Nach Baerbocks Zweifeln an Mali-Mission: Deutschland ist nur Zaungast
Die jüngeren Generationen in Westafrika nabeln sich von der Ex-Kolonialmacht Frankreich ab. Mit Folgen für die europäischen Militärmissionen. Ein Kommentar.
So kann es nicht weitergehen: Frankreich und die EU haben tausende von Soldaten in Mali, aber einmal werden dänische Soldaten rausgeworfen und am Montag schließlich der französische Botschafter ausgewiesen. Die Beziehungen zwischen Mali und der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich stehen kurz vor dem Bruch – und Deutschland und der Rest der EU wird im Schlepptau mitgerissen.
Bisher will niemand das Scheitern der Militärmissionen eingestehen. Aber Außenministerin Annalena Baerbock hat am Donnerstag ihre Zweifel am Bundeswehreinsatz öffentlich und deutlich gemacht – diese sei kein „Selbstzweck“. Man müsse sich „ehrlich fragen, ob die Voraussetzungen für den Erfolg unseres gemeinsamen Engagements weiter gegeben sind“.
Hinter den Kulissen laufen die Drähte heiß, denn bis zum EU-Afrika-Gipfel Mitte Februar in Brüssel muss eine neue gemeinsame Strategie stehen. Das ist schwierig, weil bisher eigentlich nur Frankreich eine Strategie in seinem ehemaligen Hoheitsgebiet Westafrika hat – Einfluss und europäische Sicherheit mit Hilfe der anderen Europäer sichern –, die jetzt am Scheitern ist. Deutschland und osteuropäische Nationen sind nur in Mali engagiert sind, um Solidarität mit dem EU-Partner Frankreich zu demonstrieren.
Die Jüngeren in Afrika sind Frankreich nicht mehr dankbar
Und nun geraten sie mitten in den Konflikt jüngerer afrikanischer Generationen mit der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich, die sich auch nach den Unabhängigkeiten noch zu lange neokolonial aufgeführt hatte. Dass der Konflikt nun vollends unter Präsident Emmanuel Macron ausbricht, ist eigentlich „ungerecht“ - denn er hat mit großem Engagement versucht, die Beziehungen zu zu verbessern.
[Die Morgen- und Abendlage, der tägliche Nachrichten-Überblick aus der Hauptstadt – kompakt, schnell und interaktiv. Hier geht es zur Anmeldung]
Er hat sich in Ruanda für Frankreichs Rolle im Völkermord entschuldigt, gibt Kunstschätze zurück und hat die Ablösung der von Paris garantierten und gesteuerten Währung Franc CFA durchgesetzt, die immer den Nimbus eines neokolonialen Instruments hatte – und sei es nur emotional.
Bei Kritik aus Frankreich kommt die Kolonialgeschichte hoch
Für Frankreich ist es ein Erfolg, dass die Region dank seines erfolgreichen Werbens bei den EU-Partnern nun ein europäisches Problem ist. Allerdings hat Paris mit seiner eigenen Anti-Terror-Mission neben der EU-Mission vor Ort das größte Gewicht und den Hut auf.
Wenn dann der französische Außenminister der Militärjunta Lektionen erteilt, schwingt die lange problematische Geschichte zwischen beiden Ländern mit. Hätte die deutsche Außenministerin die Sätze gesagt, wäre die Reaktion möglicherweise eine andere gewesen. Es ist richtig, dass Berlin und der Rest der EU auch in Afrika und französischen Einflussgebieten präsent ist – im Sinne einer wirklichen europäischen Außenpolitik. Eine folgerichtige Reaktion auf die Entwicklung wäre eventuell, dass Deutschland die Vorreiterrolle übernimmt – aber dazu ist es militärisch wohl kaum in der Lage.
Allerdings muss die Bundesregierung darüber nachdenken, wie sie in der nicht nur in Mali schwelenden verspäteten Abrechnung mit der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich agieren will.