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Im zweiten Tschetschenien-Krieg kämpfte der Georgier Zelimkhan K. gegen die Russen.
© Foto/ Palitra News / Tsp

In Berlin-Moabit erschossener Georgier: Der rätselhafte Zelimkhan K. und die Verwicklung russischer Geheimdienste

Der in Berlin erschossene Georgier könnte Opfer eines Auftragsmörders geworden sein. Der Generalbundesanwalt erwägt, in den Fall einzugreifen.

Im  Fall des in Berlin erschossenen Georgiers Zelimkhan K. halten Sicherheitskreise einen Auftragsmord für die wahrscheinlichste Variante. Der mutmaßliche Täter, der Russe Wadim S., habe wie ein Profi gehandelt, hieß es. Wadim S. sei erst vor wenigen Tagen nach Deutschland geflogen und habe dann offenkundig das Opfer ausgespäht.

Der Getötete lebte in Berlin unter dem Namen Zelimkhan K. – wobei er mehrere Namen nutzte. Laut Tagesspiegel-Informationen führte er als weiteren Namen Tornike K. Unter dem Namen Zelimkhan K. war er jedoch von russischen Geheimdienstquellen bereits 2008 namentlich als georgischer Terroristenführer genannt worden.

Nach den bisherigen Ermittlungen ist davon auszugehen, dass Wadim S. am Freitag im Kleinen Tiergarten in Moabit mit drei Schüssen Tornike K. tötete. Bei der Tat nutzte Wadim S. eine Pistole, die als robust gilt und bei Spezialeinheiten beliebt ist – eine Glock 26 mit Schalldämpfer. Der Täter schoss von einem Fahrrad aus dem Islamisten in den Kopf.

Ein persönliches Interesse von Wadim S., den Islamisten zu töten, sei nicht zu erkennen, war aus Sicherheitskreisen zu erfahren. Es gebe keine Hinweise, dass sich die beiden gekannt hätten.

Zelimkhan K. hatte im Januar 2017 in Deutschland Asyl beantragt, das wurde zwei Monate später abgelehnt.

Zelimkhan K. könnte einem Auftragsmord zum Opfer gefallen sein.
Zelimkhan K. könnte einem Auftragsmord zum Opfer gefallen sein.
© Foto/ Palitra News / Tsp

Der Islamist klagte und konnte in der Bundesrepublik bleiben. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht stand noch aus. Er fühlte sich nach mehreren Attentaten auf ihn verfolgt und hoffte, mit einem Aliasnamen besser geschützt zu sein. Bei seiner Klage gegen die Abschiebung spielte auch seine Gefährdung in Georgien eine Rolle.

Neuer Name für besseren Schutz

Wadim S. hatte nach der Festnahme die Tat zunächst bestritten und sagt jetzt nichts mehr. Der 49-Jährige sitzt in Untersuchungshaft, die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf heimtückischen Mord. Die Bundesanwaltschaft schaut sich den Vorgang an, hat aber bislang nicht entschieden, ob sie die Ermittlungen übernimmt.

Das würde geschehen, wenn sich die Theorie erhärten sollte, die in den Sicherheitsbehörden kursiert. Demnach hat mutmaßlich ein russischer Geheimdienst Wadim S. auf Tornike K. alias Zelimkhan K. angesetzt, um Gegnern Russlands zu demonstrieren, sie seien nirgendwo sicher, auch nicht in Deutschland.

Der Tatort selbst wurde zunächst mit einem Zelt abgeschirmt
Der Tatort selbst wurde zunächst mit einem Zelt abgeschirmt
© REUTERS

Die Wirkung der tödlichen Botschaft sei noch durch den Zeitpunkt erhöht – zum Zeitpunkt des Attentats hielt sich Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) in Moskau auf. Sollte Wadim S. in politischem Auftrag gehandelt haben, wäre das ein zweites Mordmerkmal neben der Heimtücke.

Verbindungen zu tschetschenischen Islamisten

Die deutschen Sicherheitsbehörden hatten Tornike K. alias im Zelimkhan K. im Blick. Wegen seiner Verbindungen zu tschetschenischen Islamisten war er zunächst als Gefährder eingestuft worden. Es sei zu befürchten gewesen, dass K. eine führende Rolle in der militanten Islamistenszene anstrebe, hieß es aus Sicherheitskreisen.

K. hat von 2001 bis 2005 in Russland für tschetschenische Rebellen gekämpft, ihm soll im zweiten Tschetschenien-Krieg eine Einheit unterstanden haben. Er soll aber auch einige Male die Fronten gewechselt haben.

Für die russischen Nachrichtendienste sei der Mann offenbar nicht nur ein gefährlicher Islamist, sondern auch ein Verräter gewesen, heißt es. So habe es vermutlich zwei Gründe gegeben, K. zu ermorden.

