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Klimaforscher Johan Rockström: „Der Klimawandel verstärkt die Gefahr von Konflikten“

Gerade in Afrika zeigen sich die Folgen des Klimawandels. Johan Rockström über Wasserknappheit, Migration und den Wandel der Sicherheitspolitik. Ein Interview.


Johan Rockström ist seit 2018 neben Ottmar Edenhofer einer der Direktoren des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und Professor für Erdsystemforschung an der Universität Potsdam.

Herr Rockström, die Erderwärmung und ihre Folgen sind in Afrika bereits heute stärker zu spüren als in anderen Regionen der Welt. Auf welche Entwicklungen muss sich der Kontinent einstellen?
Durch den Klimawandel werden extreme Wetterereignisse in Afrika erheblich zunehmen. Das Besondere aber ist: Der Klimawandel trifft hier die besonders gefährdeten Gruppen. In Afrika beobachten wir den größten Anteil instabiler Gesellschaften, deren Wirtschaft grundlegend auf Landwirtschaft basiert. Wir reden hier überwiegend von Kleinbauern, deren Felder von Regen gespeist werden und die sich in Regionen mit starker Wasserknappheit befinden. Nun kommt der Klimawandel dazu. Mit seinen Dürren, Hitzewellen, Starkregenereignissen und Überschwemmungen. Der Klimawandel trifft hier die Schwächsten. Das muss Sorge bereiten.

Welche Regionen wird es am härtesten treffen?
Ich denke an das südliche Afrika, wo die Niederschläge bereits bei einer Erwärmung um 2 Grad, die bereits 2050 erreicht sein könnte, um circa zehn Prozent oder mehr abnehmen dürften. Das ist eine äußerst dramatische Entwicklung, weil es eine enorme Bedrohung für Ernährungssicherheit und die soziale Stabilität darstellt. Auch in Ostafrika, Kenia, Äthiopien, Tansania und dem Sudan sehen wir einen besorgniserregenden Trend zu mehr Dürre. Weniger gewiss ist dagegen die Entwicklung in Westafrika. Die Regenmengen hängen stark vom Ozean- und dem Monsunsystem ab, aber auch vom Zustand der guineischen Regenwälder entlang der westafrikanischen Küste und den Savannensystemen nördlich der Küstenregionen.

Zwei Jungen vom Volk der Turkana laufen über ausgetrockneten Boden in der Nähe ihres Dorfes Gakong in Kenia.
Zwei Jungen vom Volk der Turkana laufen über ausgetrockneten Boden in der Nähe ihres Dorfes Gakong in Kenia.
© DPA/EPA/Stephen Morrison

Die Bevölkerung wird weiter wachsen, während 70 Prozent des benötigten Wassers in die Nahrungsproduktion gehen. Sind Engpässe da nicht vorprogrammiert?
Die Herausforderungen werden gewaltig sein. Wir sprechen nicht nur über den trockensten Kontinent der Erde. Das Bevölkerungswachstum ist hier am schnellsten und wird noch jahrzehntelang anhalten. Während heute etwa 1,3 Milliarden Menschen in Afrika leben, könnten es bis zur Stabilisierung der Bevölkerung drei Milliarden sein. Unsere Studien zeigen zwar, dass man mit den richtigen Investitionen, der richtigen Bewässerung und Wasserwirtschaft erheblich mehr Menschen ernähren könne, als derzeit auf dem Kontinent leben. Doch der Klimawandel könnte diese Anstrengungen untergraben.

Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.
Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.
© Karkow/PIK

Wie denn?
Ein Bespiel: In den vergangenen Jahren war Ostafrika von der größten Wüstenheuschreckeninvasion der vergangenen Jahrzehnte betroffen. Sie traf stabile Staaten ebenso wie instabile, wie Somalia oder Äthopien. Wir erleben Situationen, in der Ernährungsunsicherheit und Wasserknappheit dazu beitragen, Vertreibung und Migration zu befeuern. Es ist eine sehr ungünstige Mischung von Störungen, die gleichzeitig auftreten und die die Stabilität der Gesellschaften in Afrika bedrohen.

Führt der Klimawandel also dazu, dass mehr Menschen auf der Flucht sind und Konflikte sich verschärfen?
Mit Blick auf bisherige Untersuchungen lässt sich nicht eindeutig nachweisen, dass Klimawandel Konflikte verursacht oder zur Vertreibung führt. Aber wir wissen, dass er Bedrohungen verstärkt, die Gefahr von Konflikten vermehrt und soziale Unruhen noch verschlimmert. Das Risiko, dass es zu Fluchtbewegungen kommt und bestehende Konflikte sich verschärfen, steigt. Viele der sozialen Instabilitäten weisen die gleiche Ereigniskette auf: Der Klimawandel verschärft Wasserknappheit, das hat Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrung, Gesellschaft werden instabiler, Gemeinschaften müssen umsiedeln.

