„Sichere Durchfahrt“ für Zivilisten?: Deutschland und USA verhandeln mit Taliban über Ausreise von Ortskräften
Die Taliban will nur Ausländer und keine afghanischen Bürger zum Flughafen in Kabul durchlassen. Washington und Berlin wollen das nicht hinnehmen.
Zur Sicherstellung der Ausreise von Zivilisten aus Afghanistan verhandeln die Regierungen Deutschlands und der USA direkt mit den radikalislamischen Taliban. Die Taliban hätten zugesagt, dass Zivilisten eine "sichere Durchfahrt" zum Flughafen von Kabul gewährt werden solle, sagte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Dienstag.
Zuvor hatte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) gesagt, dass die Taliban nur Ausländer, jedoch keine afghanischen Bürger zum Flughafen durchließen.
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Neben eigenen Bürgern will die Bundesregierung jedoch auch möglichst viele afghanische Ortskräfte und deren Familien in Sicherheit bringen. Der deutsche Botschafter in Kabul, Markus Potzel, sei deshalb in die katarische Hauptstadt Doha gereist, wo US-Vertreter mit Taliban-Repräsentanten bereits im Gespräch sind, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am Dienstagabend in Berlin.
Von US-amerikanischer Seite ist außerdem der ehemalige US-Botschafter in Afghanistan, John Bass, auf dem Weg nach Kabul, um bei der Koordination zu helfen. Er werde Botschafter Ross Wilson unterstützen, der sich aktuell weiter in Kabul aufhalte, sagte Ned Price, der Sprecher des US-Außenministeriums.
Sullivan zufolge schien es, als würden Menschen grundsätzlich an den Flughafen kommen können. Es gebe aber in der Tat Berichte, dass die Taliban Menschen zurückgewiesen und sogar geschlagen hätten. In den Gesprächen mit den Taliban geht es nach Sullivans Angaben auch um einen Zeitplan für die Ausreise von tausenden US-Bürgern und afghanischen Helfern.
Die Taliban waren am Sonntag nach einem rasanten Eroberungsfeldzug in Kabul einmarschiert und damit knapp 20 Jahre nach dem Einmarsch westlicher Truppen in Afghanistan an die Macht zurückgekehrt. Westliche Staaten wie die USA und Deutschland haben deshalb eine militärische Luftbrücke eingerichtet, um ihre Staatsbürger und Ortskräfte in Sicherheit zu bringen.
Die ersten aus Afghanistan ausgeflogenen deutschen Staatsbürger kamen am Dienstag in Deutschland an. Nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP handelte es sich um Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Kabul, die auf dem Hauptstadtflughafen BER landeten. Die genaue Zahl der Rückkehrer war zunächst unklar.
Laut Maas sollte die Luftwaffe in der Nacht zum Mittwoch 180 weitere Menschen aus Kabul in die usbekische Hauptstadt Taschkent bringen. Bislang hatte die Luftwaffe 132 Menschen dorthin ausgeflogen. Von dort sollen sie mit gecharterten Lufthansa-Maschinen nach Deutschland gebracht werden. (AFP)