Frankreich: Der Präsident muss jetzt liefern
Frankreichs Präsident Macron bekommt in Umfragen einen Dämpfer. Die Franzosen wollten eine Erneuerung des politischen Systems. Aber wollen sie auch wirtschaftliche Reformen? Ein Kommentar.
Ein selbst ernannter Gott ist auf dem Boden der Realität gelandet. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der im Wahlkampf leichtfertig das höchste Staatsamt mit dem römischen Gott Jupiter verglich, wird gerade von den eigenen Worten eingeholt. Die jüngsten Umfragewerte, die dem Staatschef einen Rückgang in der Popularität um zehn Prozentpunkte innerhalb nur eines Monats bescheinigen, zeigen: Die Schonfrist für den Polit-Star ist schneller vorbei, als es dem Gründer der Bewegung „En Marche“ lieb sein kann.
Einen ähnlichen Absturz erlebte zuletzt Chirac 1995
Zwar erfreut sich Macron immer noch an Zustimmungswerten oberhalb der 50-Prozent-Marke. Das ist weit entfernt von dem geringen Ansehen seines Vorgängers François Hollande am Ende von dessen Amtszeit. Zudem ist es nicht ungewöhnlich, dass auf die Euphorie, die einen Präsidenten am Wahltag in Frankreich begleitet, die Ernüchterung folgt. Allerdings ist der Macrons Absturz in den Umfragen schon dramatisch. Es liegt mehr als zwei Jahrzehnte zurück, dass der damalige Präsident Jacques Chirac in seinen ersten Amtsmonaten 1995 einen ähnlichen Vertrauensverlust erlitt.
Macron selbst mag geahnt haben, dass die Reformen, die er bereits im Wahlkampf angekündigt hat, zwangsläufig auch den Widerstand der davon betroffenen Gruppen in der Gesellschaft heraufbeschwören würden. Schon in der geringen Wahlbeteiligung bei Präsidentschafts- und Parlamentswahl, die ihn und seine Partei an die Macht beförderten, drückte sich eine nur halbherzige Unterstützung für sein Erneuerungs-Versprechen aus. Die Franzosen haben den Mut bewiesen, ein überkommenes Parteiensystem von Grund auf zu erneuern. Aber haben sie auch die Courage, auf gewohnte Besitzstände zu verzichten?
Im September kommt es bei der Arbeitsrechts-Reform zum Schwur
Macron und seine Landsleute haben bis September Zeit, um eine erste Antwort auf diese Frage zu geben. Bis dann soll die Reform des Arbeitsrechts stehen, die den Arbeitnehmern einerseits eine geringere Jobsicherheit zumutet und andererseits das Investitionsklima in Frankreich verbessern soll. Bis jetzt haben die Gewerkschaften erstaunlich stillgehalten. Aber es wäre auch nicht überraschend, wenn sie nach dem Ende der Sommerpause ihre Mitglieder wieder auf die Straße rufen.
Schon jetzt grummeln Rentner, Beamte und Studenten
Für dieses Szenario spricht, dass die deutlichen Einschnitte, die Macron für dieses Haushaltsjahr verkündet hat, bereits lautstarken Protest hervorgerufen haben. 4,5 Milliarden Euro will der Staatschef aus dem laufenden Etat herausschneiden. Das bedeutet: Rentner werden mit höheren Sozialbeiträgen belastet. Beamte müssen mit geringeren Gehaltssteigerungen rechnen. Studenten bekommen weniger Wohngeld. Falls im Herbst auch noch die Arbeitnehmer gegen die Reform des Arbeitsrechts rebellieren sollten, könnte Frankreichs Neuanfang schon bald wieder zu Ende sein.
Möglicherweise können die Franzosen Macrons Reformweg leichter mitgehen, wenn sie gleichzeitig wahrnehmen, dass ihr Staatsoberhaupt auf der internationalen Bühne plötzlich wieder ein zentraler Akteur ist. Putin, Merkel und Trump haben dem neuen Präsidenten in den vergangenen Wochen in Paris die Aufwartung gemacht. Macrons Landsleute finden die gleiche Augenhöhe, auf der er den Gästen aus Moskau, Berlin und Washington begegnet, erst einmal nicht schlecht. Aber am Ende messen sie ihr Staatsoberhaupt an einer anderen Elle – und zwar daran, ob er sein Versprechen hält, die Arbeitslosenquote von rund neun Prozent bis zum Ende seiner Amtszeit 2022 auf sieben Prozent zu drücken.
Macrons Ziel: Eine Arbeitslosenquote von sieben Prozent
Das Ziel bleibt erreichbar – trotz des ersten Umfrage-Dämpfers für Macron. Allerdings besteht sein Dilemma darin, dass er nach den fünf verlorenen Hollande-Jahren so stark unter Erfolgsdruck steht wie kaum ein anderer französischer Präsident vor ihm. Wenn seine Reformen nicht schnell zu einer Belebung auf dem Arbeitsmarkt führen, könnte sein Stern noch tiefer sinken als der seines glücklosen Vorgängers.