Kommt der Impfstoff nach Deutschland?: Deshalb will Spahn mit Russland über Sputnik V verhandeln
Deutschland spricht demnächst mit Russland über mögliche Lieferungen des Corona-Impfstoffs Sputnik V. Doch eine schnelle EU-Zulassung des Vakzins ist fraglich.
Es sind widersprüchliche Nachrichten, die derzeit in der EU über den russischen Impfstoff Sputnik V kursieren. Am Mittwoch weigerten sich die zuständigen Behörden in der Slowakei, bereits gelieferten Sputnik-Impfstoffdosen wegen fehlender Daten eine Freigabe zu erteilen. Dagegen kündigte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) an, dass die Bundesregierung bilateral mit Russland eine mögliche Belieferung mit Sputnik V sondieren wolle.
Was auf den ersten Blick wie ein Erfolg für die russische Impfstoff-Strategie und einem damit verbundenen Imagegewinn für Präsident Wladimir Putin wirkt, ist allerdings keiner. Denn Spahn betonte in dem Interview mit dem WDR auch, dass ein Einsatz von Sputnik V in Deutschland nur in Frage komme, wenn zuvor die EU-Arzneimittelbehörde (EMA) das Vakzin für die gesamte Gemeinschaft der 27 EU-Mitgliedstaaten freigegeben habe.
Damit ist klar, dass sich Deutschland innerhalb der EU keine Extratour leisten wird, wie sie vom ungarischen Regierungschef Viktor Orban praktiziert wird. Ungarn hatte dem russischen Vakzin unabhängig von der Prüfung durch die EMA eine Notfallzulassung auf nationaler Ebene erteilt – ein Verfahren, das innerhalb der EU durchaus möglich ist.
Das Sputnik-Vakzin wird in Ungarn bereits verimpft. Orban selbst ließ sich auch schon impfen – allerdings nicht mit Sputnik, sondern mit dem chinesischen Impfstoff Sinopharm, der in Ungarn ebenfalls bereits verabreicht wird.
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Die EU ist in die Kritik geraten, weil im vergangenen Jahr bei der Bestellung von Impfstoffen bei Herstellern wie Biontech/Pfizer oder Moderna vergleichsweise viel Zeit ins Land ging. Einzelne Länder wie die USA, die seinerzeit schneller waren, liegen heute beim Impfen weit vorn.
Vor diesem Hintergrund bieten die bilateralen Gespräche zwischen Deutschland und Russland, die Spahn am Mittwoch auch im EU-Gesundheitsministerrat ankündigte, eine Art Sicherheitsnetz.
Nach den Worten Spahns ergibt ein Einsatz des Sputnik-Impfstoffs angesichts des gegenwärtigen Engpasses allerdings in erster Linie dann Sinn, wenn eine Lieferung innerhalb der kommenden zwei bis fünf Monate komme. „Es braucht eine Zulassung, und es braucht konkrete Ansagen, wann was geliefert werden kann“, erklärte Spahn.
Die EMA prüft seit Anfang März
Doch ob die EMA so schnell ihre Zustimmung zum russischen Impfstoff gibt, ist offen. Die EMA prüft Sputnik V seit Anfang März. Aufschluss über die Wirksamkeit des Vakzins soll eine Inspektion von russischen Impfstoff-Produktionsstätten durch die EMA bringen. Allerdings wurde der Besuchstermin, der ursprünglich für Mitte April vorgesehen war, von russischer Seite verschoben.
Die EU-Kommission verhandelt derzeit nicht mit dem Hersteller von Sputnik V über einen Vorvertrag vor einer möglichen ersten Lieferung, wie dies im vergangenen Jahr etwa noch im Verfahren mit Biontech/Pfizer oder Astrazeneca der Fall war. Wie ein Sprecher der Kommission erklärte, ist es den EU-Mitgliedstaaten unbenommen, bilateral Verträge mit Herstellern auszuhandeln, deren Impfstoffe nicht zum gegenwärtigen Bestell-Portfolio der Kommission gehören.
Anders lägen die Dinge aber bei gemeinsam bestellten Vakzinen wie Biontech, erläuterte der Sprecher. Dort akzeptiere die Brüsseler Behörde keine Parallelverhandlungen der Mitgliedstaaten. Der Hinweis richtete sich nicht zuletzt an Deutschland, nachdem es im Gesundheitsministerium im vergangenen Jahr geheißen hatte, Deutschland habe sich national zusätzlich 30 Millionen Impfdosen von Biontech/Pfizer gesichert.
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Spahns Vorstoß für die Sondierungen zum Kauf von Sputnik-Impfstoff stieß bei einigen Bundesländern auf ein positives Echo. So sagte die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), der Nachrichtenagentur Reuters, der Gesundheitsminister habe ihre „volle Unterstützung, wenn der Bund Sputnik-Impfstoffdosen für Deutschland sichern will“. Zuvor hatte Schwesig allerdings den mecklenburg-vorpommerschen Gesundheitsminister gebeten, eigenständig Gespräche über Sputnik-Optionen aufzunehmen.
Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) begrüßte die Ankündigung Spahns ebenfalls. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte wiederum: „Das Angebot für Sputnik V haben viele Bundesländer erhalten. Es ist richtig, wenn der Bund die Verhandlungen übernimmt.“
Eigene Wege ging auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Schon bevor die Ankündigung Spahns publik wurde, verkündete er, dass man voraussichtlich im Juli dank einer Vereinbarung mit einer Produktionsstätte im schwäbischen Illertissen mit der Lieferung von 2,5 Millionen Sputnik-Impfdosen rechnen könne – für Bayern. Allerdings betonte auch Söder, dass eine Zulassung durch die EMA die Voraussetzung sei.
Bayerns Alleingang gefällt allerdings der rheinland-pfälzischen Regierungschefin Malu Dreyer (SPD) nicht. Mit Blick auf die kommende Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte sie dem Tagesspiegel, dass das Thema Sputnik V auf jeden Fall angesprochen werden müsse. „Hier habe ich die klare Erwartung an die Bundesregierung, dass sie schnellstmöglich klärt, wie alle Bundesländer gemäß ihrem Bevölkerungsanteil an dem Impfstoff partizipieren können“, fügte sie hinzu.