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Martin Schulz, Horst Seehofer und Angela Merkel in der SPD-Zentrale in Berlin.
© AFP/John MacDougall
Update

Verhandlungen von Union und SPD: "Der Koalitionsvertrag nimmt langsam Gestalt an"

Der Samstag bringt Einigungen bei den Themen Verkehr und Tierschutz - aber auch ein neues Geplänkel. Die Wohnungspolitik wird Sache der 15 Spitzenunterhändler von Union und SPD.

Union und SPD wollen drohende Diesel-Fahrverbote in Städten verhindern und den schleppenden Ausbau der Elektromobilität beschleunigen. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) räumte am Samstag in Berlin am Rande der Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD aber ein: „Wir wissen nicht, ob wir Fahrverbote werden vermeiden können.“ Eine vor allem von Umweltverbänden geforderte Einführung einer blauen Plakette sei in den Koalitionsverhandlungen kein Thema gewesen. Begleitet wurde die Endphase der Beratungen von weiterem Geplänkel zur Zuwanderungspolitik zwischen SPD und CSU.

Offen war zunächst, ob die Verhandlungen wie ursprünglich geplant an diesem Sonntag abgeschlossen werden können. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte beim Eintreffen zu den Verhandlungen in der CDU-Zentrale: „Das ist schon unser Ziel, an diesem Wochenende fertig zu werden.“ Es seien aber insbesondere noch Fragen der Finanzierbarkeit zu klären. „Da werden wir uns heute noch mal drüber beugen müssen, weil unser Finanzrahmen natürlich beschränkt ist.“ Union und SPD hatten sich diesen Montag und Dienstag als Puffertag frei gehalten, falls die Verhandlungen länger dauern sollten.

"Noch nicht alles unter Dach und Fach"

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig sagte: „Wir müssen die Sache auch gut zum Ende bringen, aber es soll auch zügig sein.“ Sie erwarte Fortschritte bei zwei Kernforderungen ihrer Partei: „Wir müssen uns unbedingt einigen beim Thema sachgrundlose Befristung und auch beim Thema Abschaffung der Zwei-Klassen-Medizin.“ Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nannte die Verhandlungen "insgesamt sehr konstruktiv". Ob sie am Sonntag abgeschlossen werden können, lässt er offen: "Die Hoffnung ist groß, sicher ist es nicht. Es kann auch Montag werden."

"Der Koalitionsvertrag nimmt langsam Gestalt an", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Union, Michael Grosse-Brömer, am Abend. "Ob er zum Abschluss kommt, werden wir allerdings erst morgen konkreter sagen können." Es sei "noch nicht alles unter Dach und Fach". Unter anderem bei Arbeit, Gesundheit und Wohnen gebe es noch Unterschiede, wobei es im Bereich Wohnungsbau und Mieten leichte Fortschritte gebe.

Die Koalitionsverhandlungen sind für heute beendet und sollen am Sonntag in der Spitzenrunde später als ursprünglich geplant fortgesetzt werden. Die 15 Vertreter von CDU, CSU und SPD kämen am Sonntag um 11.30 Uhr in der SPD-Zentrale zusammen, hieß es in Parteikreisen. Davor gebe es parteiinterne Beratungen.

„Wir haben uns geeinigt auf die Beendigung des Kükenschredderns“

NRW-Ministerpräsident und CDU-Vize Armin Laschet sagte an Nachmittag, es sei der Wille aller von Union und SPD, dass es keine Fahrverbote geben solle. Er verwies auf ein auf den Weg gebrachtes Milliarden-Programm für saubere Luft in Städten. Die Union bekräftigte ihre Ablehnung einer blauen Plakette. Man wolle weder Fahrverbote noch eine blaue Plakette, sagte CSU-Unterhändler Georg Nüßlein. Weil in vielen Städten Schadstoff-Grenzwerte nicht eingehalten werden, drohen Diesel-Fahrverbote.

Hendricks bekräftigte, man prüfe Nachrüstungen bei Diesel-Fahrzeugen direkt am Motor, falls diese sinnvoll und wirtschaftlich vertretbar seien. Die Autobranche lehnt solche Hardware-Nachrüstungen vor allem aus Kostengründen bisher ab - weil eine Umsetzung lange dauern würde, aber die Auswirkungen nicht sicher seien.

Union und SPD wollen den Tierschutz in der Landwirtschaft verbessern. „Wir haben uns geeinigt auf die Beendigung des Kükenschredderns“, sagte CDU-Vize Julia Klöckner. Zuvor hatten sich die möglichen Koalitionäre auf Leitlinien im Agrarbereich verständigt. Auf das geplante Verbot des Kükenschredderns hatten sich CDU, CSU und SPD schon während der Sondierungsgespräche verständigt.

Die Union pocht demnach auf die Einführung eines „Baukindergelds“, also staatliche Zuschüsse für Familien mit Kindern, die Wohneigentum erwerben wollen. Die SPD ist dagegen und verlangt stattdessen Beschlüsse zur Stärkung des sozialen Wohnungsbaus und zur Eindämmung von Immobilienspekulationen. So soll Kommunen der Erwerb bundeseigener Grundstücke und Immobilien erleichtert werden. Zwar gewährt die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben ihnen schon heute ein Vorkaufsrecht. Doch mit Höchstgeboten finanzstarker Investoren können Städte und Gemeinden kaum mithalten.

Ob es Annäherungen bei einem weiteren Knackpunkt der von der SPD verlangten Abschaffung der „Zwei-Klassen-Medizin“ gab, blieb zunächst offen. Der geschäftsführende Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach verließen die CDU-Zentrale nach gut zwei Stunden ohne Kommentar.

Weiteres Geplänkel zwischen Stegner und Dobrindt

Die drei Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD) hatten zu Beginn der Endphase der Verhandlungen betont, sie rechneten mit schwierigen Verhandlungen.

SPD-Vize Ralf Stegner und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt lieferten sich erneut ein verbales Geplänkel zur Migration. Stegner sagte mit Blick auf die CSU, die darauf beharrt, der Kompromiss beim Flüchtlingszuzug sei de facto eine Obergrenze: „Wie die CSU in ihre eigenen Reihen kommuniziert, ist uns vollkommen wurscht. Ob die das Weißwurstlinie, Obergrenze oder Anti-Flüchtlingswall nennen.“ Dobrindt sagte bei seinem Eintreffen über Stegner: „Mit diesem Kollegen beschäftige ich mich erst wieder am unsinnigen Donnerstag. Das scheint mir der geeignete Tag dafür zu sein.“ (dpa, Reuters)

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