zum Hauptinhalt
Unfreiheit: Unter Chinas Einfluss macht die Polizei in Hongkong eine Razzia in der Lokalzeitung Apple Daily.
© dpa

Gerede vom „Kalten Krieg“ gegen China: Der Westen muss beweisen, dass er das bessere Leben bietet

Wirtschaftlich ist China nicht zu treffen. Die Systemkonkurrenz erfordert andere Strategien. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Harald Schumann

Ausweisung von Diplomaten, Sanktionen gegen Hongkong, Boykott der Technologiekonzerne Huawei und Tencent – im Konflikt mit China setzt die Regierung Trump klar auf Eskalation. Was als simpler Handelsstreit begann, gerät zusehends zur großen Konfrontation, und Analysten aller Couleur beschwören eine beängstigende Vision: Die beiden Supermächte stürzen die Welt in einen „neuen Kalten Krieg“.

Doch so naheliegend die Diagnose scheint, so irreführend ist sie. Denn der Begriff suggeriert, der neue Streit um die globale Vorherrschaft ließe sich führen – und gewinnen – wie jener mit der Sowjetunion. Aber daraus wird nichts.

Anders als die Lenin-Erben ist das moderne China ökonomisch stark. Pekings Wirtschaftsstrategen haben geschaffen, was die Ökonomen des Westen für unmöglich hielten: Ein Hybridsystem, das Marktdisziplin mit staatlicher Investitionslenkung kombiniert, und das so erfolgreich, das China Investoren aus aller Herren Länder einen höchst attraktiven Markt bietet.

Das aber macht die schärfste Waffe der neuen Kalten Krieger stumpf. „Decoupling“, die Entkoppelung der westlichen Volkswirtschaften von China, soll die Widersacher in die Knie zu zwingen, propagieren Trump und seine Unterstützer. Der Stop für Chipexporte und Direktinvestitionen oder die Sperrung der US-Börsen für China-Firmen zeigen die Richtung an.

Tatsächlich geht die wirtschaftliche Verflechtung voran

Doch die Lautstärke der Kampfansagen steht im umgekehrten Verhältnis zur tatsächlichen Entwicklung. De facto geht die Verflechtung mit der chinesischen Wirtschaft stetig voran.

So hat die US-Finanzindustrie das Chinageschäft massiv ausgebaut, berichtet das Peterson Institute. Von Goldman Sachs über JP Morgan bis zu American Express haben die Wall-Street-Größen, gefördert durch das Xi-Regime, die Mehrheitskontrolle an ihren China-Töchtern übernommen. Parallel dazu hat sich der ausländische Kapitalzufluss an die chinesischen Börsen binnen zwei Jahren auf rund 600 Milliarden Dollar annähernd verdoppelt.

 [Mit dem Newsletter „Twenty/Twenty“ begleiten unsere US-Experten Sie jeden Donnerstag auf dem Weg zur Präsidentschaftswahl. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung: tagesspiegel.de/twentytwenty.  ]

Zudem zeigen westliche Konzerne wenig Neigung, sich aus China zurückzuziehen. Bei der jüngsten Befragung durch die Europäische Handelskammer in China sank der Anteil der Unternehmen, die eine Verlagerung erwägen, von 15 auf nur noch elf Prozent.

Das zeuge von „einer wachsenden Entkopplung zwischen den Zielen der Trump-Administration und dem westlichen Geschäftsgebaren“, notiert das Center for Strategic and International Studies. China hat die Covid-19-Krise bewältigt, nun rettet der Chinamarkt viele westliche Hersteller vor dem Absturz.

Der Konflikt mit China ist also anders zu führen. Ja, es geht um eine Systemkonkurrenz. Das Xi-Regime in Peking bricht das Menschen- und Völkerrecht. Und es gewinnt weltweit an Einfluss, weil es Hilfsgüter liefert anstatt sie zu horten und sich als wohlwollende Macht geriert, die das bessere Modell hat. Das zu widerlegen ist folglich die eigentliche Aufgabe. Der Westen, so es ihn noch gibt, muss demonstrieren, dass Freiheit und Demokratie tatsächlich das bessere Leben bieten.

Das Versagen der US-Regierung an der Covid-Front ist dafür nicht gerade hilfreich. Umso dringender gilt es, nicht mit der Beschwörung eines neuen Kalten Krieges einer weiteren Rüstungsspirale das Wort zu reden, sondern endlich wirksam gegen die soziale Spaltung vorzugehen, die Versager wie Trump an die Regierung bringt. Wenn das gelingt, müssen wir Chinas Aufstieg nicht fürchten.

Zur Startseite