Bundeshaushalt 2021: Dicke Brocken, kleine Summen
Im Bundestag geht es an diesem Donnerstag um den Abschluss des Etats für 2021. Reichen die neuen Schulden?
Für Eckhardt Rehberg ist es der letzte Etat. Der einflussreiche Chefhaushälter der Unions-Fraktion verabschiedet sich im kommenden Jahr aus dem Bundestag. Sein langjähriger Kompagnon ist schon weg – Johannes Kahrs von der SPD nahm im Sommer den Hut, weil seine Fraktion ihn nicht als Wehrbeauftragten haben wollte. Die abschließende „Bereinigungssitzung“ des Haushaltsausschusses an diesem Donnerstag, ein jährliches Hauptereignis im Parlamentskalender, war in der schwarz- roten Ära seit 2013 die Stunde von Rehberg und Kahrs. Denn dann geht es an das Verteilen von Geld in kleinen Summen. Die große Linie, die dicken Brocken – das ist Sache der Regierung. Im Haushaltsausschuss dagegen wird ganz am Ende des Verfahrens entschieden, wo Mittel unterkommen, die nicht niet- und nagelfest sind – sozusagen. Also nicht so gebunden, dass sie unverrückbar im Etat stehen.
Das Königsrecht des Parlaments ist so in jedem November eine Affäre im Kleingedruckten. In vielen Vorlagen werden Wünsche von einzelnen Abgeordneten mit Blick auf ihre Wahlkreise oder ihre politischen Spezialinteressen formuliert und erfüllt. Ein Fest für Verbände, Vereine, die Kommunen und die Hinterbänkler. Die Summen sind selten aufregend gemessen am Gesamtvolumen des Haushalts. Aber auch pekuniäres Kleinvieh bringt Stimmen und Unterstützung.
70 Milliarden mehr
Angesichts der Geldlawine, die das Kabinett wegen der Coronakrise beschlossen hat, könnte man annehmen, dass im Etat 2021 ziemlich viel Geld zu diesem Zweck bewegt werden kann. Immerhin hat Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sich den Segen geben lassen für eine um 70 Milliarden Euro höhere Neuverschuldung als im Ausgangsplan – 166 Milliarden Euro an neuen Krediten darf der Bund nach aktuellem Stand im kommenden Jahr damit insgesamt aufnehmen.
Aber da kommen die Parlamentshaushälter nicht ran, vorerst jedenfalls. Die Mittel sind fiktiv belegt, zum Großteil für weitere Corona-Hilfen an Mittelstand und Kleinselbständige, auch wenn noch nicht klar ist, wie viel Geld dann im kommenden Jahr tatsächlich nötig sein wird. So bleibt den Parlamentshaushältern nur das Umschichten in den Positionen, die nicht coronahalber im Etat stehen.
Es laufen Wetten
Die große haushaltspolitische Frage in diesem Spätherbst aber lautet: Reicht die geplante Neuverschuldung angesichts bestehender und noch kommender Lockdown-Maßnahmen? Oder hat man die Latte schon hoch genug gelegt? Ein anderer Veteran der Haushaltspolitik, der FDP-Mann Otto Fricke, glaubt fest (und hat sogar gewettet), dass Scholz mehr braucht als die ins Auge gefasste Kreditermächtigung. „Es werden eher 180 bis 190 Milliarden Euro“, prophezeit Fricke.
In der Tat ist nicht auszuschließen, dass die Koalition am Ende doch mehr Neuverschuldung einplant – sie will nicht riskieren, dass sie im Frühjahr einen Nachtragsetat einbringen muss, um Geld nachschießen zu können. Dann doch lieber jetzt mehr einplanen und am Ende nicht verbrauchen. Doch auch das ist tückisch. Einerseits nimmt man den Vorwurf in Kauf, zu sehr im Nebel zu steuern und Schulden auf Vorrat zu machen. Die FDP meint, es gehe auch mit der Hälfte an neuen Krediten, unter anderem durch den Rückgriff auf Reserven und Subventionsabbau.
Hinzu kommt, dass noch höhere Kreditermächtigungen auch dazu verleiten könnten, im Wahljahr Ausgaben mit Schulden zu finanzieren, die gar nicht direkt durch die Epidemie bedingt sind. Rechnungshof-Präsident Kay Scheller hat schon kritisiert, dass „unter dem Deckmantel der Coronakrise“ Mittel für künftige Ausgabenwünsche bereitgestellt werden könnten.
"Mit etwas Wehmut"
Rehberg blickt derweil „mit etwas Wehmut“ auf frühere Jahre zurück. Seit 2005 war er im Bundestag, hat also schon die Auswirkungen der Finanzkrise erlebt – dann aber auch die Jahre der Überschüsse. 2020 nennt er ein „intensives Jahr“ – zwei Nachtragshaushalte hatte die Koalition zu stemmen. Im vorigen Jahr, sagt Rehberg, habe man „das letzte Mal eine schwarze Null im Haushalt beschlossen“. Nun müssten für 2020 und 2021 zusammen rund 380 Milliarden Euro neue Schulden bewilligt werden. „Das macht mich als Haushälter, aber auch als Vater und Großvater, nicht glücklich.“
Das Aussetzen der Schuldenbremse bedeutet, dass diese Kredite tatsächlich zu einem erheblichen Teil getilgt werden müssen und nicht, wie bisher üblich, einfach via Refinanzierung immer weiter in die Zukunft geschoben werden können. „Wir können diese Summen und die hohen Steuerausfälle nicht an anderer Stelle einsparen“, sagt er. Aber er will in seinem letzten Jahr als Abgeordneter noch dafür sorgen, „dass wir ab 2022 zu soliden Haushalten zurückkehren“. In der FDP wird jedoch schon gewettet, dass auch im Nachwahljahr das eingenommene Geld nicht reicht und eine Zusatzverschuldung nötig sein wird.
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