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Unter Polizeibeobachtung. Bauern reißen ihre Kokabüsche aus.
© picture alliance / dpa

Kampf gegen Drogen: Kolumbien macht Koka-Bauern Angebote

Kolumbien macht Koka-Bauern neue Angebote, um den Drogenanbau zu bekämpfen. Das Land versucht es nach Jahrzehnten der Repression mit Dialog.

Es ist still geworden um Kolumbien, seit sich der Drogenkrieg nach Mexiko verlagert hat und die dortigen Kartelle um die lukrativen Routen streiten. Doch Kolumbien ist der weltweit größte Kokainproduzent geblieben. Der Grund: Nirgendwo wächst der Kokabusch so gut wie am Osthang der Anden. Weder die militärische Repression der 90er Jahre noch die Förderung alternativer Anbauprodukte haben früher Erfolg gehabt. Teilweise wurde die Produktion stärker in die Nachbarländer Peru und Bolivien ausgelagert. Seit Kurzem jedoch steigt der militärische Druck bei den Nachbarn, vor allem in Peru. Prompt nahm in Kolumbien die Produktion wieder zu. Im Vorjahr stieg sie laut Uno um knapp 50 Prozent auf 442 Tonnen.

Präsident Juan Manuel Santos will es nun mit einer neuen Strategie versuchen: Wer fünf Jahre legale Produkte anbaut, bekommt vom Staat Land geschenkt. Außerdem verzichtet der Staat künftig auf Besprühungen aus der Luft mit dem Pflanzengift Glifosat, das kürzlich von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als möglicherweise krebserregend eingestuft wurde. Es gab auch Kritik, weil im Sprühnebel auch Bananen, Kaffee, Mais und Bohnen vertrockneten. Die neue Strategie ist auch Teil des Friedensabkommens, das die Regierung derzeit mit den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (Farc) aushandelt, um den seit 45 Jahren andauernden Bürgerkrieg zu beenden. Die Farc hat sich mit Drogengeld finanziert. Nach Uruguay, das als erstes lateinamerikanisches Land Marihuana legalisiert hat, entfernt sich auch Kolumbien vom Antidrogenkrieg, den die US-Regierung jahrzehntelang propagierte.

Die Strategie, für die eine eigene Institution geschaffen wird, zielt darauf ab, der Drogenmafia ihre soziale Basis streitig zu machen. Der Bürgerkrieg, die Armut und ein schwacher Staat, der die Bauern auf dem Land weitgehend sich selbst überließ, trieben in den 80er und 90er Jahren Zehntausende in die Arme der Drogenmafia. Der Anbau und Verkauf von Kokablättern und Kokapaste – einer Vorstufe zum Kokain – war in abgelegenen Regionen oft die einzige Möglichkeit des wirtschaftlichen Überlebens. „Es gab keine Zukunft jenseits von Koka“, schilderte der Bauer Beyer Cárdenas der Zeitung „El Tiempo“. „Mit Koka konnten wir in drei Jahren 30 000 Euro verdienen. Und Geld löst alle Probleme. Man kauft davon ein Haus, ein Auto und schickt die Kinder zur Schule.“ Cárdenas besaß drei Hektar. Der Busch hat viele Vorteile: Er ist resistent, liefert zwei bis drei Ernten im Jahr, hat garantierte Abnehmer und null Transportkosten, denn die Interessenten holten die Blätter direkt auf der Finca ab.

Können die legalen Produkte konkurrieren?

Ob die legalen Produkte damit konkurrieren können, ist eines der großen Fragezeichen, die über dem Programm schweben. Kolumbien hat einen Freihandelsvertrag mit den USA geschlossen; einheimische Bauern sind normalerweise nicht wettbewerbsfähig gegenüber Agrarimporten. Heute leben offiziellen Schätzungen zufolge 64 500 Familien vom Kokabusch. Sie bewirtschaften im Durchschnitt nicht mehr als zwei Hektar. Zu wenig, um Kaffee, Kakao oder Zitrusfrüchte dauerhaft rentabel anzubauen. Daran scheiterten in der Vergangenheit viele Programme des freiwilligen Umstiegs. Und an den hohen Kosten für Pestizide, Düngemittel, Transport und Vermarktung. Bei alledem will sich nun der Staat aktiv beteiligen. Santos zufolge sollen Straßen und Bewässerungsanlagen entstehen; Kredite und Schulungen sollen einen weiteren Anreiz bilden.

In das Programm aufgenommen werden nicht wie früher einzelne Familien, sondern ganze Gemeinden, um den sozialen Druck zu erhöhen. Wer nicht freiwillig auf den Kokaanbau verzichtet, dessen Büsche werden von Kontrollbrigaden ausgerissen. Die Sicherheitskräfte sollen außerdem weiterhin Drogenlabore ausheben und Zwischenhändler und Drogenbosse dingfest machen. Damit soll ein Keil zwischen die Zivilbevölkerung und die Mafia getrieben werden. Denn in der Vergangenheit mobilisierte die Mafia oft ganze Landstriche gegen die Regierung.

Der Drogenhandel war Brennstoff des Bürgerkriegs, nicht nur die linke Guerrilla, auch rechte Paramilitärs finanzierten sich damit. Deshalb haben auch die Geberländer Interesse an der neuen Strategie gezeigt und wollen sie finanziell unterstützen. Doch erst auf lange Sicht wird sich weisen, ob die Praxis überzeugt wie die Theorie – das wird davon abhängen, wie effizient die Bürokratie arbeitet. Der Ansatz ist Analysten zufolge aber richtig. Jorge Restrepo vom Zentrum für Konfliktforschung bezeichnet ihn sogar als „revolutionär“. „Erstmals ist der Dialog wichtiger als die Repression.“

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