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Der Autor Hamed Abdel Samad
© dpa
Update

Hamad Abdel Samad: Deutsch-ägyptischer Autor offenbar in Kairo entführt

Der deutsch-ägyptische Autor Hamad Abdel Samad ist offenbar in Kairo entführt worden. Erst vor vier Monaten war er für vogelfrei erklärt worden und hatte unlängst Morddrohungen erhalten, weil er die Ideologie des politischen Islams kritisierte.

„Ich werde verfolgt“, das war sein letzter Anruf. Seitdem ist das Handy von Hamad Abdel-Samad abgeschaltet. Von dem prominenten deutsch-ägyptischen Publizisten fehlt jede Spur. Zuletzt hatte sich der 41-Jährige am Sonntagnachmittag offenbar nahe dem Azhar-Park in Kairo aufgehalten, wo er sich mit einem Gesprächspartner verabredet hatte.

Das Auswärtige Amt in Berlin wollte eine Entführung am Montag zunächst nicht offiziell bestätigen. Die ägyptische Polizei ermittelt nach eigenen Angaben gegen Unbekannt. Die Beamten schließen nicht aus, dass radikale Extremisten für das Verschwinden des Deutsch-Ägypters verantwortlich sind.

Die Bundesregierung verlange von Ägypten „schnellstmöglich“ Aufklärung über das Schicksal von Hamad Abdel-Samad, erklärte der Sprecher des Außenministeriums. Der deutsche Botschafter in Kairo habe dazu Kontakt mit der ägyptischen Regierung aufgenommen. Auch der Krisenstab in Berlin sei eingeschaltet worden.

Hamad Abdel-Samad ist deutscher Staatsbürger. Seit Jahren gehört der Politologe in Deutschland und Ägypten zu den profiliertesten Kritikern des fundamentalistischen Islam und der Muslimbrüder - auch im Tagesspiegel äußerte sich Samad. Wie das ägyptische Nachrichtenportal „youm7“ am Montag unter Berufung auf seinen Bruder Mahmud Abdel-Samad meldete, soll sich der Publizist bereits im Taxi auf dem Weg von seinem Hotel zum Al-Azhar Park von einem schwarzen Auto verfolgt gefühlt haben.

Erst vor vier Monaten war er für vogelfrei erklärt worden

Die ausgedehnte und komplett abgezäunte Grünanlage am Rande der islamischen Altstadt ist nur über eine mehrspurige Autostraße zu erreichen. Der Eingang wird kontrolliert. Besucher müssen Eintritt zahlen, die Abfahrt ist einzig mit einem Taxi möglich. Bislang ist unklar, ob die Täter Abdel-Samad vor Betreten des Azhar-Parks oder nach dem Verlassen des Geländes auflauerten.

Erst vor vier Monaten hatte ihn der ägyptische Salafisten-Prediger Assem Abdel-Maged im Fernsehen für vogelfrei erklärt, nachdem Abdel-Hamad den Islam in einem Vortrag am Nil als verspäteten religiösen Faschismus bezeichnet hatte. „Er hat den Propheten beleidigt. Und wer den Propheten beleidigt, muss getötet werden, selbst wenn er bereut“, lautete das blutrünstige Verdikt. Seither erhielt der Verfemte Morddrohungen per Internet, reiste umgehend aus Ägypten ab und hielt sich auch in Deutschland zunächst versteckt. Seine Familie in Ägypten würde ebenfalls wüst beschimpft und eingeschüchtert.

Von radikalen Islamisten gekidnappt?

Sein Bruder befürchtet daher, Hamed Abdel-Samad könnte während seines jüngsten Besuches in Kairo von radikalen Islamisten gekidnappt worden sein. Nach seiner Darstellung hatte das Innenministerium am Nil auf Bitten der deutschen Botschaft dem Bedrohten diesmal eigens Leibwächter zur Seite gestellt. Hamed habe in dem Park jedoch eine Verabredung gehabt, zu der er keinen seiner Bewacher habe mitnehmen wollen. Kurz vor dem Treffen allerdings rief er einen der Personenschützer, einen Offizier, an und berichtete ihm, er werde von einem schwarzen Auto verfolgt, seit er das Hotel im Zentrum Kairos verlassen habe.

Hamed Abdel-Samad, geboren 1972 in Ägypten, kam im Alter von 23 Jahren nach Deutschland, wo er zunächst in Augsburg Politologie studierte. Anschließend forschte er am Institut für Islamwissenschaften in Erfurt und am Institut für Jüdische Geschichte und Kultur der Universität München. In Deutschland bekannt wurde er durch die satirische TV-Serie „Entweder Broder - Die Deutschland-Safari“ an der Seite von Henryk M. Broder.

Kommentator des Arabischen Frühlings

Im Februar 2011 reiste Abdel-Samad während des Arabischen Frühlings nach Kairo und hat sich seitdem auch als Kommentator über das post-revolutionäre Ägypten einen Namen gemacht. In seinem 2009 erschienenen Buch „Mein Abschied vom Himmel. Aus dem Leben eines Muslims in Deutschland“ setzte er sich mit den inneren Widersprüchen und der Doppelbödigkeit muslimischer Gesellschaften auseinander.

Ein Jahr später folgte das Buch „Der Untergang der islamischen Welt“, in dem er die Ideologie des politischen Islam scharf kritisiert und für eine moderne Interpretation der Religion wirbt. Die europäischen Gesellschaften forderte er immer wieder auf, sich offensiver mit dem Islam auseinanderzusetzen.

Martin Gehlen

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