Nach der Steuerschätzung ist vor der Etatverhandlung: Schulden runter? Oder Schulden rauf?
Die Steuerschätzung fällt moderat besser aus. Nun steht die Koalition vor der Frage, wie viel an neuen Krediten sie im kommenden Haushalt aufnehmen soll.
In diesem Jahr weniger Schulden, dafür im kommenden Jahr mehr? Auf diese Abwägung steuert die schwarz-rote Koalition gerade zu. Die Ergebnisse der neuen Steuerschätzung vom Donnerstag spielen dabei eine Rolle. Offenkundig läuft die Wirtschaft in diesem Jahr etwas besser, als die Bundesregierung im Frühsommer angenommen hat.
Die ökonomischen Folgen der Coronakrise sind zwar immens, aber geringer als befürchtet. Zuletzt hat das die korrigierte Annahme der Wirtschaftsweisen gezeigt, die am Mittwoch ein Minus von 5,1 Prozent prognostizierten. Auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat zuletzt etwas bessere Zahlen verkündet.
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) konnte so in der etwas optimistischeren Steuerschätzung bessere Zahlen präsentieren, als sein Ministerium in einer Zwischenhochrechnung noch im September ermittelt hatte. Es sind etwa zehn Milliarden Euro mehr.
Aber das Minus bleibt natürlich gewaltig: Insgesamt werden Bund, Länder und Kommunen demnach 2020 knapp neun Prozent weniger Steuereinnahmen haben als im Vorjahr. Statt 799 Milliarden Euro werden es nur 728 Milliarden sein. Der Bund hat den größten Rückgang zu verkraften – Scholz muss in seinem Etat mit einem Siebtel weniger rechnen.
Und auch 2021 wird es ein Minus gegenüber 2019 geben, also keine Rückkehr auf das Vorkrisenniveau. Das erwartet die Regierung erst im Lauf des Jahres 2022. Aber immerhin werden die Steuern im kommenden Jahr wieder kräftiger fließen als in diesem Jahr: Es sollen dann 776 Milliarden Euro sein.
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Ein Vergleich mit der Schätzung vor einem Jahr zeigt, welch massive Bremsspur die Coronakrise in der Haushaltsplanung hinterlassen hat. Damals hatten die Finanzbeamten von Bund und Ländern und die Experten der Wirtschaftsinstitute und Verbände, die halbjährlich zusammenkommen, für 2020 noch Einnahmen in Höhe von 816 Milliarden Euro erwartet. Für das Bundestagswahljahr 2021 waren es sogar 845 Milliarden Euro. So gesehen fehlen also im kommenden Jahr etwa 70 Milliarden Euro, nimmt man die langfristige Etatplanung als Maßstab.
Verminderte Erwartungen
Das zeigt, in welchem Ausmaß Bund, Länder und Kommunen ihre Erwartungen herunterschrauben müssen in den Etataufstellungen, die überall gerade laufen. Dazu kommt, dass die Steuerschätzung bezogen auf das laufende Jahr in diesem November weit weniger verlässlich ist als sonst. Auf den Erwartungen für das laufende Jahr wird jedoch die Schätzung für die Folgejahre aufgebaut.
Will heißen: Scholz und die Bund-Länder-Crew fahren in diesem Herbst in dichterem Nebel. Denn niemand weiß zu beziffern, wie sich der November-Lockdown und eine mögliche Verlängerung auswirken werden. Kein Steuerschätzer dieser Welt kann wissen, wie sich die Corona- Epidemie ins neue Jahr hinein auswirken wird.
Aber man weiß eben, dass 2020 etwas besser lief als befürchtet. Das bedeutet, dass die Neuverschuldung – vor allem zur Deckung der Mindereinnahmen, der Hilfen für die Unternehmen, das Kurzarbeitergeld nötig – wohl etwas geringer ausfallen wird als geplant. 218 Milliarden Euro hat Scholz in seinem Bundesetat für 2020 veranschlagt, auf den der Löwenanteil der zusätzlichen Kredite entfällt. Diese Summe aber muss nun möglicherweise nicht im vollen Umfang ausgeschöpft werden.
Mehr für Hilfen an Lockdown-Geschädigte
Scholz und die Regierung haben also Spielraum. So fiel es dem Finanzminister vor zwei Wochen schon relativ leicht, ohne größere Vorbereitung beim Corona-Spitzengespräch der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten bis zu zehn Milliarden Euro an neuen Hilfen für im November geschlossene Unternehmen herbeizuzaubern. Nun geht er davon aus, dass es sogar mehr wird - und er das stemmen kann. So viel Luft ist im Etat für 2020 allemal.
Doch nun geht es im Bundestag um den Etat für das kommende Jahr.
Bisher hat Scholz neue Schulden in Höhe von 96 Milliarden Euro vorgesehen. Nun ist aber die Summe von 120 Milliarden Euro im Gespräch. Scholz hat gerade erst neue Hilfen angedeutet und seine Bereitschaft erklärt, noch einmal nachzulegen, wenn nötig. Mehrausgaben aber sind in der Koalition noch nicht abgesprochen.
Immerhin ist 2021 Bundestagswahl
Es scheint ein bisschen nach dem Motto zu gehen: Wenn wir in diesem Jahr nicht ganz so viele neue Kredite brauchen, dann könnten wir doch im kommenden Jahr – immerhin ist Wahl – etwas drauflegen. Auch in der Union wird man diese Schuldenverlagerung abwägen. Sie möchte zum Beispiel den Unternehmerlohn für Selbständige durchsetzen, bei dem sich die SPD bisher gesperrt hat.
Der CDU-Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg mahnt daher: „Die Bundesregierung muss jetzt endlich offenlegen, welche neuen Ausgaben sie im Haushalt 2021 gegenüber dem Regierungsentwurf vorsieht. Wir brauchen jetzt Klarheit, um welchen Betrag die Bundesregierung die Neuverschuldung gegenüber dem Regierungsentwurf erhöhen will.“ Zwei Wochen bleiben, um zusätzliche Stützungszahlungen zu verabreden, mit denen sich eine höhere Schuldenaufnahme rechtfertigen lässt. Dann ist die Schlussrunde zum Etat im Finanzausschuss.
Die FDP ahnt schon, wohin der Hase läuft. „Die Union muss den Finanzminister bremsen, damit die Schulden nicht aus dem Ruder laufen“, sagte Fraktionsvize Christian Dürr. Jede weitere Debatte über noch mehr neue Schulden verbiete sich, wenn die Einnahmen steigen und Milliardenbeträge in der Rücklage schlummerten.
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