China auf Isolationskurs: Das Blatt ist ausgereizt
Großbritannien hat Huawei aus dem 5G-Netz verbannt. Auch sonst bekommt die Volksrepublik international Gegenwind. Ein Gastbeitrag.
Minxin Pei, 1957 in Schanghai geboren, hat in seiner Heimatstadt und an der Harvard University studiert, Er ist Professor of Government am kalifornischen Claremont McKenna College und Senior Fellow des German Marshall Fund of the United States.
Die Entscheidung des Vereinigten Königreichs, Huawei aus seinen 5G-Netzen zu verbannen, hat China einen schmerzhaften Schlag versetzt. Bis vor kurzem zählte China noch darauf, dass Großbritannien an seiner früheren Entscheidung festhalten werde, dem chinesischen Telekommunikationsriesen die Lieferung von Nebenausrüstung für die 5G-Netze des Landes zu gestatten.
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Doch zwei aktuelle Entwicklungen haben eine solche Entscheidung unhaltbar gemacht. Die erste war die Eskalation des Krieges der Vereinigten Staaten gegen Huawei. Die USA verhängten im Mai eine Sanktion, mit der sie Lieferanten, die amerikanische Technologie verwenden, die Lieferung von Halbleitern an Huawei untersagten.
Unterbrochene Versorgungskette
Da die US-Technologie der Herstellung hochentwickelter Halbleiter dient, die für die Produkte von Huawei, einschließlich der 5G-Basisstationen, erforderlich sind, wird die Versorgungskette des Unternehmens unterbrochen. Dies macht die Produktion seiner 5G-Gerätschaften künftig fast unmöglich.
Die Aussicht, dass ein Hauptlieferant der britischen 5G-Netze nicht mehr in der Lage sein wird, sein System auszubauen und zu warten, ist weitaus bedrohlicher als jede mögliche chinesische Schnüffelei. Keine verantwortungsbewusste Regierung kann es sich leisten, ein solches Risiko einzugehen. Die Tage von Huawei waren also gezählt, als die US-Regierung im Mai den Schalter umlegte. Die einzige Frage war, wann Premierminister Boris Johnson Präsident Xi Jinping die schlechte Nachricht überbringen würde.
Die zweite Entwicklung, die es Johnson politisch leichter machte, das Huawei-Verbot anzunehmen, war Chinas neues Gesetz zur nationalen Sicherheit in Hongkong. Dieses drakonische, Ende Mai vorgeschlagene und am 30. Juni vom Parlament fast blind durchgewunkene Gesetz, hat in praktischer Hinsicht den autonomen Status der ehemaligen britischen Kolonie beendet.
Aus der Sicht Großbritanniens stellt das Vorgehen Chinas einen eklatanten Verstoß gegen die Gemeinsame Erklärung von Chinesen und Briten im Jahr 1984 dar. China hatte sich darin unter anderem verpflichtet, das Rechtssystem und die bürgerlichen Freiheiten der Stadt nach der Übergabe im Jahr 1997 50 Jahre lang zu respektieren und zu schützen.
Huawei ist ein leichtes Ziel
Chinesische Führer könnten denken, dass das Vereinigte Königreich zu schwach sei, um zurückzuschlagen. Sie irren zweifellos. Das Vereinigte Königreich hat beschlossen, zu Hongkong Stellung zu beziehen, und Huawei ist dabei ein leichtes Ziel.
China könnte versucht sein, seinerseits zurückzuschlagen, und es scheint auch über zahlreiche Druckmittel zu verfügen. Zum Beispiel ist der britische Bankenriese HSBC besonders anfällig für Schikanen, da er in Hongkong etwas mehr als die Hälfte seiner Gewinne und ein Drittel seiner Einnahmen erzielt. Möglicherweise möchte China auch seine über London abgewickelten Finanztransaktionen einschränken und die Zahl der chinesischen Studenten verringern, die es an britische Colleges und Universitäten schickt.
Aber so verlockend derartige Vergeltungsmaßnahmen sein mögen, sie hätten letztlich den Charakter eines Bumerangs. Die HSBC aus Hongkong zu vertreiben, würde die Stadt als globales Finanzzentrum ruinieren, da China keine andere globale Bank finden würde, die diese Rolle übernehmen könnte. Angesichts der Spannungsspirale zwischen den USA und China ist schwer vorstellbar, dass China Citi oder JPMorgan Chase als Nachfolger der HSBC bevorzugen würde.
In ähnlicher Weise würden Studiumsbeschränkungen für Großbritannien China selbst weitaus mehr schaden. Derzeit studieren etwa 120000 Chinesen im Vereinigten Königreich. China muss nun damit zurechtkommen, dass es nur wenige gute Alternativen gibt, wenn es seine Studenten außer Landes schicken will. Die USA erwägen, die Zahl chinesischer Studenten aus Gründen der nationalen Sicherheit einzuschränken. China hat wiederum bereits Australien gedroht, die Zahl der chinesischen Touristen und Studenten zu reduzieren.
In der Sackgasse mit Kanada
Die kanadischen Universitäten schließlich, an denen derzeit rund 140000 chinesische Studenten eingeschrieben sind, haben begrenzte Kapazitäten. Nachdem China und Kanada im Streit um die Auslieferung von Huaweis Finanzchef Meng Wanzhou an die USA in eine diplomatische Sackgasse geraten sind, ist es unwahrscheinlich, dass China ausgerechnet dorthin mehr Studenten schicken wird.
Dies alles illustriert lediglich die einschüchternde Realität, mit der Xi nun konfrontiert ist: China verliert schnell Freunde, gerade dann, wenn es sie am meisten braucht. Allein in den letzten Monaten haben Chinas Beziehungen zu Indien einen verheerenden Schlag erlitten, nachdem bei einem Grenzkonflikt mindestens 20 indische und eine ungenannte Anzahl chinesischer Soldaten ums Leben kamen.
Um Australien dafür zu bestrafen, dass es gewagt hatte, eine internationale Untersuchung über die Herkunft des COVID-19-Coronavirus zu fordern, verhängte China Strafzölle auf australische Gerste und drohte mit weiteren Maßnahmen. Am 14. Juli schließlich prangerte das chinesische Außenministerium das jüngste japanische Verteidigungsweißbuch mit schroffen Worten an und äußerte Zweifel an der Annäherung, die Xi mit Premierminister Shinzo Abe zustande bringen will.
Die chinesische Führung hat nur sich selbst die Schuld für ihre wachsende Isolation zu geben. Mit einem überhöhten Machtgefühl haben sie ein schwaches Blatt überreizt und befreundete oder neutrale Länder wie Großbritannien, Kanada, Indien und Australien in die Arme der USA getrieben, die jetzt Chinas geopolitischer Hauptgegner sind. Wenn Chinas Führer nun also darüber nachdenken, wie sie auf das britische Verbot von Huawei reagieren sollen, sollten sie die erste Regel beachten, die für Löcher gilt: Wenn Sie sich in einem befinden, hören Sie auf zu graben.
Aus dem Englischen von Gregor Dotzauer. Copyright: Project Syndicate 2020, www.project-syndicate.org.
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