Hilfe für Flüchtlinge im Mittelmeer: Der schwierige Kampf gegen die Schleuser
Im Umgang mit dem wachsenden Zustrom von Flüchtlingen über das Mittelmeer steht für Deutschland zunächst die Seenotrettung im Vordergrund. Für den Kampf gegen die kriminellen Schleuserbanden ist ein UN-Mandat nötig - und das ist noch nicht in Sicht.
Im Bundesverteidigungsministerium bereiten sie sich noch gar nicht auf einen Militäreinsatz gegen Schleuser im Mittelmeer vor. Das jedenfalls sagte am Freitag ein Sprecher des Ministeriums in Berlin. Die Seenotrettung von Flüchtlingen stehe derzeit im Vordergrund. Die beiden dafür eingesetzten deutschen Schiffe, die Fregatte „Hessen“ und der Versorger „Berlin“, würden vermutlich länger im Mittelmeer bleiben als die ursprünglich vorgesehenen 30 Tage. „Das wird derzeit durchgeplant, ansonsten gibt es keine Planungen.“
Der Einsatz gegen Schleuser ist allerdings auch schwer kalkulierbar, obwohl bereits bekannt ist, welches Vorgehen die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am kommenden Montag den EU-Außen- und Verteidigungsministern offiziell vorschlagen will. Letztlich werden die Maßnahmen kaum über das hinausgehen, was im Mittelmeer längst passiert.
Mogherini will das Gebiet der libyschen Küste, wo die meisten Schlepper operieren, zunächst militärisch aufklären lassen. Dank moderner Aufklärungstechnik muss dafür kein europäischer Soldat einen Fuß auf libyschen Boden setzen. Der große Knackpunkt eines europäischen Militäreinsatzes gegen Schleuser ist der zweite Schritt in Mogherinis Vier-Phasen-Plan. Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten sich Ende April dafür ausgesprochen, Flüchtlingsboote zu zerstören, bevor sie eingesetzt werden. Das kann nur an Land geschehen. Für eine solche Operation benötigt die EU allerdings ein UN-Mandat. Und das ist derzeit nicht in Sicht. Selbst innerhalb der EU, nicht zuletzt in Deutschland, ist ein Eingreifen in Libyen umstritten. Denn in dem Land herrscht Bürgerkrieg. Ein Militäreinsatz würde den von den UN moderierten Friedensprozess womöglich stören und die EU vielleicht sogar in die Auseinandersetzungen hineinziehen.
Mogherini ruderte bei einem Besuch in New York Anfang der Woche daher bereits zurück. Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen warb sie lediglich dafür, Flüchtlingsboote auf dem Meer zu zerstören. Russland hatte sich dennoch skeptisch zu den Plänen geäußert. Die derzeit im Sicherheitsrat vertretenen EU-Staaten Frankreich, Großbritannien, Spanien, Litauen bereiten nun einen Resolutionsentwurf vor, mit dem auch die Russen leben können. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) geht davon aus, dass Russland keine grundsätzlichen Vorbehalte hat. Es gehe lediglich um Formulierungsfragen, sagte er in dieser Woche. Deutschland rechne daher damit, so hieß es am Freitag im Auswärtigen Amt, dass die EU am Montag den Startschuss für einen Einsatz geben werde und zunächst die Aufklärung von Schleuserstützpunkten auf den Weg bringe.
Die Zerstörung von Schleuserbooten hat unterdessen ohnehin längst begonnen. So haben die beiden deutschen Marineschiffe Flüchtlingsboote, denen sie zur Hilfe eilten, versenkt, nachdem die Flüchtlinge von Bord waren. Rechtlich ist dieses Vorgehen über das internationale Seerecht abgedeckt, denn ein führerloses Boot stellt eine Gefahr für die Schifffahrt dar und darf zerstört werden, zumindest in internationalen Gewässern. Ein UN-Mandat wäre für solche Aktionen also gar nicht notwendig.
Wenn ein Kapitän an Bord ist und das Boot eine Hoheitsflagge trägt, sieht die Sache anders aus. Um Schiffe mit Besatzung aufzubringen und die Schleuser an Bord festzusetzen, ist ein eindeutiges Mandat unverzichtbar.
Der UN-Sonderberichterstatter für Rechte von Migranten, François Crepeau, äußerte sich am Freitag in Genf allerdings skeptisch zu den Erfolgsaussichten. Allein durch militärische Operationen könnten die Bedingungen in den Herkunftsländern nicht verbessert und die Ursachen für den Flüchtlingsstrom nicht behoben werden. Solange es einen Markt gebe, existierten Schmugglerbanden weiter, sagte er. Ähnlich äußerte sich die Vorsitzende von Bündnis90/Die Grünen, Simone Peter (siehe nebenstehendes Interview). Selbst der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD), sprach in einem ZDF-Interview von „Scheinaktivitäten“.
Auch die Kritik an den geplanten Quoten zur Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU reißt nicht ab. Ein Quotensystem müsse auch die Wünsche der Asylsuchenden berücksichtigen, sagte Crepeau. Die geplante Aufnahme von 20 000 Flüchtlingen aus Krisenstaaten wie Syrien sei vor dem Hintergrund von rund 200 000 illegalen Migranten, die 2014 Europa erreichten, zudem „völlig unzureichend“. Der Außenminister des Libanon, Gebran Bassil, beklagte am Freitag bei einem Besuch seines deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier (SPD) in Beirut, dass die EU viele ihrer bisherigen Hilfszusagen nicht eingehalten habe. Deutschland nahm er dabei allerdings aus. Der Libanon hat nach eigenen Angaben in den vergangenen Jahren etwa 1,5 Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Das entspricht etwa einem Drittel der Einwohnerzahl.