Frankreichs Regierungschef Valls: Der Kandidat im Wartestand
Seit einer umstrittenen Buchveröffentlichung ist Frankreichs Präsident François Hollande auch bei vielen Sozialisten unten durch. Regierungschef Manuel Valls hält sich schon für eine mögliche Präsidentschaftskandidatur bereit.
Das politische Magazin „L’Express“ bezeichnete ihn einst in einer Titelgeschichte als „Bulldozer“. Seinen Ruf als durchsetzungsfähiger Premierminister verdankt der Franzose Manuel Valls vor allem seinem unnachgiebigen Kurs gegenüber den Parteilinken. Doch in den nächsten Wochen hat der Sozialist Valls eine Mission vor sich, die nicht so sehr Bulldozer-Qualitäten erfordert, sondern Fingerspitzengefühl: Er bringt sich in Stellung als aussichtsreichster Kandidat seiner Partei für die Präsidentschaftswahl im kommenden Frühjahr.
Anfang Dezember will Hollande erklären, ob er wieder antritt
In Frankreich spielt sich bei den Sozialisten derzeit ein Drama ab, bei dem Anfang Dezember ein Kapitel entweder beendet oder fortgesetzt werden soll. Dann will Präsident François Hollande erklären, ob er im kommenden Jahr noch einmal antritt. Solange Hollande seine eigene politische Zukunft offen lässt, halten sich mögliche Präsidentschaftskandidaten aus dem eigenen Lager weitgehend bedeckt. Aber der 54-jährige Valls lässt inzwischen keinen Zweifel mehr daran, dass er gerne im kommenden Monat den Staffelstab von Hollande übernehmen und ins Präsidentschaftsrennen gehen würde.
Der Staatschef hat sich selbst demontiert
Hollande ist nicht nur der unpopulärste Staatschef in der Geschichte der Fünften Republik, sondern auch ein Amtsinhaber, der sich selbst in nie gekannter Art demontiert hat. Entgeistert mussten Hollandes Parteikollegen in dem Buch „Un président ne devrait pas dire ça“ („Ein Präsident sollte so etwas nicht sagen“) nachlesen, wie der Präsident im Gespräch mit zwei Journalisten über alle herzog – angefangen von Frankreichs Justiz bis zu Fußballern der Equipe Tricolore, die nach Ansicht des Staatschefs „Muskeltraining für ihr Gehirn brauchen“. Zu den schärfsten Kritikern der Buchveröffentlichung gehörte Valls, den Hollande seinerzeit im März 2014 vom Innenminister zum Regierungschef befördert hatte. Die sozialistischen Parteimitglieder schämten sich angesichts des Hollande-Buchs, ließ Valls seinen Chef wissen.
Verteidigungsminister Le Drian plädiert für Valls - falls Hollande nicht antritt
Seit er sich vom Staatschef distanziert hat, wächst die Schar seiner Unterstützer in der Partei. Finanzminister Michel Sapin und der Chef des Verteidigungsressorts, Jean-Yves Le Drian, haben bereits erklärt, dass Valls der geborene Kandidat der Linken wäre, sollte Hollande nicht mehr antreten. Der Sozialliberale Valls hält sich derweil für den Fall der Fälle bereit. Die kommenden vier Wochen werden nach seinen Worten „entscheidend für die Linke und die Regierung“.