Heiko Maas in Teheran: Auch im Iran wollen nicht alle ein Ende der Krise
Außenminister Maas hat sich in Teheran um die Rettung des Atomabkommens bemüht. Doch unter anderem der Revolutionsführer setzt sich immer deutlicher davon ab.
Bundesaußenminister Heiko Maas hat bei seinem Besuch in Teheran die Verärgerung der iranischen Regierung über mangelnde Fortschritte zur Rettung des Atomabkommens zu spüren bekommen. Wenn Europa nicht bald konkrete Schritte zum Schutz des Iran-Handels vor amerikanischen Sanktionen vorweisen könne, stehe das Abkommen vor dem Aus, erklärte Maas’ iranischer Kollege Dschawad Sarif. Ohne Hilfe für den Handel dürften sich die Wirtschaftskrise im Iran und die internationale Isolierung des Landes noch weiter verschärfen. Einigen mächtigen Kräften in der Islamischen Republik wäre das ganz recht.
Sarif und Präsident Hassan Ruhani hatten den Iranern versprochen, dass die Atomvereinbarung von 2015 zu mehr Handel mit dem Westen und damit zu mehr Wohlstand im Land führen werde. Der Ausstieg der USA aus dem Vertrag und der Beginn neuer amerikanischer Sanktionen haben diese Hoffnung jedoch zerstört.
Ruhanis Regierung droht mit einem Ende des Atomvertrags Anfang Juli, falls sich bis dahin nichts tut. Maas, der das Abkommen zusammen mit seinem europäischen Kollegen retten will, warb in Teheran deshalb für das Zahlungsinstrument Instex, das einen Handelsaustausch zwischen Europa und dem Iran sichern und bald einsatzbereit sein soll. „Wunder“ könne er aber nicht versprechen. Im iranischen Parlament fordern Hardliner, der Iran solle das Atomabkommen gleich aufkündigen.
Ruhanis Regierung braucht Erfolge, um innenpolitische Kritiker zu überzeugen
Auch Revolutionsführer Ajatollah Ali Khamenei setzt sich immer deutlicher vom Atomvertrag ab. Er habe Ruhani und Sarif mehrmals gewarnt, dass die Entwicklung in die falsche Richtung gehe, sagte Khamenei kürzlich. Der heute 80-jährige Khamenei hatte den Vertrag vor vier Jahren zwar abgenickt, aber stets darauf geachtet, nicht als begeisterter Unterstützung der Abmachung aufzutreten. Die Distanzierung fällt ihm nun leicht.
Khamenei und andere Akteure in Teheran hegen nicht nur Misstrauen gegenüber dem Westen, sondern auch gegen Präsident Ruhani. Dieser hatte in den vergangenen Wochen mehr Machtbefugnisse für sich selbst gefordert, um die Wirtschaftsprobleme des Landes lösen zu können. Gegner des Präsidenten in rivalisierenden Machtzentren befürchten eine Schmälerung des eigenen Einflusses, falls das Staatsoberhaupt gestärkt wird.
Ruhani braucht dringend Erfolge, um seine innenpolitischen Kritiker und die Normalbürger von seinem Kurs überzeugen zu können. Dass Maas und der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe, der diese Woche ebenfalls in Teheran erwartet wird, als Vermittler im Streit mit den USA helfen, wertet Ruhanis Regierung zwar auf. Doch Rufe der Europäer nach neuen Verhandlungen über das iranische Raketenprogramm, das von Israel, Saudi-Arabien und anderen Staaten der Region als Bedrohung empfunden wird, haben derzeit in Teheran keine Chance, gehört zu werden.
Nicht alle Unternehmer wollen Normalisierung der wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Ausland
Auch wirtschaftliche Interessen spielen beim inneriranischen Widerstand gegen das Atomabkommen eine Rolle. Da der Iran seit Jahrzehnten mit Handelsbeschränkungen durch die USA und andere Länder zurechtkommen muss, haben private Unternehmer wie staatliche Institutionen gelernt, die Import- und Exportengpässe für sich zu nutzen. Eine Normalisierung der wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Ausland, die Ruhani anstrebt, wäre für diese Kräfte ein Rückschlag.
Das Volumen der iranischen Schattenwirtschaft wird laut der iranischen Zeitung „Financial Tribune“ auf rund 30 Milliarden Euro geschätzt. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Revolutionsgarden, die Khamenei unterstehen und sich zu einem wichtigen wirtschaftlichen Akteur entwickelt haben. Der frühere Präsident Mahmut Ahmadinedschad nannte die Gardisten einmal „unsere Schmuggel-Brüder“.
Unternehmen im Dunstkreis der Revolutionsgarden, deren Geschäftsmodell auf der Umgehung der Sanktionen beruhe, betrachteten eine für das Ausland offene iranische Wirtschaft als Bedrohung ihrer Profite, meint der Iran-Experte Menahem Merhavy von der israelischen Denkfabrik JISS. Diese Kreise stünden Revolutionsführer Khamenei nahe, schrieb Merhavy kürzlich in einer Analyse: Wenn Khamenei zustimme, könnten die Krisengewinnler sogar versuchen, Präsident Ruhani zu stürzen.