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"Enge Partner" nennt AfD-Chef Meuthen die FPÖ. 2017 sprachen die Fraktionschefs Weidel und Gauland in Wien mit den FPÖ-Politikern Hofer und Strache über anstehende Wahlen. Heute spricht Gauland von Strache als "Einzelfall" und "österreichisches Problem ... mit dem wir nichts zu tun haben".
© Afd/dpa

Skandal-Video von Ibiza: Der Fall Strache setzt europäische Rechtspopulisten unter Druck

Pro-europäische Parteien hoffen auf Zulauf bei Wahlen zum EU-Parlament - und Zehntausende demonstrieren in ganz Deutschland gegen Nationalismus.

Der Skandal um den inzwischen als Parteichef und Vizekanzler zurückgetretenen FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache bringt andere rechtspopulistische Parteien in Europa unter Druck. Wegen der Verfehlungen ihres österreichischen Bündnispartners drohen ihnen Stimmverluste bei den bevorstehenden Wahlen zum EU-Parlament. Proeuropäische Kräfte hoffen unterdessen darauf, ihre Wähler mit Kampfansagen gegen die Rechtsaußen-Parteien nun noch stärker mobilisieren zu können.

Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte entschiedenen Widerstand gegen den erstarkenden Populismus in Europa an. Es gebe Strömungen, die in vielen Bereichen die Werte der EU verachteten, kritisierte sie bei einer Veranstaltung der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) am Wochenende in Zagreb. „Wir werden uns dem entschieden entgegenstellen.“ Auch EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber sagte den Rechtspopulisten den Kampf an. „Die unpatriotischen Nationalisten verkaufen ihre Länder und Werte“, schrieb er auf Twitter mit Blick auf den Strache-Skandal.

Strache hatte am Samstag als FPÖ-Chef und Vizekanzler die Konsequenzen aus der Ibiza-Affäre gezogen und war als Vize-Kanzler und FPÖ-Chef zurückgetreten. Sein bisheriger Koalitionspartner, Österreichs Kanzler Sebastian Kurz von der konservativen ÖVP, kündigte daraufhin Neuwahlen an. Sie sollen im September stattfinden, wie Österreichs Bundespräsident Alexander van der Bellen am Sonntag ankündigte. Zuvor hatten „Süddeutsche Zeitung“ und „Spiegel“ ein Treffen Straches mit einer vermeintlichen russischen Millionärin in einer Villa auf Ibiza enthüllt, bei dem der FPÖ-Politiker unter anderem Regierungsaufträge als Gegenleistung für Wahlkampfhilfen in Aussicht stellte. Die Zusammenkunft war heimlich gefilmt worden – von wem, ist bislang unklar.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte, das Video zeige, dass Rechtspopulisten bereit seien, das Interesse ihres Landes für ihr eigenes Wohlergehen zu verkaufen. „Und wenn es für ein Butterbrot ist. Diese Menschen dürfen in Europa keine Verantwortung übernehmen.“ SPD-Chefin Andrea Nahles erklärte, nun sei klar, was passiere, wenn Rechtspopulisten gewählt würden. Sie hoffe auf einen „pro-europäischen Push“ in ganz Europa, sagte sie bei einer Demonstration in Köln. Dort, in Berlin und in anderen Städten Deutschlands und Europas gingen Zehntausende Menschen gegen wachsenden Nationalismus auf die Straße.

Der Skandal könnte Rechtspopulisten bremsen, aber kaum stoppen

Tatsächlich könnte die Ibiza-Affäre und der Bruch der Koalition in Österreich Folgen für den Ausgang der Europawahl haben. „Die Wähler werden sich jetzt zweimal überlegen, ob sie solchen Leuten ihre Stimme geben“, sagte der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt dem Tagesspiegel. Der Video-Mitschnitt habe allen „vor Augen geführt, wes Geistes Kind Führungskräfte dieser Partei sind“. Dies werde auch Konsequenzen für die AfD in Deutschland haben. „Wenn sich ein enger Bundesgenosse der AfD auf diese Weise prostituiert, bleibt immer der Verdacht hängen, da hätten sich Brüder im Geiste getroffen“, sagte Patzelt, der inzwischen die CDU im sächsischen Landtagswahlkampf berät.

„Der Strache-Skandal kann den Vormarsch der Rechtspopulisten in Europa bremsen“, sagte der Chef der Forschungsgruppe Wahlen, Matthias Jung, dieser Zeitung. So würden bürgerliche Wähler in ihrer antipopulistischen Haltung gestärkt und eher zur Wahl gehen. Dagegen werde es der europäischen Allianz der Rechtspopulisten nun schwerer fallen, ihre Wähler zu mobilisieren. Stoppen lasse sich ihr Aufschwung damit aber nicht. Denn für viele Wähler von Rechtspopulisten fielen Skandale und Affären kaum ins Gewicht.

Ein Einzelfall ohne jede Folge für das Abschneiden der AfD oder anderer Rechtsparteien in Europa: So will AfD-Fraktionschef Alexander Gauland den Skandal beim Bündnispartner FPÖ verstanden wissen. „Strache hat einen schweren Fehler gemacht“, sagte Gauland dem Tagesspiegel. „Aber es handelt sich um ein österreichisches Problem, das für Deutschland oder Italien keine Rolle spielt und mit dem wir nichts zu tun haben.“

Der AfD-Spitzenkandidat für die Europa-Wahlen, Jörg Meuthen, sprach ebenfalls von einer „singulären Angelegenheit“. Die Kooperation mit der FPÖ will Meuthen fortsetzen. „Die FPÖ ist uns ein enger Partner.“ Er werde der Partei nun nicht „in den Rücken fallen“. 2017 hatten sich die AfD-Fraktionschefs Weidel und Gauland in Wien mit den FPÖ-Politikern Hofer und Strache in Wien über anstehende Wahlen beraten. Auch die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen zeigte sich bemüht, den Skandal zu einem Problem der österreichischen Innenpolitik zu erklären.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil nannte die Reaktionen der Rechtsaußen-Parteien auf das Strache-Video skandalös. „Verharmlosen und verleugnen ist die Devise von Meuthen, Le Pen und Co.“, sagte er dem Tagesspiegel. „Die Rechten spielen sich ja gerne als Saubermänner auf. Spätestens jetzt sind sie enttarnt.“ Gleichzeitig forderte Klingbeil dringend Aufklärung darüber, „inwieweit auch die AfD in solche dubiosen Deals und illegale Geldflüsse verwickelt ist“.

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