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Das Pariser Klimaabkommen soll die globale Erwärmung "weit unter zwei Grad" im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung halten.
© ESA/picture-alliance / dpa

Petersberger Klimadialog in Berlin: Der große Klimapoker

In Berlin treffen sich heute und morgen Umweltminister aus aller Welt. Nach dem Pariser Abkommen ergreifen die USA und China die Initiative. Warum spielt die EU derzeit keine Rolle bei der Umsetzung?

Am Montag und Dienstag treffen sich rund 35 Umweltminister aus aller Welt in Berlin zum siebten Petersberger Dialog. Nach dem katastrophalen Klimagipfel in Kopenhagen 2009 hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) 2010 erstmals zu diesem Ideenaustausch eingeladen. Inzwischen ist das Treffen auf der halben Strecke bis zum nächsten Klimagipfel im Winter in Marokko etabliert. Gemeinsam mit der Gipfelpräsidentin, der marokkanischen Außenministerin Salaheddine Mezouar, lädt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) zum Gedankenaustausch über die Umsetzung des in Paris beschlossenen Klimaabkommens ein.

Wo steht die internationale Klimapolitik nach dem Pariser Klimagipfel?

178 Staaten haben das Pariser Klimaabkommen inzwischen unterzeichnet. Am 22. April hat Barbara Hendricks bei einer Zeichnungszeremonie am Sitz der Vereinten Nationen (UN) in New York für Deutschland unterschrieben. 19 Staaten haben bis zum 29. Juni auch ihre Ratifizierungsdokumente bei den UN hinterlegt. Vor allem kleine Staaten, die von den Folgen des Klimawandels stark betroffen sind, haben sich dem Abkommen bereits rechtsgültig verpflichtet. Die karibischen und pazifischen Inselstaaten gehören dazu, ebenso wie Somalia und Palästina. Das einzige Industrieland, das das Pariser Abkommen bereits ratifiziert hat, ist Norwegen, das seine Unterlagen am 20. Juni hinterlegt hat. Diese 19 Staaten haben einen Anteil an den weltweiten Treibhausgasemissionen von 0,18 Prozent. Wenn mindestens 55 Staaten mit einem Emissionsanteil von mindestens 55 Prozent das Abkommen ratifiziert haben, tritt es 30 Tage später in Kraft.

Wie steht es um die Umsetzung bei den großen Industriestaaten und China?

Der amerikanische Präsident Barack Obama nutzt den Rest seiner Amtszeit konsequent, um die Umsetzung des Pariser Abkommens zu befördern. Ende März kündigte Obama mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping an, am 22. April das Pariser Klimaabkommen zu unterzeichnen, was die beiden größten Treibhausgasemittenten dann auch taten.

Ende Juni verpflichtete Obama die USA gemeinsam mit Kanada und Mexiko erneut zu mehr Klimaschutz. Zusammen mit Kanadas Premierminister Justin Trudeau und Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto kündigte Obama an, bis 2025 die Hälfte des nordamerikanischen Stroms aus sauberen Quellen zu beziehen. Alle drei Staaten wollen dann mindestens 50 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien oder Atomkraft produzieren. Das sind übrigens fünf Prozentpunkte mehr als das deutsche Ziel für den Ausbau erneuerbarer Energien bis 2025.

Kanada steht dabei jetzt schon gut da, weil das Land schon heute 65 Prozent seines Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt. Mit mehreren neuen Stromleitungen in die USA soll künftig aber auch sauberer kanadischer Strom ins Nachbarland verkauft werden können. Die gemeinsame Erklärung der drei Präsidenten enthält eine Vielzahl von Zusagen für einen effizienteren Energieverbrauch und Fördersysteme für den Ausbau erneuerbarer Energien.

Besonders bedeutsam ist aber die Ankündigung, bis 2025 auch die Methan-Emissionen aus der Öl- und Gas-Industrie in Kanada, den USA und Mexiko um 40 bis 45 Prozent zu senken. Kanada hat zwar unter dem Eindruck des abstürzenden Ölpreises seine besonders schmutzige Ölförderung aus Ölsanden nicht mehr ausgeweitet. Doch die Ölindustrie ist Kanadas größtes Klimaproblem. Auch die mexikanische Öl- und Gasförderung hat da noch nachzuarbeiten. In den USA hat die Umweltbehörde EPA bereits im Mai Vorgaben für den Methanausstoß der Öl- und Gasindustrie gemacht. Bisher gelten diese nur für neue Öl- und Gasbohrungen. Allerdings will die EPA nun auch für bestehende Förderanlagen strengere Grenzwerte erarbeiten.

Nach der Finanzkrise 2008 hatte die Obama-Regierung die neu entstehende Schieferöl- und Schiefergasindustrie von nahezu sämtlichen Umweltauflagen freigestellt. Seit einigen Jahren bemüht sich die Regierung aber, auch diese Industrie zur Einhaltung der Gesetze zu bewegen.

Dass die Methan-Frage von hoher Relevanz ist, hat der Karlsruher Forscher Ralf Sussmann vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) im März beschrieben. Er ging der Frage nach, warum die Konzentration von Methan in der Atmosphäre seit 2007 wieder wächst, nachdem sie jahrelang stagniert hatte.

