Putin und Merkel: Hart auf hart
Mit seltener Deutlichkeit haben Kanzlerin Merkel und Frankreichs Staatschef Hollande Russlands Vorgehen in Syrien kritisiert. Die Frustration beim Umgang mit Wladimir Putin war nach dem Treffen in Berlin anzumerken.
Als Angela Merkel und François Hollande in der Nacht zum Donnerstag gegen 1 Uhr im Kanzleramt zur Pressekonferenz schritten, da begann ein Auftritt, der etwas anders war als sonst. Man ist es ja von der Kanzlerin und dem französischen Präsidenten gewohnt, dass sie bei gemeinsamen Statements in der Berliner Regierungszentrale in nüchternem Ton über Dinge wie Europas Wettbewerbsfähigkeit bei der Digitalisierung oder – was schon einen dramatischeren Anstrich hat – die Zukunft der EU nach dem britischen Referendum sprechen. Aber diesmal war Merkel und Hollande die Frustration angesichts eines Politikers anzumerken, der sich nur begrenzt in diplomatische Absprachen einbinden lässt: Wladimir Putin.
Merkel redete das Treffen mit Putin gar nicht erst schön
So bemühte sich auch Merkel gar nicht erst, den Verlauf des Treffens mit dem russischen Präsidenten schönzureden, der kurz zuvor das Kanzleramt wieder verlassen hatte. Es habe „eine sehr klare und auch sehr harte Aussprache“ mit Putin über die Angriffe der russischen und syrischen Luftwaffe in Aleppo gegeben, sagte die Kanzlerin. Eineinhalb Stunden lang hatten Merkel, Hollande und Putin zuvor über die Lage in Syrien diskutiert. Dies war der zweite Teil der Unterredungen im Kanzleramt direkt im Anschluss an die Ukraine-Gespräche gewesen.
Vor gut drei Wochen hat die syrische Luftwaffe mit Unterstützung russischer Kampfjets mit einer Bombardierung der syrischen Stadt Aleppo begonnen. Im Ostteil der Stadt sind Regimegegner eingeschlossen, aber unter den Bombardierungen leidet vor allem die Zivilbevölkerung. Merkel sagte, die Bombardierungen seien für die syrische Zivilbevölkerung „ein grausames Erlebnis“ und „unmenschlich“. Hollande wurde noch deutlicher. „Was gerade in Aleppo passiert, ist ein Kriegsverbrechen. Ein echtes Kriegsverbrechen“, sagte er.
An den klaren Worten Merkels und Hollandes änderte auch die Tatsache nichts, dass Russland und Syrien am vergangenen Dienstag die Bombardierung von Aleppo vorübergehend eingestellt haben. Am Donnerstag trat dann eine Feuerpause für Aleppo in Kraft, die Russland und Syrien zunächst für elf Stunden einseitig verkündet hatten. Die vorübergehende Waffenruhe soll dazu dienen, dass Zivilisten Aleppo verlassen und humanitäre Hilfsgüter in die Stadt gebracht werden können. „Ein paar Stunden Waffenstillstand, das reicht nicht, das macht überhaupt keinen Sinn“, kritisierte Hollande. Er forderte, die Feuerpause zu verlängern, damit die Hilfsgüter tatsächlich zu den eingeschlossenen Menschen in Aleppo gelangen könnten.
Putin schließt eine Verlängerung der Feuerpause nicht aus
Putin erklärte seinerseits im Anschluss an das Gespräch mit Merkel und Hollande bei einer gesonderten Pressekonferenz, er habe die „Absicht“, die bereits am Dienstag eingestellten Luftschläge der russischen Luftwaffe so lange wie möglich auszusetzen. Wie lange die Bombardierungen eingestellt würden, hänge von der Lage am Boden in Aleppo ab, erklärte Russlands Staatschef. Nach Angaben des UN-Büros für humanitäre Hilfe will Russland die Feuerpause in Aleppo inzwischen bis Samstag einhalten.
Weiter Schusswechsel in Aleppo
Allerdings sah es am Donnerstag zunächst nicht danach aus, als würde die kurzfristige Feuerpause am Boden in Aleppo eingehalten. Es kam zu Schusswechseln zwischen den Rebellen und Soldaten des syrischen Regimes. In der Nähe der von den Rebellen gehaltenen Stadtviertel war Artilleriefeuer zu hören. Dennoch äußerte Jan Egeland, der UN-Beauftragte für Nothilfe in Syrien, die Hoffnung, dass ab diesem Freitag Verletzte mit der Hilfe der Vereinten Nationen den Ostteil Aleppos verlassen könnten.
In Berlin hatte Hollande zuvor erklärt, es gebe durchaus einen Unterschied zwischen gemäßigten Rebellen und extremistischen Gruppen wie der Al-Nusra. Das Vorgehen des syrischen Regimes und Russlands gegen die Extremisten darf sich aber aus der Sicht Hollandes und Merkels nicht gegen die Zivilbevölkerung richten. Die Terrorbekämpfung rechtfertige es nicht, dass man sich um die rund 300.000 in Aleppo eingeschlossenen Menschen nicht mehr kümmere, kritisierte die Kanzlerin.
EU droht mit Sanktionen
Heute wollen Merkel und Hollande ihre EU-Partner beim Gipfel in Brüssel über ihr Gespräch mit Putin informieren. Nach den Worten von Merkel ist es richtig, dass die Möglichkeit, Sanktionen gegen Russland wegen des Vorgehens in Syrien zu verhängen, auf dem Tisch bleibt. „Man kann sich der Option nicht berauben“, sagte die Kanzlerin. So sehen es offenbar auch die EU-Partner Hollandes und Merkels: Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur AFP enthält die jüngste Fassung der Gipfelerklärung nun den Satz: „Die EU zieht alle Optionen in Betracht, einschließlich Sanktionen gegen Personen oder Organisationen, die das Regime unterstützen, sollten die Gräueltaten andauern.“