Ringen um Europas Corona-Fonds: Der Geizigste unter den „sparsamen Vier“
Der niederländische Regierungschef Mark Rutte tritt bei den EU-Verhandlungen ums Geld besonders hart auf. Das hat vor allem innenpolitische Gründe.
Wenn es um die Frage geht, ob es beim Sondergipfel der EU am Ende der kommenden Woche einen Durchbruch gibt oder nicht, dann richten sich alle Augen auf einen Mann: den niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte. Der 53-Jährige ist die Führungsfigur unter den „sparsamen Vier“, von denen es abhängt, ob beim Treffen der Staats- und Regierungschefs am 17. und 18. Juli im Streit um die EU-Finanzen eine Lösung gelingt.
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Welche Rolle Rutte dabei spielt, lässt sich schon an den Besuchern ablesen, die sich in diesen Tagen am Amtssitz des Regierungschefs in Den Haag die Klinke in die Hand geben. Am Freitagabend wird Italiens Regierungschef Giuseppe Conte erwartet, am Montag wollen der spanische Premier Pedro Sánchez und dessen portugiesischer Amtskollege António Costa vorstellig werden.
Die Vertreter der Südländer wollen sicherstellen, dass beim Gipfel Ende der kommenden Woche der Weg frei gemacht wird für Corona-Hilfen, die laut einem Vorschlag der EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen für den geplanten Wiederaufbaufonds ein Volumen von 750 Milliarden Euro haben sollen. Denn es sind von der Pandemie stark betroffene Länder wie Italien und Spanien, die von den Hilfen besonders profitieren werden.
Rutte will ausschließlich Kredite vergeben
Die „sparsamen Vier“ wollen beim Gipfel erreichen, dass die Gelder aus dem Fonds möglichst als Kredite ausgezahlt werden. Zu der Vierer-Gruppe der Regierungschefs zählen neben Rutte der österreichische Kanzler Sebastian Kurz, die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen und deren schwedischer Amtskollege Stefan Löfven. Am härtesten tritt in den Verhandlungen derzeit Rutte auf, der am Donnerstag bei einem Abendessen im Kanzleramt mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über die EU-Finanzen beriet. Nach den Angaben von EU-Diplomaten setzt sich Rutte für eine Lösung ein, die ausschließlich auf Kredite setzt, welche von Ländern wie Italien oder Spanien zurückgezahlt werden müssten.
Wenn Rutte bis zum Ende bei dieser Linie bleibt, wäre der Plan Merkels und des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zunichte gemacht. Das deutsch-französische Duo hatte vorgeschlagen, einen Wiederaufbaufonds mit einem Volumen von 500 Milliarden Euro einzurichten - die allerdings nicht in der Form von Darlehen, sondern ausschließlich als nicht rückzahlbare Zuschüsse fließen sollen.
Im März 2021 stehen Parlamentswahlen in den Niederlanden an
Das harte Auftreten von Rutte beim Ringen um die EU-Milliarden hat nicht zuletzt innenpolitische Gründe. Im März des kommenden Jahres stehen in den Niederlanden Parlamentswahlen an, und dabei möchte Rutte wiedergewählt werden. Mit möglichst harten Reformauflagen für die Südländer bei der Vergabe der Corona-Hilfen will der Ministerpräsident sicherstellen, dass ihm bei der bevorstehenden Wahl die EU-skeptischen Rechtspopulisten Thierry Baudet und Geert Wilders keine Konkurrenz machen.
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Obwohl sich Rutte so vehement dafür einsetzt, die EU-Milliarden ausschließlich in der Form von Krediten auszuzahlen, so gilt es in Brüssel dennoch als ausgemacht, dass das nicht das letzte Wort aus Den Haag ist: „Hier handelt es sich um eine Verhandlungsposition. Die weitere Entwicklung hängt sicher davon ab, was man den Niederländern an einer anderen Stelle bieten kann“, heißt es aus EU-Diplomatenkreisen.
EU-Ratschef Charles Michel will an Rabatten festhalten
Ein Punkt, der dem niederländischen Regierungschef bei den Verhandlungen über den Wiederaufbaufonds und den damit zusammenhängenden Gesprächen über den nächsten Sieben-Jahres-Etat der EU sehr wichtig ist, sind die so genannten Rabatte. Diese Rabatte sorgen bisher dafür, dass sich für die Niederlande, aber auch für Deutschland, Dänemark, Österreich und Schweden die Einzahlungen in die EU-Kasse verringern. Daher war es ganz im Sinne der „sparsamen Vier“ und Deutschlands, dass EU-Ratschef Charles Michel am Freitag vorschlug, die Rabatte auch künftig beizubehalten. Als Angebot in Richtung der Nettozahler war ebenfalls der Vorschlag Michels zu verstehen, das Volumen des Sieben-Jahres-Etats ab 2021 im Vergleich zum bisherigen Ansatz etwas zu verkleinern: Statt der bisher eingeplanten 1,1 Billionen Euro sollen es nach der Vorstellung des EU-Ratschefs künftig 1,074 Billionen Euro sein.
Die EU-Staaten sollen mehr Mitspracherecht erhalten
Michel, in dessen Händen die Vorbereitung des Sondergipfels gemeinsam mit dem deutschen EU-Vorsitz liegt, hatte in den vergangenen Wochen etliche Gespräche mit den Verantwortlichen in den Hauptstädten der EU geführt. Dabei hatten zahlreiche Staats- und Regierungschefs klar gemacht, dass sie auch gerne mitreden wollen, wenn die Gelder aus dem Wiederaufbaufonds für einzelne Mitgliedstaaten freigegeben werden. Michels Vorschlag sieht nun vor, dass die Mittel erst dann fließen können, wenn sich dafür im Rat der Mitgliedstaaten eine qualifizierte Mehrheit findet. Ein Vetorecht für einzelne Staaten, wie es Rutte gefordert hatte, soll es hingegen nach dem Plan von Michel nicht geben.
Nicht gefallen durfte Rutte auch die Tatsache, dass Michel vorschlug, einen großen Teil der Corona-Hilfen in der Form nicht rückzahlbarer Zuschüsse auszuzahlen. Kredite würden hingegen den Schuldenstand in den einzelnen EU-Staaten erhöhen und letztlich auch ein Problem für den Binnenmarkt darstellen, sagte Michel zur Begründung. In den Südländern dürfte man dies gerne gehört haben. Wenn es Ende der kommenden Woche eine Einigung beim EU-Gipfel geben soll, wird schließlich auch ihre Zustimmung benötigt. Und ohne eine einstimmige Entscheidung kann es bei dem bevorstehenden Treffen keine Lösung geben.