Der russische Präsident Wladimir Putin (links) und der tschetschenische Republikchef Ramsan Kadyrow im Kreml.
Der russische Präsident Wladimir Putin (links) und der tschetschenische Republikchef Ramsan Kadyrow im Kreml.
© Reuters

Als Drahtzieher des Mordes komme auch der Statthalter Moskaus in Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, infrage, hieß es. Kadyrow ist berüchtigt für seine Brutalität und hat mit exzessiver Gewalt die tschetschenischen Rebellen bekämpft.

Die deutschen Sicherheitsbehörden gaben die Einstufung als terroristischer Gefährder auf, da K. in Berlin wenig aktiv war. In solchen Fällen fällt ein Extremist allerdings nicht komplett aus der Beobachtung heraus, er wird zunächst heruntergestuft zur „relevanten Person“. Das ist ein potenzieller Unterstützer eines terroristischen Gefährders.

Hinweise, dass K. in Syrien für die Terrormiliz „Islamischer Staat“ gekämpft hat, gebe es nicht, ist aus Sicherheitskreise zu erfahren. Anderenfalls wäre er automatisch weiter als Gefährder eingestuft geblieben.

Zelimkhan K. war am Freitag im Kleinen Tiergarten in Moabit unterwegs, angeblich wollte er zum Freitagsgebet. Er soll in Moscheen verkehrt haben, in denen Islamisten aus dem Kaukasus aktiv sind. Gegen 11.58 Uhr wurde er durch die Kopfschüsse getötet.

In Ermittlerkreisen ist die Rede von einem glücklichen Umstand, dass der professionelle Täter geschnappt werden konnte. Er war nach den Schüssen mit dem Rad wenige hundert Meter zum Holsteinufer an der Spree gefahren und warf in einer Plastiktüte die Waffe, Kleidung und eine Perücke in den Fluss.

Dann habe er auf einen Motorroller steigen und flüchten wollen. Bei ihm soll nach Tagesspiegel-Informationen eine größere Summe Bargeld gefunden worden sein.

Auch zu Wasser waren Beamte nahe des Tatorts in Berlin-Moabit vor Ort.
Auch zu Wasser waren Beamte nahe des Tatorts in Berlin-Moabit vor Ort.
© Helena Piontek

Passanten sollen das alles beobachtet und die Polizei verständigt haben. Weil eine Einsatzeinheit in der Nähe war, konnte Wadim S. schnell gefasst werden. Am Samstag wurde ein Haftbefehl erlassen, laut Staatsanwaltschaft äußerte sich S. auch in Untersuchungshaft nicht zu der Tat.

Auf Zelimkhan K. sind bereits mehrfach Attentate verübt geworden. Bereits 2009 ist laut offiziellen Quellen ein Giftanschlag auf ihn verübt worden. Im Mai 2015 feuerte ein Unbekannter mehrere Kugeln auf K. ab, als er sein Haus verlassen wollte. K. wurde schwer am Arm verletzt, den er sich schützend vor den Kopf hielt.

Er soll dann laut verschiedener Berichte mit seiner Familie zunächst in die Ukraine geflohen sein und dort eng mit den Behörden zusammengearbeitet haben – gegen russische Interessen. Nach einer mutmaßlich weiteren Attentatsversuch kam er dann nach Deutschland.

Die von der EU und Deutschland finanzierte Nichtregierungsorganisation „Human Rights Education and Monitoring Center“ in der georgischen Hauptstadt Tiflis vermutet hinter den früheren Attentaten sowie hinter der Hinrichtung am Freitag in Berlin russische Geheimdienste.

Die Rolle von K. ist undurchsichtig. Er soll Anhänger der tschetschenischen Terrorgruppe „Kaukasisches Emirat“ gewesen sein, die für mehrere Anschläge in Russland und in den Kaukasus-Republiken verantwortlich gemacht wird.

Andererseits gibt es auch Berichte, wonach er im Tschetschenienkrieg eher an der Seite der gemäßigten, nicht-fundamentalistischen Rebellen gekämpft hat.

Zudem soll K. später aber auch für die Anti-Terror-Zentrale des georgischen Innenministeriums tätig gewesen sein. 2012 nahm er im Auftrag des Ministeriums an einem Spezialeinsatz in der Lopota-Schlucht an der georgisch-dagestanischen Grenze teil. Nach offiziellen Informationen hatte eine Gruppe islamistischer Kämpfer Einheimische als Geiseln genommen.

K. soll als Unterhändler für das Innenministerium aufgetreten sein, weil er sich in der Szene und Gebieten gut auskannte. Er sollte zwischen dem Militär und den Islamisten vermitteln. Mehrere Soldaten, aber auch Islamisten waren bei den Gefechten getötet worden.

Der georgische Staatsbürger selbst gehört zur tschetschenischen Minderheit der Kisten in seinem Heimatland und stammt aus Pankisi-Tal. Dieses Tal galt lange als Rekrutierungsstätte für den Islamischen Staat, mehrere Dutzend junge Männer wurden von dort vom IS für den Kampf in Syrien gewonnen.

Andererseits soll K. sich mit seinem Einfluss dagegen engagiert haben, dass aus seiner Heimat junge Männer für den IS rekrutiert werden.

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