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Kanzlerin Angela Merkel bedauert den Rücktritt von Franziska Giffey
© imago images/photothek

Merkel hätte sie gerne gehalten: Der Rücktritt Giffeys und seine Folgen für den Bund

Die Kanzlerin betrübt, die SPD ringt um Glaubwürdigkeit, im Fall Giffey geht es auch um den richtigen Kurs. Das Familienressort wird nun nebenher regiert.

Ganz am Ende gibt es dann doch noch einen "echten" Rücktritt im letzten Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel, sieht man vom Wechsel der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyens auf den Posten der EU-Kommissionschefin ab und vom Wechsel der damaligen Justizministerin Katarina Barley (SPD) in das Europaparlament.

Insgesamt aber ist es Merkel nun schon zum dritten Mal passiert, dass einer ihrer Minister oder Ministerinnen wegen einer Plagiatsaffäre zurücktritt. „Ich nehme diese Entscheidung mit großem Respekt, aber ich sage auch mit ebenso großem Bedauern entgegen“, sagt Merkel im Kanzleramt.

Nicht nur für die Kanzlerin, auch für die Bundes-SPD ist der Fall misslich. In Umfragen läuft die Partei hinterher, sie kämpft mit einem Glaubwürdigkeitsdefizit. Kanzlerkandidat Olaf Scholz (SPD) etwa leidet darunter, dass er eigentlich Giffeys Mitte-Kurs näher steht, aber wegen des Linksrucks der Partei unter den Bundesvorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans hat er sein Profil angepasst.

Und dann waren es besonders Sozialdemokraten, die bei Merkels anderen Plagiatsaffären um den damaligen Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) und die damalige Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) Rücktritte forderten.

„Wenn Guttenberg als Lügner im Kabinett bleiben kann, dann würde sich das demokratische System in Deutschland verändern. Es darf keine Sonderrechte für Minister in Deutschland geben“, sagte 2011 der damalige Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Und Karl Lauterbach sagte damals: „Diese Affäre wird ein Dauerbrenner. Und sie kostet die Union Glaubwürdigkeit, vor allem im konservativen Milieu.“

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Zum Dauerbrenner ist aber auch die Affäre Giffey geworden. Zumal dieser Rücktritt nicht wie bei Guttenberg und Schavan eine politische Karriere vorerst beendet, nein, hier soll er den nächsten Karriereschritt retten. Es ist ein vorbeugender Rücktritt, bevor er vom politischen Gegner eingefordert werden kann. Der Versuch eines Befreiungsschlags der besonderen Art, eine riskante Wette.

Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg im Wirecard-Untersuchungsausschuss.
Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg im Wirecard-Untersuchungsausschuss.
© picture alliance/dpa/Reuters/Pool

Guttenberg hingegen war nach seinem Rücktritt in die USA gegangen, wurde Lobbyist, auch für das skandalumwitterte Unternehmen Wirecard. Er sprach in der Sache später auch bei seiner früheren Regierungschefin Merkel vor, die sich dann bei einer China-Reise persönlich für einen Marktzugang dort für Wirecard einsetzte. Beide mussten deshalb im Untersuchungsausschuss des Bundestags auftreten.

Schavans Rücktritt empfand Merkel dagegen als sehr schmerzlich, ihr Fall war viel weniger klar. Beide haben ein enges Verhältnis und hielten immer Kontakt. Schavan wurde nach dem Rücktritt 2014 Botschafterin beim Heiligen Stuhl in Rom.

Die SPD im Dilemma

Bei Giffey stand die SPD vor einem Dilemma: Bliebe sie im Amt und würde in den nächsten Wochen schwarz auf weiß attestiert bekommen, dass sie wegen eines Plagiats den Doktortitel zu Unrecht erhalten hat, wäre dann der Rücktritt fällig gewesen, und hätte auch im Bundestagswahlkampf geschadet. Merkel hätte sie eigentlich gern gehalten, Giffey habe die nötige Penetranz, um Dinge durchzusetzen, heißt es in Regierungskreisen.

Merkels Bedauern ist ehrlich gemeint, sie kamen gut miteinander aus. Und die Bewältigung der Folgen der Pandemie für Kinder und Familien ist eine gewaltige politische Aufgabe. Nun soll es mindestens vier Monate lang lediglich eine kommissarische Leitung durch Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) geben.

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Dass die SPD-Vorsitzende Saskia Esken selbst mit dem Amt geliebäugelt hat, wird im Willy-Brandt-Haus bestritten. Die stellvertretende FDP-Fraktionschefin Katja Suding fordert, dass es eine Neubesetzung brauche: „Angesichts der immensen sozialen und psychischen Folgen der Corona-Pandemie für unsere Kinder muss das Familienministerium handlungsfähig sein.“

Julia Klöckner und Franziska Giffey am Tag ihrer Vereidigung, zufällig im gleichen Kleid.
Julia Klöckner und Franziska Giffey am Tag ihrer Vereidigung, zufällig im gleichen Kleid.
© imago/Metodi Popow

Wie der Rücktritt der SPD-Spitzenkandidatin bei den Berliner Wählern ankommt, könnte nach dem Wahltag am 26.September auch den künftigen Kurs der Bundes-SPD bestimmten. Zumal nicht nur in Berlin und im Bund gewählt wird, sondern auch in Mecklenburg-Vorpommern. Und dort steht Manuela Schwesig für einen ähnlich pragmatischen Kümmerer-Ansatz wie Giffey.

Intern wird gerade hart gekämpft um gute Listenplätze, da bei einem erwartbar schlechten Ergebnis weniger Sitze im Bundestag zu verteilen sind. Viele Jusos und Vertreter des linken Flügels drängen nach vorn. So kommt es zum Beispiel, dass plötzlich einer der bekanntesten Sozialdemokraten, Karl Lauterbach, in Nordrhein-Westfalen nur auf Listenplatz 23 gelandet ist.

Schwesig und Giffey könnten die Gewinnerinnen sein

Gewinnt er nicht seinen Wahlkreis in Leverkusen direkt, könnte er dem nächsten Bundestag nicht mehr angehören – und dort hat er mit der NRW-Staatssekretärin für Integration, Serap Güler, eine äußerst starke Konkurrenz.

Noch hält allerdings der interne Frieden in der SPD, auch Giffeys aktueller Schritt wird einhellig als konsequent gelobt. Doch die beiden in der SPD nicht unumstrittenen Vorsitzenden gelten nicht als Giffey-Fans.

Ihr Schicksal hängt auch davon ab, wie das Experiment mit der zuvor zurückgetretenen Spitzenkandidatin in Berlin ausgeht. Gesetzt den Fall Giffey gewinnt und auch Schwesig, im Bund setzt es aber das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik, könnte der Linkskurs der beiden Vorsitzenden als gescheitert angesehen werden.

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