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AfD-Kenner und CDU-Berater: der Politikwissenschaftler Werner Patzelt.
© Oliver Killig/ZB/dpa

Politologe Patzelt zum FPÖ-Skandal: „Da ging es ganz klar um kriminelle Gedankenspiele“

Der Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt spricht über mögliche Verschwörungstheorien der Populisten – und denkbare Folgen für die AfD. Ein Interview.

Herr Patzelt, schadet der FPÖ-Skandal um Heinz-Christian Strache den Rechtspopulisten bei der Europawahl?

Das halte ich für wahrscheinlich. Durch den Video-Mitschnitt in dieser Villa auf Ibiza ist ja vor aller Augen geführt, wes Geistes Kind Führungskräfte dieser Partei sind. Und das gibt Anlass zur Vermutung, dass solche Haltungen in den Führungsriegen anderer Rechtsaußen-Parteien ebenfalls verbreitet sind. Die Wähler werden sich jetzt zweimal überlegen, ob sie solchen Leuten ihre Stimme geben.

Wie nahe stehen sich FPÖ und AfD?

Die Ursprünge sind sehr unterschiedlich. Die FPÖ ist die Partei des sogenannten Dritten Österreich – also weder des sozialistisch-sozialdemokratischen, noch des christlich-konservativen, sondern eines es deutsch-nationalen oder liberal-nationalen Wählerpotenzials. In der FPÖ haben sich deshalb einst auch jede Menge ehemaliger Nazis versammelt. Auch nachdem Jörg Haider diese Partei modernisiert und zu einer, zumindest der Oberfläche nach, „normalen“ rechtspopulistischen Partei gemacht hat, sind ihr diese Verbindungen zu rechtsradikalen Gruppen und Haltungen geblieben...

Rassismus und die Nähe zu Neonazis ist auch ein Kennzeichen für die AfD...

Zwar hat auch die AfD viele von jenen rechtsradikalen und rechtsnationalen Kräfte angesaugt, die früher bei der DVU oder NPD waren. Aber sie ist doch ganz wesentlich aus einer zweiten, wichtigen Wurzel entstanden. Sie besteht nicht unwesentlich aus enttäuschten Christdemokraten – also aus Leuten, denen die CDU zu mittig, zu grün, zu sozialdemokratisch geworden ist.

Macht das die AfD deshalb weniger korruptionsanfällig als es die FPÖ ganz offensichtlich ist?

Straches Auftritt in der Ibiza-Villa hat weniger mit rechtsradikalen oder völkischen Haltungen zu tun als mit politische Hintertriebenheit und der Neigung zu arroganter Manipulation auf Korruptionsbasis. Derlei dürfte in den höheren politischen Rängen von nicht wirklich ethisch gefestigten Parteien immer wieder vorkommen.

Meinen Sie denn, die AfD kommt mit ihrem Versuch durch, die Sache auszusitzen? Meuthen sagt ja, es handle sich nur um einen Einzelfall, wegen dem man nicht gleich die Zusammenarbeit mit der FPÖ nicht zu beenden braucht...

Das lässt sich schwer abschätzen. Die AfD kann versuchen, die Sache als sie nicht weiter angehend zu behandeln. Klüger wäre es für sie aber, sich von den kriminellen Gedankenspielen der früheren FPÖ-Führung klar zu distanzieren und glaubhaft zu machen, dass sich die deutsche AfD in ihrer Führungsspitze niemals so verhalten würde. Allerdings: Wenn sich ein enger Bundesgenosse der AfD auf diese Weise prostituiert, bleibt immer der Verdacht hängen, da hätten sich Brüder im Geiste getroffen.

Wird der Skandal die Union in Deutschland darin bestärken, keinesfalls und auch nicht irgendwo auf Landesebene eine Koalition mit der AfD einzugehen?

Nachdem es ohnehin Beschlusslage der Union ist, mit der AfD keine Koalition einzugehen, ist daran nichts weiter zu stärken. Die Festlegung, mit dieser Partei nicht zusammenzugehen, steht nämlich bereits auf hundert Prozent.

Kann es nicht auch sein, dass das unrühmliche Ende der schwarz-blauen Koalition in Österreich den Rechtspopulisten bei der Europawahl nutzen könnte, weil es ihnen Grundlage für neue Verschwörungstheorien verschafft? Man weiß ja bisher nicht, wer hinter der Abhöraktion in der Villa auf Ibiza gesteckt hat...

Dass jemand verdeckt Szenen filmt und aufnimmt und zum geeigneten Zeitpunkt ins Netz stellt, ist naturgemäß kein Zufall. Man hat diesen Coup vorbereitet und zeitlich passend platziert, und er hat natürlich etwas Hinterhältiges. Aber es ist ja nicht so, dass die Unschuld vom Lande bei einer unkeuschen Verrichtung ertappt wurde. Da ging es ganz klar um kriminelle Gedankenspiele, auf die sich die FPÖ-Führung eingelassen hat. Und wenn es stimmt, dass im Wein die Wahrheit liegt, dass also Alkoholeinfluss die innersten Beweggründe von Menschen zutage bringt, dann ist das Verhalten der Skandal – und sind das nicht die Umstände, unter denen dieses skandalöse Verhalten offenkundig wurde.

Was nicht bedeutet, dass man daraus nicht eine Legende von bösen Geheimdiensten und ausländischer Einflussnahme stricken könnte...

Für Verschwörungstheorien wird alles Mögliche genutzt – von vermeintlichen Chem-Trails bis zur angeblich reptiloiden Abkunft der deutschen Bundeskanzlerin. Gegen Dummheit ist nun einmal kein Kraut gewachsen.

Ein Blick noch nach Österreich: Wird der FPÖ-Skandal der ÖVP und ihrem Kanzler Sebastian Kurz eher schaden oder, durch die angesetzten Neuwahlen, im Endeffekt womöglich sogar nutzen?

Es kann die rasche Reaktion des ÖVP-Vorsitzenden und Kanzlers im im Wahlkampf durchaus nutzen – und dazu führen, dass die ÖVP die Sache unbeschadet übersteht. Sebastian Kurz kann jedenfalls klarmachen, dass er derlei Dinge nicht duldet, ja dass er sogar seine Regierung aufs Spiel setzt und das Volk um ein erneutes oder eben verändertes Mandat bittet. Die ÖVP hat diese üble Sache glücklicherweise in einer sehr klaren, sehr schnellen, sehr entschlossenen Weise gehandhabt, ja noch gar nicht mal getrieben von öffentlicher Erregung, sondern sank eigener Entschlusskraft.

Andererseits kann man dem Kanzler natürlich vorwerfen, überhaupt dieses Bündnis mit der FPÖ eingegangen zu sein. Und dann sind da noch angebliche Großspender für die ÖVP, von denen Strache erzählt hat...

Bündnisse kann man im Nachhinein immer verurteilen, wenn sie sich als nachteilig erwiesen haben. Und Bündnisse, die sich hinterher als vorteilhaft erweisen, werden gelobt. Infolgedessen wird die Einschätzung davon abhängen, wie beschädigt oder unbeschädigt die ÖVP aus den Neuwahlen herauskommt. Was die Spenden betrifft: Hier ist Aufklärung durch investigativen Journalismus gefragt. Sollte sich die ÖVP für irgendwelche Spenden ebenfalls prostituiert haben, dann wird das ihr zu Recht schaden. Die Regel in der Politik muss nämlich immer heißen: Verhalte dich ehrlich und redlich – und lasse dich nie auf Konspiration und Korruption ein.

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