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In den Grabtürmen bestatteten die Palmyrer vor 2000 Jahren ihre Toten - nun sind sie vom IS zerstört worden.
© Reuters
Update

Weltkulturerbe Palmyra: Der Tod der Grabtürme

Die Terrormiliz "Islamischer Staat" zerstörte im syrischen Weltkulturerbe Palmyra weitere antike Gebäude. Die Terroristen sprengten mindestens sechs Grabtürme.

Der Terror-Wahnsinn gegen das Weltkulturerbe von Palmyra, der bedeutenden Oasenstadt in der syrischen Wüste, geht weiter. Nach der Sprengung des Baal-Shamin-Tempels und des Baal-Tempels, einem der bedeutendsten antiken Bauwerke des Nahen Ostens, hat die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) nun auch bedeutende Grabtürme gesprengt.

„Wir haben bestätigt bekommen, dass mindestens sechs Grabtürme aus der Totenstadt von Palmyra gesprengt worden sind“, sagt Maamoun Abdulkarim, Generaldirektor der syrischen Antikenverwaltung, dem Tagesspiegel. „Diese Terroristen respektieren keinerlei Zivilisation.“

Neben dem antiken Ruinenfeld mit dem Baal-Tempel, dem Triumphbogen, der von Säulen gesäumten Prachtstraße, dem Theater am Rande der Oase Palmyra gehörte die Totenstadt, die Nekropole, mit ihren magisch wirkenden Totentürmen zu den herausragenden Bauwerken dieser einmaligen Stadt, die in den ersten beiden Jahrhunderten nach Christus eine wohlhabende Pufferrolle zwischen dem römisch-griechischen Kulturkreis und den orientalischen Kulturen des Ostens gespielt hat.

Bessere Zeiten. Einer der Grabtürme der Nekropole von Palmyra war für Touristen zur Besichtigung freigegeben, wie die Aufnahme von 2009 zeigt. Wahrscheinlich ist auch dieser Turm inzwischen zerstört.
Bessere Zeiten. Einer der Grabtürme der Nekropole von Palmyra war für Touristen zur Besichtigung freigegeben, wie die Aufnahme von 2009 zeigt. Wahrscheinlich ist auch dieser Turm inzwischen zerstört.
© Rolf Brockschmidt

Die Nekropole liegt außerhalb der antiken Stadt Richtung Wüste, zu Füßen der auf einem steilen Berg ruhenden Qalaat Fakhr ad Din al Maani. Von dort oben hat man eine wunderbare Aussicht auf Palmyra und den modernen Ort Tadmor sowie die Nekropole, die sich lang zwischen Hügelketten Richtung Westen, Richtung Syrischer Wüste erstreckt.

Man konnte einen Turm besichtigen, die Antikenverwaltung hat einige restauriert und damit gerettet, andere waren schon vorher in sich zusammengefallen. In der Nekropole herrscht absolute Stille, Grabesruhe sozusagen, was besonders in der Dämmerung ein einmaliges Erlebnis war.

Die durch den Handel zu Reichtum gekommene Metropole in der Wüste zeichnete sich eben durch diese pompöse Grabarchitektur aus. Neben unterirdischen Grüften, Grabtempeln ließen sich in der Endphase Palmyras die reichen Bürger der Stadt diese Grabtürme aus Stein errichten, in denen auf fünf Stockwerken bis zu über 100 Tote einer Familie ihre letzte Ruhe fanden. Jeder in die Wand eingelassene Sarg wurde mit einem Halbbüstenporträt des Toten geschmückt. Diese Porträts sind typisch für Palmyra. Warum diese Türme entstanden sind, ist nicht bekannt. Wohl sind sie eine Erscheinung in der gesamten Region, man kennt sie aus Dura Europos am Eufrat, im irakischen Hatra und zum Teil in Nordafrika.

