zum Hauptinhalt
Angegriffener Tanker im Persischen Golf.
© Reuters

Angriffe auf Schiffe und Drohnen am Golf: Deutsche Tanker brauchen Nato-Geleitschutz

Eine Woche nach dem Angriff auf ein Handelsschiff in der Straße von Hormuz tut Deutschland noch immer so, als sei es nicht betroffen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Erstaunliches ist in den vergangenen sieben Tagen geschehen. Ein Handelsschiff eines deutschen Betreibers wird Opfer eines kriegerischen Akts im Persischen Golf. Doch die Öffentlichkeit tut so, als sei nichts Einschneidendes geschehen.

Durch Beschuss oder eine Haftmine - das muss die Untersuchung klären - wurde der Tanker "Kokuka Courageous" in der Straße von Hormuz so schwer beschädigt, dass die Crew von Bord gerettet werden musste. Betreiber des Schiffs ist die Schulte Group mit Sitzen in Hamburg und Singapur; Eigentümer sind Japaner. Am selben Tag wurde ein norwegischer Tanker angegriffen. Und nun schießt der Iran auch noch eine US-Drohne ab, nachdem zuvor US-Drohnen das Videomaterial geliefert hatten, wonach der Iran hinter den Angriffen auf die Tanker steckt.

Deutschland hängt vom Handel ab. Und der wird bedroht

Müsste Deutschland da nicht hellhörig werden? Das Land verdankt seinen Wohlstand und die Finanzierung seiner Sozialsysteme dem globalen Export und der ungehinderten Handelsschifffahrt auf allen internationalen Seewegen. Es hätte gewaltige Folgen für die Bürger, wenn dieses Erfolgsmodell bedroht wäre. Gemessen daran überrascht die Unbekümmertheit in Medien und Politik. Deutschland verhält sich, als sei es nur Zuschauer bei einem Konflikt zwischen den USA und dem Iran. Und nicht direkt betroffen.

Die naheliegenden Fragen hat der frühere Bundesverteidigungsminister Volker Rühe (CDU) beim Tagesspiegel-Talk "Die neue deutsche Frage: Ist uns Sicherheit zu wenig wert" am Montag im Zeughaus aufgeworfen: Wer steckt hinter dem Angriff? Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung? Und was gedenkt sie zu tun, um eine Wiederholung zu verhindern?

Diese Fragen werden weder ernsthaft gestellt noch ernsthaft beantwortet. Öffentlich werden allenfalls Nebenaspekte diskutiert wie die Frage, ob man den Beweisen trauen dürfe, die die USA für ihre Behauptung vorlegen, dass Irans Revolutionsgarden die Angriffe auf insgesamt vier Tanker in den letzten Wochen verübt haben. Gewiss darf man misstrauisch sein. Aber wie vertrauenswürdig ist umgekehrt der Iran, wenn er jede Verwicklung trotz der Indizien abstreitet?

Die Bundesregierung hat durchaus eigene Erkenntnisse

Wer den Belegen, die die USA vorlegen, misstraut, sollte erst recht die Bundesregierung nach ihrer Einschätzung fragen. Auch danach, welche Schlüsse sie aus den Berichten des Bundesnachrichtendienstes und der europäischen Geheimdienste zieht. Es ist naheliegend, dass der BND eigene Erkenntnisse hat. Es ist im Mittleren Osten gut vernetzt. Es ist ebenso klar, dass der BND nicht aus eigener Initiative die Öffentlichkeit informiert. Er ist Dienstleister der Regierung.

Die Bundesregierung äußert sich zwar nicht so eindeutig wie Amerikaner und Briten. Kanzlerin Merkel hat aber durchaus eine Meinung. Es gebe "hohe Evidenzen" für die iranische Täterschaft. "Wir nehmen die Ausführungen (der USA) natürlich sehr ernst". Und Außenminister Heiko Maas entgegnete, als er gefragt wurde, wie weit er den US-Beweisen traue oder misstraue: "Ich sage nicht, dass ich die Einschätzung (der USA) nicht teile." Jetzt sei jedoch "größte Sorgfalt geboten".

Übersetzt heißt das: Auch die Bundesregierung hält eine iranische Täterschaft für wahrscheinlich. Sie hat aber keine Beweise für eine zweifelsfreie Schuldzuweisung.

Deutschland verlangt Zurückhaltung, ist aber nicht neutral

So begnügt sie sich, alle Seiten zur Zurückhaltung aufzurufen und vor einer unbeabsichtigten Eskalation zu offenen Krieg zu warnen. Kanzlerin Merkel setzt aber auch hier hinzu, man müsse "vor allem auch dem Iran deutlich machen, dass diese ernste Situation nicht noch verschärft werden darf".

Bei genauerem Hinsehen sind die Kräfteverhältnisse zwischen Scharfmachern und Befürwortern einer diplomatischen Lösung in den USA und im Iran unterschiedlich verteilt. Im Iran haben derzeit die Falken die Oberhand. Angefangen hat die Zuspitzung mit dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen und schärferen Wirtschaftssanktionen.

Die militärischen Eskalationen der letzten Wochen gehen jedoch vom Iran aus: Angriffe auf Schiffe, Abschuss von Drohnen. Hinzu kommt die Zurückweisung von Vermittlungsangeboten sowohl des Bundesaußenministers Heiko Maas als auch des japanischen Premiers Shinzo Abe. Es fällt auf, dass der Angriff auf die "Kokuka Courageous" (japanischer Eigner, deutscher Betreiber) just an dem Tag erfolgte, an dem der japanische Premier in Teheran eingetroffen und Maas gerade abgereist war. Das wirkt so, als habe es jemand darauf angelegt, ihre Vermittlungsversuche zu torpedieren.

In den USA ist die Entwicklung umgekehrt. Präsident Donald Trump hat dem Iran in der Vergangenheit gedroht: "Wenn der Iran einen Kampf will, wird er zum offiziellen Ende des Irans führen.“ Und, gewiss doch, Falken wie sein Sicherheitsberater John Bolton haben nicht Kreide gefressen. Aber der Präsident entscheidet. Und Trump hat seit den Angriffen auf zwei Tanker vor einer Woche seine Rhetorik nicht etwa verschärft. Er hält sich zurück. Keine Drohungen, keine Tweets. Er sagt sogar ausdrücklich, er wolle keinen Krieg.

Handelsschiffe kann man besser schützen

Wer die Möglichkeiten zur Eskalation durch Angriffe auf Handelsschiffe verringern will, kann diese besser schützen. Vor 30 Jahren hat der Iran schon einmal versucht, durch solche Attacken im Persischen Golf internationalen Druck auszuüben, im so genannten "Tanker-Krieg". Der Kontext war ein anderer, es ging um den Krieg zwischen Irak und Iran. Beide Seiten wollten den Gegner ökonomisch schädigen, indem sie Tanker, die unter dessen Flagge oder der von Verbündeten fuhren, beschossen. Kuwait gehörte zu den Leidtragenden. Die USA boten schließlich in der Operation "Earnest Will" Geleitschutz für Tanker an.

Das wäre auch jetzt eine Option, um die sichere Handelsschifffahrt durch die Straße von Hormuz aufrecht zu erhalten: Geleitschutz durch Nato-Verbände. Das läge gerade im deutschen Interesse. Kein anderes Land ist für seinen Wohlstand stärker auf sichere Handelswege angewiesen.

Zur Startseite