Nato, EU, Vereinte Nationen: Deutschland muss sich seiner Verantwortung bewusst werden
Deutschland profitiert mehr von EU und Nato als alle anderen Mitglieder. Dass sich daraus auch Pflichten ergeben, wird verdrängt. Ein Kommentar.
Außenminister – das ist ein schöner Job. Im innerdeutschen Ansehen steht der Chef des Auswärtigen Amts immer ziemlich weit oben. Außenminister kann aber auch stressig bis peinlich stressig sein. Am Donnerstag zum Beispiel, wenn Heiko Maas bei dem großen Nato-Jubiläumstermin zum 70. Bestehen des Bündnisses in Washington erklären muss, warum 1,5 gleich zwei ist. Das glaubt ihm weder Donald Trump noch sonst irgendein Staats- oder Regierungschef aus einem Mitgliedsland des Verteidigungsbündnisses. Deutschland hat sich nun einmal verpflichtet, seine direkten Verteidigungsausgaben auf zwei und nicht 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung zu steigern. Es bleibt dabei auch hier wieder zeigt sich, dass: Das Land hat inzwischen den Ruf, eher verbal als faktisch leistungsstark zu sein ist.
Seit fast 30 Jahren ist das vereinte Deutschland auf der internationalen Bühne präsent, mit allen Rechten und mit allen Pflichten. In der Verteidigungsgemeinschaft Nato, die 70 Jahre alt wird. In den Vereinten Nationen, wo Deutschland mit einer zur Verantwortung geradezu zwingenden beeindruckenden Mehrheit für zwei Jahre als nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrates gewählt worden ist. Und in der Europäischen Union, von der sich Deutschland erst geschmeichelt das Charakteristikum des „guten Hegemon“ zuschreiben ließ und dann schnell zu spüren bekam, dass eine Vormacht nie geliebt wird.
Deutschland hat seine Pflichten noch nicht verinnerlicht
Was in der Zeit der Teilung nicht möglich war oder den Deutschen erspart blieb, weil im Konfliktfall Deutsche Deutschen gegenübergestanden hätten – politisch oder militärisch –, wird heute von uns erwartet: Verantwortung zu übernehmen. Und überall da, wo wir uns sich der Herausforderung nur zögerlich und floskelreich genähert wird, werden uns die Erwartungen inzwischen ungeschminkt präsentiert.
Es zeigt sich, dass Deutschland seine Pflichten noch nicht verinnerlicht hat. Pflichten, die ihm wegen seiner Größe, seines Wirtschaftspotenzials und der geografischen Lage in der Mitte Europas zufallen.
Ob in der EU, in der Nato oder in den Vereinten Nationen – zwischen Anspruch und Wirklichkeit klaffen Lücken. Deutschland gilt als egoistisch. In der Nato konnte man auch ohne Donald Trumps für uns peinliche Attacken wissen, dass der deutsche Beitrag zur Friedensbewahrung in Europa hinter den eigenen Ansprüchen zurückbleibt. In der Bundeswehr sind engagierte Soldatinnen und Soldaten auf eine Ausrüstung zurückgeworfen, die nur nach der Methode „Mach aus drei kaputten Panzern einen ganzen“ funktioniert. Die regelmäßigen Pannen der Regierungsflugzeuge erinnern selbst die Schönredner daran – und machen öffentlich –, wie desolat Deutschland im Bündnis dasteht.
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In den Vereinten Nationen versucht die deutsche Außenpolitik da Ansehen gutzumachen, wo die deutsche, innereuropäische, Politik immer wieder wie ein Elefant im Porzellanladen agiert. Global betrachtet, erweist sich Deutschland als verantwortungsbewusster Vermittler und materieller Unterstützer für kleinere Staaten. Stärkung des Multilateralismus war die gemeinsame Devise des deutschen und des französischen Außenministers in New York, wo die beiden vor dem Sicherheitsrat als Tandem auftraten. Und über den Sicherheitsrat – dessen ständiges Mitglied Frankreich ja ist – wollen sie sich gemeinsam für den Schutz humanitärer Helfer in Konflikten einsetzen.
Eine dringend nötige Initiative, wie sich in Syrien immer wieder zeigt. Zur gleichen Zeit brüskiert die CDU-Vorsitzende den Wunsch-Partner Frankreich mit der Forderung, er solle seinen Sitz im Sicherheitsrat zugunsten eines europäischen aufgeben und auf Straßburg als Sitz des europäischen Parlamentes verzichten. Das führt zurück nach Europa. Da düpiert Deutschland seine Partner und isoliert sich. Alle außer uns den Deutschen scheinen zu wissen, dass Deutschland von Europa mehr profitiert als irgendein jedes andere EU-Mitglied. Dass sich daraus Verpflichtungen ergeben, wird verdrängt. Die meisten politischen Spiele funktionieren nach den Regeln des „Gebens und Nehmens“. Es geht nicht darum, wie bei „Monopoly“ der Sieger zu sein. Den dann ohnehin alle hassen.