In der Fachzeitschrift „Atmospheric Chemistry and Physics“ berichtete Sussmann über Methanmessungen auf der Zugspitze. Etwa 40 Prozent des dort gemessenen Methans stammt demnach aus der Öl- und Gasindustrie auf der Nordhalbkugel. „Bei biogenen Methanquellen fällt Ethan nicht an“, schreibt Petra Hausmann aus Sussmanns Team. Das gemessene Ethan zeigt den Forschern an, dass das gleichzeitig gemessene Methan aus der Öl- und Gasindustrie stammt.

Nach Berechnungen eines amerikanischen Forscherteams ist der Methan- Ausstoß der USA zwischen 2002 und 2014 um 30 Prozent gewachsen. Die EPA berichtet dagegen relativ konstante Methanemissionen aus den USA. Die Abweichung ergibt sich aus der Methode: Bei realen Messungen sind die Werte höher als bei den von der EPA verwendeten Hochrechnungsverfahren. Auf der Südhalbkugel in Neuseeland arbeitet ein weiteres Forscherteam an der gleichen Frage und hat ermittelt, dass die starke Zunahme der Methan-Konzentration in der Atmosphäre dagegen biogen ist, also aus der Tierhaltung, Feuchtgebieten und dem auftauenden Permafrost entweicht.

Wo steht die europäische Klimapolitik?

Beim Pariser Klimagipfel gehörte die europäische Verhandlungsdelegation zu den wichtigsten Antreibern für einen ehrgeizigen Abschluss. EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete und die damalige Ratsvorsitzende und luxemburgische Umweltministerin Carole Dieschbourg gehörten ebenso zur „Koalition der Ehrgeizigen“ wie Barbara Hendricks und der damalige Umweltminister der Marshall Inseln , Tony de Brum. Seither ist die europäische Klimapolitik jedoch in eine Art Koma gefallen. Und dass die Briten sich vor einer guten Woche zum Brexit entschieden haben, hilft der Umsetzung des Pariser Abkommens auch nicht.

Schon das Klimapaket 2030, das der Europäische Rat bereits im Oktober 2014 beschlossen hatte, war wenig ehrgeizig. Um 40 Prozent will die EU ihren Treibhausgasausstoß bis dahin im Vergleich zu 1990 senken. Die einzige Festlegung bisher ist, dass diese Minderung innerhalb der EU erbracht werden soll – und nicht Emissionszertifikate aus dem Ausland gekauft werden dürfen, um das Ziel zu erreichen. Schon jetzt liegt die EU bei gut 27 Prozent unterhalb der Emissionen von 1990.

Dennoch fällt es der EU nun schwer, ihre Zusage zu erfüllen. Ein Grund ist die bisherige Verweigerungshaltung vor allem der osteuropäischen Mitgliedsstaaten. In Polen ist die nahezu einzige Säule der Stromversorgung die Kohle – und die neue konservative Regierung will daran auch nichts ändern. Und mit Großbritannien verlässt das Land die EU, das neben Deutschland den höchsten Minderungsbeitrag bei den Treibhausgasen erbracht hat. Die sogenannte Lastenteilung, die eigentlich noch in diesem Sommer hätte entschieden werden sollen, dürfte Brexit-bedingt eher zum Jahresende vorliegen.

Wie weit ist der deutsche Plan?

Der Klimaschutzplan 2050 liegt derzeit im Kanzleramt und wird wohl im Herbst ins Kabinett gehen. Schon vor der eigentlichen Ressortabstimmung sind Festlegungen auf einen Zeitplan für den deutschen Kohleausstieg aus dem Plan gestrichen worden. Die grüne Klimapolitikerin Annalena Baerbock brachte das auf die Formel, ein „Klimaschutzplan ohne Kohleausstieg ist wie Blumengießen ohne Wasser“. Der andere große Streitpunkt sind die Verkehrsemissionen, die sich in Deutschland seit 1990 nicht nach unten bewegt haben. Die Umweltverbände rufen bereits nach der Klimakanzlerin Merkel, während die Industrie mit Blick auf ihre Wettbewerbsfähigkeit vor zu viel Ambition warnt.

Was bedeutet das für das Klima?

Der Klimaforscher Professor Niklas Höhne hat gerade eine Studie vorgelegt, die zu dem Schluss kommt, dass die Staaten schnell ihre Klimaambition anheben müssen. Die in Paris vorgelegten nationalen Zusagen würden zu einer globalen Erwärmung von 2,6 bis 3,1 Grad bis Ende des Jahrhunderts führen, schreibt die Forschergruppe um Höhen im Fachjournal „Nature“. Das Pariser Abkommen verlangt, „weit unter zwei Grad“ zu bleiben und möglichst einen Temperaturanstieg um 1,5 Grad anzustreben. Schon 2030 wäre das „Kohlenstoffbudget, das für zwei Grad noch zur Verfügung steht“, fast vollständig aufgebraucht, schreibt Höhne, für 1,5 Grad wäre es 2030 bereits überzogen. Höhne rät deshalb dazu, schon jetzt darüber zu reden, wie die Klimaambition schnell steigen kann.

Dagmar Dehmer

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