und Konflikte unbedacht in die Öffentlichkeit trägt. Eine verständnisvolle Haltung Russland gegenüber gilt vielen in der AfD mittlerweile als neuer Markenkern.

Der bisherige Markenkern, die Euro- Kritik, droht darüber in Vergessenheit zu geraten – gäbe es nicht das Problem, dass die AfD in diesem Jahr zu wenige Spenden und Mitgliedsbeiträge einnimmt, um in den Genuss der vollen staatlichen Parteienfinanzierung zu kommen. Deshalb wird die AfD bald DM-Münzen aus Gold vertreiben. Die für Parteienfinanzierung zuständige Bundestagsverwaltung scheint das zu tolerieren – weil das Geschäftsmodell offenkundig in Zusammenhang mit der programmatischen Ausrichtung der Partei stehe, wie es aus der AfD heißt.

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