Wo lässt sich das beobachten?
Es gibt viele Beispiele: Sudan, Mali, Tschad, Syrien. In den Ländern des Arabischen Frühlings in Nordafrika herrschten vor den Aufständen Dürren und Wasserknappheit. In Russland kam es zu dieser Zeit zu schweren Waldbränden, die die Landwirtschaft schwer trafen und zu einem russischen Exportverbot für Weizen führten. Schreckliche Dürreperioden in Australien sorgten auch dort dafür, dass Lebensmittelexporte eingestellt wurden. Auf dem Weltmarkt führte das nicht nur zu einem Mangel an Nahrungsmitteln, auch die Preise stiegen, vor allem für Weizen. Das wiederum wirkte sich auf den Brotpreis in Städten wie Kairo und Tunis aus.

Der Klimawandel verschärft mit steigenden Temperaturen, mehr Extremwetterlagen und veränderten Regenfällen die Hungerkrise in Afrika und vertreibt Menschen aus ihrer Heimat.
Der Klimawandel verschärft mit steigenden Temperaturen, mehr Extremwetterlagen und veränderten Regenfällen die Hungerkrise in Afrika und vertreibt Menschen aus ihrer Heimat.
© Ahmed Mostafa El Sheikh/dpa

Und auch wenn man solche Aussagen mit großer Vorsicht treffen muss: Das hat womöglich die Wut der Menschen verstärkt. Auch in Syrien herrschte in den Jahren vor dem Ausbruch des Krieges eine schwere Dürre. Die Landbevölkerung wurde in erheblichem Umfang in Städte wie Aleppo verdrängt, das hat das Land weiter destabilisiert. Auch wenn man Dürre und Binnenmigration nicht für den schrecklichen Krieg verantwortlich machen kann, so lassen sich all diese Ereignisse doch nicht entkoppeln.

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Wenn der Klimawandel Konflikte verschärft oder wahrscheinlicher macht, wie kann eine politische Antwort darauf aussehen?
Sie besteht aus drei Komponenten. Wir müssen erstens das fossile Zeitalter so schnell wie möglich beenden. Der Klimawandel ist ein Sicherheitsrisiko. Für die Menschheit kann das sehr kostspielig werden. Wir sollten uns also bemühen, schneller als geplant zu einer kohlestofffreien Lebens- und Wirtschaftsweise zu kommen, als Strategie zur Risikominimierung.

Millionen Menschen in Afrika leiden Hunger. Der Klimawandel könnte zum entscheidenden Treiber von Flucht und Konflikten werden.
Millionen Menschen in Afrika leiden Hunger. Der Klimawandel könnte zum entscheidenden Treiber von Flucht und Konflikten werden.
© AFP/Albert Gonzalez Farran

Zweitens muss der Klimawandel in der Sicherheitspolitik auf die gleiche Stufe gestellt werden wie das Risiko eines Atomkriegs oder bewaffneter Konflikte. Die Verteidigungsstreitkräfte, die Nato, alle großen Sicherheitsinstitutionen benötigen Satelliten und tägliche Updates, die sich Stunde für Stunde mit den Risiken großer Eruptionen aufgrund des Klimawandels, der Wasserknappheit und der Ernährungsunsicherheit befassen, ebenso intensiv wie mit Nordkorea und seinen Atomtests.

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Und drittens?
Länder wie Deutschland und auch die Europäische Union sollten Investitionen in die Stärkung der Resilienz in Afrika drastisch erhöhen. Wir müssen gefährdeten Gemeinschaften helfen, dass sie ihre Heimat nicht verlassen müssen, wenn es dort wegen der Dürren auch schwierigere Bedingungen für die Nahrungsmittelproduktion gibt. Es gibt technische Lösungen: Wir wissen beispielsweise, wie man Wasser speichert und es effizienter nutzt.

In Äthiopien führt der Bau der Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre zu massiven Spannungen mit Ägypten und dem Sudan, die um ihre Wasserversorgung fürchten. Werden auch militärische Konflikte wahrscheinlicher?
Es gibt einen bekannten Wissenschaftler namens Aaron Wolf an der Oregon State University, der 50 Jahre Konflikt um Wasser kartiert hat. Seine Schlussfolgerung ist, dass es zwar häufig Spannungen zwischen Ländern gibt, diese aber bemerkenswerterweise selten oder nie zu Krieg geführt haben. Ich bin ehrlich gesagt inzwischen besorgter als er – egal ob es um den Staudamm geht oder um die geopolitisch schwierige Situation rund um den Tschad-See.

Ich fürchte, dass sich in diesen Regionen Spannungen nicht nur aufgrund des Klimawandels verschärfen, sondern auch wegen der steigenden Bevölkerungszahl und der zunehmenden Ressourcenknappheit. Noch können wir es nicht klar belegen, aber es ist möglich, dass das Risiko von bewaffneten Konflikten steigt.

Im Rahmen eines Rechercheprojekts legt der Tagesspiegel besonderes Augenmerk auf Initiativen in Afrika, mit denen der Klimawandel bekämpft werden soll und spricht auch mit Experten. Dieses Projekt wird vom European Journalism Centre im Rahmen des European Development Journalism Grants Programms finanziert. Unterstützt wird dieses Programm von der Bill & Melinda Gates Stiftung.

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