Deutlich zu sehen die Einkerbungen, in denen früher die Särge standen. Die Dekoration der Grabkammer deutet auf den Reichtum des Besitzers (2009).
Deutlich zu sehen die Einkerbungen, in denen früher die Särge standen. Die Dekoration der Grabkammer deutet auf den Reichtum des Besitzers (2009).
© Rolf Brockschmidt

Der schönste Turm Palmyras war zweifellos der des Jamblichos von 83 nach Christus, der 24 Meter hoch war. Er wurde wie auch die beiden anderen bedeutenden Türme des Ehlabel (103 nach Christus) und Kithot (44 nach Christus) vom IS in die Luft gejagt. Im Sockel eines Grabturms fand sich in der Regel ein Raum für religiöse Zeremonien zu Ehren der Toten. Diese werden auch oft im Kreise ihrer Familie auf den Reliefs dargestellt. Die Porträts der Toten waren realistisch, individuell verschieden. Bedeutende Skulpturen befinden sich zum Glück in Damaskus im Nationalmuseum oder an sicheren Orten.

Die Grabkammern waren mit Porträtbüsten geschmückt. Wahrscheinlich hat man in frühislamischer Zeit diese Gesichter abgeschlagen. (2009).
Die Grabkammern waren mit Porträtbüsten geschmückt. Wahrscheinlich hat man in frühislamischer Zeit diese Gesichter abgeschlagen. (2009).
© Rolf Brockschmidt

Viele dieser Grabplatten wurden aber schon in der Vergangenheit aus den Grüften und Türmen geraubt und auf dem Kunstmarkt gehandelt. Hin und wieder konnten Werke von der syrischen Regierung beschlagnahmt werden. Einerseits verdammt der IS diese Darstellungen als Götzendienst, andererseits versucht er, durch den Verkauf ins Ausland seine Kriegskassen zu füllen. Wer diese Kunstwerke aus Syrien kauft, macht sich mitschuldig an der Zerstörung des kulturellen Erbes nicht nur Syriens, sondern der Menschheit.

Satellitenbilder vom 27. August bestätigen die Zerstörung des Bel-Tempels in Palmyra. Nun hat die Terrormiliz IS auch die antiken Grabtürme gesprengt.
Satellitenbilder vom 27. August bestätigen die Zerstörung des Bel-Tempels in Palmyra. Nun hat die Terrormiliz IS auch die antiken Grabtürme gesprengt.
© Reuters

Nicht umsonst ist Palmyra seit 1980 in die Liste des Weltkulturerbes der Unesco eingetragen, als exemplarische Karawanenstadt, die ihre Hochzeit im ersten und zweiten Jahrhundert gefunden hatte, ein Schmelztiegel der Kulturen und ein Mittler zwischen Ost und West. Altorientalische und griechisch-römische Architekturtraditionen haben sich hier zu einem eigenen Stil vermischt. Darüber hinaus haben die Entdeckungsreisenden des 17. und 18. Jahrhunderts und ihre Berichte in Europa eine wachsende Begeisterung für die Antike ausgelöst, die letztendlich auch die europäische Architektur mit beeinflusst hat.

Kein Wunder, denn wer aus der Einöde der Syrischen Wüste kommend, das frische Grün der Oase, das Gelbbraun der Ruinen vor einem klaren blauen Himmel sieht, der kann sich der Faszination nicht entziehen. Besonders in der Dämmerung, wenn der Muezzin vielfach aus dem modernen Tadmor ruft und die Sonne untergeht, wird der Besuch der Nekropole zu einem besonderen Erlebnis. Dies alles ist in höchster Gefahr. „Um das syrische Kulturerbe ist es sehr traurig bestellt“, sagt der resignierte Generaldirektor Maamoun Abdulkarim. „Wenn es so mit dem Schweigen der Welt weitergeht, werden wir Palmyra durch die Akte dieser terroristischen Gruppen verlieren.“

Helle Flecken auf einem Luftbild im Netz zeigen die zerstörten Orte in Palymara.

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