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Israels Premier Benjamin Netanjahu und Kanzlerin Angela Merkel - in Sachen Iran sind sie sich nicht einig.
© Schwarz/AFP

Iran, Syrien oder Irak: Deutschland macht in Nahost zu wenig - und fast alles falsch

Deutschland fehlt eine Strategie für den Nahen Osten. Das nützt den Falschen und vergrößert das Chaos in der Region. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hannes Heine

Im Nahen Osten haben es einige geahnt, gar gefürchtet. Andere dürften sich gefreut haben: Es gibt weiter keine deutsche Nahost-Strategie. Auch nachdem sich Israels Premier Benjamin Netanjahu am Montagabend mit Kanzlerin Angela Merkel getroffen hat, bleibt offen, wen die Bundesregierung (aber auch die Opposition) in dieser konfliktreichen Nachbarregion Europas für – wenn schon nicht Friedensgaranten – mögliche Fortschrittsbringer hält. Und wen es dagegen wie zu bekämpfen gilt.

Sicher, Merkel nannte Irans Einfluss „besorgniserregend“, sie versicherte Netanjahu deshalb, Druck aufzubauen, um die Mullah-Milizen aus Syrien „zurückzudrängen“. Das Atomabkommen aber verteidigte Merkel. Das ist nicht falsch, nur stellt sich die Frage: Wie sollen die proiranischen Kämpfer aus Irak, Afghanistan und Pakistan aus Syrien verschwinden, ohne dass die Mullahs unter eine neue Art internationalen Druck geraten?

Wen hält Merkel für die Vertreter des syrischen Volkes?

Vage Positionen auch direkt zu Syrien: Die Bundesregierung betont, das Land habe nur ohne Baschar al Assad eine Zukunft. Das hören viele Syrer sicher gern, nur wer ist aus Berliner Sicht die geeignete Nachfolgekraft? Ja es ist nicht einmal klar, wen Merkel alles für zentrale Vertreter des syrischen Volkes hält. Während die Franzosen die Kurden in deren Versuch ermutigten, Syriens Föderalisierung zu organisieren, kommt aus Deutschland dazu nichts.

Chaotische Signale auch an die Türkei, die sich zunehmend islamisiert (und spiegelbildlich zur schiitischen Schutzmacht Iran die Schutzmacht der Sunniten sein möchte): Die AKP-Regierung lässt das syrisch-kurdische Afrin besetzen, unterstützt die Hamas und kündigt einen Einmarsch in den Irak an. Das alles lehnt die Bundesregierung ab – auf deutsche Waffen aber kann sich Ankara verlassen.

Kurdinnen in Irak. Auf Deutschland können sie sich bei der Abwehr islamistischer Milizen nicht verlassen.
Kurdinnen in Irak. Auf Deutschland können sie sich bei der Abwehr islamistischer Milizen nicht verlassen.
© Reuters

Im Irak, noch absurder, hat die vergangene Koalition aus Union und SPD erst die prowestlichen Kurden aufgerüstet – sich dann aber dafür entschieden, lieber deren erbitterte Feinde, die Truppen Bagdads, mit Waffen zu versorgen. Von denen hören etliche Einheiten übrigens auf die iranischen Mullahs – so viel zum Bekenntnis, den Iran „zurückdrängen“ zu wollen.

Erdogan in Syrien, iranische Kleriker in Irak

Die deutsche (Nicht-)Haltung ist schon deshalb ein Problem, weil die Türkei, der Iran, aber auch Russland und Saudi-Arabien umso klarere Vorstellungen von ihrer eigenen Rolle in der Region haben. Sie wollen den eigenen Machtbereich militärisch ausdehnen, dabei ganze Regionen ideologisch umgestalten. In Afrin werden protürkische Sunniten angesiedelt, Erdogan-Poster sind zu sehen. Jesidische, christliche, säkulare Bewohner flohen. In den von Jesiden, Christen, Sunniten besiedelten Orten Iraks wiederum hängen nun Bilder iranischer Kleriker an den Wänden.

Fundamentalisten aus Südsyrien in Nordsyrien - die Türkei siedelt in Häusern geflohener Kurden in Afrin arabische Sunniten an.
Fundamentalisten aus Südsyrien in Nordsyrien - die Türkei siedelt in Häusern geflohener Kurden in Afrin arabische Sunniten an.
© Al-Khatib

Warum sollte sich Deutschland nun auch noch einmischen? Weil Berlin nicht die Hauptstadt Luxemburgs ist, sondern Taktgeber für ganz Europa. Die reaktionären Kräfte, die im Nahen Osten wüten, werden eine Neuordnung erzwingen, die Deutschland, die Europa nicht gefallen kann. Das alles verlangt nach kohärenter Strategie und entschlossener Einflussnahme.

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