UN-Mission in Mali: Wie der Klimawandel den Extremismus in Mali stärkt
Die UN-Friedenssicherung in Mali gilt als gefährlichster Einsatz der Bundeswehr. Experten warnen vor den Auswirkungen des Klimawandels auf die Stabilität und die Mission.
Wer den Erfolg der Friedensmission in Mali im Blick hat, den Blauhelmeinsatz mit 13.000 Soldaten, rund 900 aus Deutschland, wird zuletzt öfters aufgehorcht haben. Nicht nur bei Angriffen wie Ende Juni, also ein Selbstmordattentäter 180 Kilometer nordöstlich von Gao seine Autobombe vor einer Patrouille zündete und insgesamt 13 UN-Soldaten verletzte, darunter zwölf Deutsche. Offizielle werden auch die Analysen gesehen haben, die die Zukunft der Region in keinem guten Licht erscheinen lassen – und gerade die Rolle des Klimawandels hervorheben.
„Die klimabedingten Sicherheitsrisiken in diesen Regionen sind besonders offensichtlich und stellen die Sicherheit der EU vor Herausforderungen”, hieß es zuletzt in einer vom Europäischen Parlament in Auftrag gegebenen Analyse unter anderem über die Sahelzone und das Horn von Afrika. Vor allem Konfliktausbrüche und unkontrollierte Migration könnten die Beziehungen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten hinsichtlich des Flüchtlingsmanagements weiter belasten. Nun sei es notwendig, die Auswirkungen des Klimas auf der Mikroebene zu verstehen, die sozialen, politischen, institutionellen und ökonomischen Faktoren.
Wasserknappheit, Extremwetterereignisse wie Dürren oder Starkregen, ein härter werdender Wettkampf um Land – die Auswirkungen des Klimawandels sind längst spürbar. Gerade in der Sahelzone bilden sich Wüsten, die Bauern und Viehzüchter immer mehr konkurrieren lassen. Die Verbreitung von Kleinwaffen und leichten Waffen ist sogar ein charakteristisches Merkmal dieser Zusammenstöße geworden, hieß es im Juni im World Climate and Security Report. Wenn es Probleme um Land und Wasser gibt, werden Probleme eben allzu oft mit Gewalt gelöst. Und das Bevölkerungswachstum wird die Knappheiten weiter zunehmen lassen. Es ist ein perfekter Nährboden für Extremisten, die innerhalb der armen Bevölkerung rekrutieren.
Experten sprechen von katastrophaler Bilanz der UN-Mission
Deutsche Politiker werden dabei vor allem an Mali denken, wo deutsche Soldaten seit Jahren stationiert sind. Erst vor wenigen Tagen wurde das Camp der EU-Ausbildungsmission EUTM beschossen. Der mittlerweile größte Auslandseinsatz der Bundeswehr gilt auch als der schwierigste: Die UN-Mission „Minusma“ wurde vor acht Jahren geschaffen, um das instabile Land zu beruhigen. Experten sprechen ihr eine katastrophale Bilanz aus. Seit ihrem Start verzeichnete die Mission mehr als mehr als 250 Todesopfer.
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Noch Anfang 2013 konnte der Vormarsch islamistischer Terroristen auf die Hauptstadt Bamako nur durch einen französischen Kampfeinsatz gestoppt werden. Das 19-Millionen-Einwohner-Land ist gezeichnet von dschihadistisch motivierter Gewalt, längst greift sie auf Nachbarstaaten über. Binnen eines Jahres gab es zwei Militärputsche. Doch trotz aller Gewalt verweisen Analysten auch auf die Einflüsse des Klimawandels.
SIPRI: Langfristige Stabilisierung braucht Integration von Klimawandelaspekten
Forscher des renommierten Stockholm International Peace Research Institute (Sipri) etwa haben vor kurzem untersucht, welchen Einfluss der Klimawandel auf UN-Friedensmission in Mali hat. Ihr Ergebnis aus 50 Interviews mit Experten und lokalen Minusma-Mitarbeitern: Extremismus, Konflikte und Gewalt sind eine Folge des Klimawandels oder werden durch diesen verstärkt. Der Klimawandel und die schwache Regierungsführung untergraben die Sicherheit vor Ort. Doch die Friedensmission hat demnach nicht einmal die Kapazitäten, mit den Auswirkungen des Klimawandels umzugehen.
Auch das UN-Mandat ist schlicht nicht konkret genug formuliert. „Eine langfristige Stabilisierung des Landes wird ohne eine Integration von Klimawandelaspekten nicht möglich sein“, sagte Florian Krampe, Sipri-Forscher und Co-Autor der Analyse, dem Tagesspiegel.
Krampe sieht eine Doppelbelastung durch Konfliktdynamik und Klimawandeleinflüsse. Letztere kämen im UN-Einsatz zu kurz: „Es fehlt eine wichtige Komponente, deren Kräfte zusätzlich Druck auf die Mission ausüben.“ Doch derzeit lasse man wichtige Komponenten außer Acht und bekämpfe oft nur Symptome, nicht aber die komplexen Ursachen des Konflikts. Krampe und seine Kollegen schlagen vor, in der Mission einen Sicherheitsberater für Umweltfragen zu ernennen und lokale Trainings für Klimasicherheitsanalysen und Reaktionen auf Klimaereignisse anzubieten.
80 Prozent des UN-Personals aus Friedensmissionen in Klima-Hotspots
Offenkundig sind allerdings die drängenderen politischen Realitäten. UN-Generalsekretär António Guterres sprach vor wenigen Tagen von „immer komplexer werdenden Herausforderungen“, forderte eine deutliche Aufstockung der Blauhelm-Mission, tausende Soldaten zusätzlich, um der zunehmenden terroristischen Bedrohung zu begegnen. „Der Auftrag müsste eigentlich umfangreicher sein und die Klimasicherheit verstärkt im Blick haben“, sagt Krampe. Zu denken sei an die Einbindung lokaler Akteure, um Landnutzungskonflikte zu deeskalieren, die Etablierung von Frühwarnsystemen für Extremwetterereignisse oder selbst klassische Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel wie den Aufbau von Wäldern.
Die Umsetzung derartiger Maßnahmen wären wohl nicht nur in Mali eine Entlastung. Die EU-Parlamentarier konnten in ihrer Analyse von Juni lesen, dass klimabedingte Katastrophen auch die Kapazitäten nehmen, militärische Kräfte auf gewalttätigen Extremismus zu lenken. Und für Sipri-Forscher Krampe sind die Ergebnisse der Studie sogar relevant für alle UN-Friedens- und Stabilisierungsmissionen. Immerhin sind 80 Prozent des UN-Personals in Friedensmissionen bereits in Klimahotspots eingesetzt.