Kolumbien: Der Friedensstifter
Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos trieb den Friedensvertrag mit den Farc-Rebellen voran, der heute Nacht unterzeichnet wird. Ein Porträt.
Alle seine Berater hätten ihm abgeraten, Friedensverhandlungen mit der Farc-Guerilla aufzunehmen, gestand Juan Manuel Santos neulich in einem Interview. Doch Kolumbiens Präsident tat, was er für richtig hielt – das Gegenteil. Kolumbien werde nur dann den Sprung ins 21. Jahrhundert schaffen, wenn die Gesellschaft ihre Konflikte nicht mehr gewaltsam austrägt, war die Überzeugung des 65 Jahre alten Ökonomen. Die öffentliche Meinung war gegen ihn, die vielen Nutznießer des Krieges sowieso.
Die zähen Verhandlungen hätten Santos fast die Wiederwahl gekostet und belasteten seine Gesundheit. Es wurde die längste und schwierigste Partie im Leben des begeisterten Pokerspielers. Doch nach fast vier Jahren zäher Verhandlungen war Ende August das Friedensvertragswerk unter Dach und Fach, das am Montag in Anwesenheit von mehr als einem Dutzend Staatsoberhäupter sowie UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in Cartagena unterzeichnet worden ist (nach Redaktionsschluss). Am 2. Oktober lässt Santos auch noch die Bevölkerung darüber abstimmen, denn nur demokratisch legitimiert hat in seinen Augen der Frieden eine Chance.
Santos hat in London und Harvard studiert
„Santos ist der kolumbianischen Realität weit voraus“, sagt die Buchautorin Maria Alejandra Villamizar über ihn: „Er ist ein Politiker der ersten Welt in einem Drittweltland.“ Geboren und aufgewachsen ist er im Schoße einer der reichsten Familien des Landes in der Hauptstadt Bogota. Wegen seines Ehrgeizes und seiner raschen Auffassungsgabe wurde er schon früh für Höheres bestimmt. Nach seiner Ausbildung an der Militärakademie schickte ihn sein Vater an die London School of Economics und nach Harvard. Anschließend kehrte er als Vize-Herausgeber der im Familienbesitz befindlichen, größten Tageszeitung des Landes „El Tiempo“ nach Kolumbien zurück.
Gleichzeitig unterrichtete er Wirtschaftswissenschaften an der Universität de los Andes und zählte nach Auffassung des Weltwirtschaftsforums in Davos zu den 100 wichtigsten Nachwuchskräften der Welt. Zusammen mit dem damaligen britischen Premierminister Tony Blair verfasste er 1999 auch ein Buch über den „Dritten Weg“.
Später wurde er der erste Außenhandelsminister des Landes und schloss mehrere Freihandelsverträge, dann lenkte er das Finanzministerium. 1994 gründete er die Stiftung „Gute Regierung“, um die klientelistische Politik zu modernisieren. Der Öffentlichkeit bekannt wurde er als unerbittlicher Verteidigungsminister unter dem rechtspopulistischen Präsidenten Alvaro Uribe, dem Santos von 2006 bis 2009 diente. In seine Zeit fielen zahlreiche Skandale, darunter die Ermordung von Zivilisten, die von Soldaten als Guerillakämpfer ausgegeben wurden, um dafür Kopfprämien einzustreichen.
Er feiert gerne bis in die Nacht
Mit Santos schien die konservative Kontinuität garantiert, weshalb Uribes Nachfolger-Wahl auf ihn fiel. Problemlos errang Santos 2010 den Sieg bei der Präsidentschaftswahl. Der Bruch mit Uribe kam, als Santos Friedensgespräche ausgerechnet mit der Guerilla begann, die einst Uribes Vater ermordet hatte. Uribes virulente Twitter-Attacken gegen den Frieden seither sind legendär – und treffen den Nerv vieler Kolumbianer, die der Guerilla nicht über den Weg trauen.
Während Santos’ Amtszeit wuchs Kolumbiens Wirtschaft durchschnittlich um fünf Prozent, die Armut sank von 37 auf 30 Prozent. Doch umverteilt wurde vom neuen Wohlstand wenig, Korruption und Vetternwirtschaft blühten, und beim Entschärfen sozialer Konflikte hatte er kein glückliches Händchen. Die Linke hält ihn für einen neoliberalen Privatisierer, unterstützt seinen Friedenskurs aber dennoch.
Privat gilt Kolumbiens Präsident als guter Gastgeber und Unterhalter, der gerne mit seinen Freunden bis tief in die Nacht feiert. In seiner Freizeit spielt der dreifache Familienvater auch Golf. Und beim Pokern gilt er als harter Brocken: Santos sei ein kühl kalkulierender Stratege, bescheinigt ihm sein Schwager Mauricio Rodríguez.
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