zum Hauptinhalt
Die erste Flucht: Im März 2011, nach Beginn der alliierten Luftangriffe auf Libyen, bringen sich Arbeitsmigranten aus Bangladesh nahe dem Grenzübergang Ras Jedir nach Tunesien in Sicherheit. Die Grenzlinie, die sie und andere damals nutzten, soll jetzt verschlossen werden.
© Mohamed Messara/dpa
Update

Migration: Deutschland baut weiter an Tunesiens Grenze

Tunesien ist ein Ausweichziel für Flüchtlinge, seit Libyens Küste mit EU-Hilfe dicht gemacht wird. Die Bundesregierung hilft Tunesien mit 34 Millionen Euro bei der Sicherung seiner Grenze.

Deutschland rüstet Tunesien weiter für die Befestigung der Landesgrenzen aus. Wie aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervorgeht, hat die Bundesregierung Bodenüberwachungs-, Nachtsichtgeräte und Spotter finanziert, die im Süden der Grenze zu Libyen eingesetzt werden sollen. Lieferantin ist die in Taufkirchen bei München ansässige Firma Hensoldt, die früher Teil von Airbus war.

"Welle illegaler Migranten"

Außerdem wolle man „mit einem zweistelligen Millionenbetrag“ eine fest installierte elektronische Grenzüberwachung der gesamten Grenze zu Libyen ermöglichen. Insgesamt unterstützt die Bundesregierung Tunesien mit Überwachungstechnik im Wert von 34 Millionen Euro. Partnerin dabei ist die „Defense Threat Reduction Agency“, eine Unterbehörde des US-Verteidigungsministeriums. Im November wurde nach Angaben des Bundesinnenministeriums bereits eine Delegation des tunesischen Innen- und Transportministeriums im Umgang mit Sicherheitsscannern aus deutscher Produktion geschult.

Der Linken-Abgeordnete Andrej Hunko sprach von einem „massiven Konjunkturprogramm für die europäische Rüstungs- und Überwachungsindustrie“. Auch „die Trainings tunesischer Behörden an deutschen Körperscannern werden Geld in die Kassen deutscher Konzerne spülen“, von denen „vor allem europäische Rüstungskonzerne profitieren“, sagt Hunko. Das Engagement werde zwar mit Terrorabwehr begründet – Airbus bewerbe seine Produkte aber als Möglichkeit, sich gegen Migranten zu schützen. Auf der Airbus-Website hieß es noch vor einem Jahr: „Eine Welle von illegalen Migranten schlägt an Europas südliche Küsten und Inseln.“ Dafür brauche man Überwachungstechnik, „die Boote auch in 20 bis 30 Kilometern Entfernung aufspürt“. Explizit genannt war das Modell Night Owl, das auch in der Antwort der Bundesregierung aufgeführt ist.

Tunesien, unmittelbare Nachbarin Libyens, ist wie andere Länder des westlichen Nordafrika in diesem Jahr zum Ausweichziel von Flüchtlingen geworden, seit Libyens Küste, ebenfalls mit EU-Geld, immer stärker abgedichtet wird.

Bisher Politik der Offenheit

Italien registrierte im Spätherbst aber auch eine sprunghaft gestiegene Zahl tunesischer Bürger, die ihr Land verlassen, weil sie dort keine Lebenschancen sehen. Tunesiens Wirtschaft stagniert, die Arbeitslosigkeit ist hoch. Schon 2011, als eine internationale Allianz Libyen bombardierte, flohen 350 000 Menschen von dort nach Tunesien, darunter 97 000 Tunesier, die zurückkehren mussten. Nach dem Sturz des Diktators Ben Ali, ebenfalls 2011, der Verträge mit dem nahen Italien und die Grenzen dichtgehalten hatte, schafften es kurzfristig 25 000 Menschen von Tunesien nach Italien.

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen lobte das Land noch im Sommer dafür, dass es eine Politik der offenen Grenzen verfolge und sich nicht gegen Flüchtlinge abschotte. In Tunesien begann die als Arabischer Frühling bekannte Aufstandsbewegung – und nur dort hat sie auch zu einem demokratischen Systemwechsel geführt. Nach zwei schweren Terrorattacken vor zwei Jahren, die sich planvoll gegen den wichtigen Tourismussektor richteten, hat sich der Fokus der Regierung allerdings wieder Richtung Sicherheit und Grenzschutz verschoben.

Zur Startseite