Argentiniens neue Vizepräsidentin: Der Coup der Cristina Kirchner
Argentiniens frühere Präsidentin Cristina Kirchner kehrt in Argentinien unter dem neuen Staatsoberhaupt Alberto Fernández als Vizepräsidentin zurück.
In Argentinien ist der linke Peronismus, der vor vier Jahren noch abgewählt wurde, wieder an der Macht. Mit rund 48 Prozent der Stimmen gewann Alberto Fernández die Präsidentschaftswahlen gegen den liberal-konservativen Amtsinhaber Mauricio Macri. Der Sieg von Fernández fiel damit zwar nicht so klar aus wie vorhergesagt, war aber von vielen Beobachtern noch vor wenigen Monaten gar nicht erwartet worden.
Der Grund für das Comeback der Linken in Argentinien: eine Rezession, hohe Inflation und die zunehmende Verarmung der Bevölkerung. 2015 hatte Mauricio Macri die Wahlen gewonnen, weil er den Argentiniern versprochen hatte, das Land aus der von den Peronisten verantworteten Wirtschaftskrise zu führen. Aber er bekam die Krise nicht in den Griff, weswegen er einen Kredit über 57 Milliarden Dollar mit dem Internationalen Währungsfonds aushandelte. Die enorme Schuldenaufnahme, die an harte Sparauflagen geknüpft war, lehnte eine Mehrheit der Argentinier ab – und wandte sich Alberto Fernández zu.
Mit dem 60-jährigen Jura Professor kommt auch Cristina Kircher als seine Vizepräsidentin zurück. Sie war Argentiniens Staatsoberhaupt zwischen 2007 und 2015 und wird der Korruption beschuldigt. Außerdem war das Land unter ihrer Regierung, die mit vielen Maßnahmen in die Wirtschaft eingriff, in die ökonomische Krise geschlittert, die 2015 zum Aufstieg Macris führte.
Dennoch wird Kirchner immer noch von vielen Argentiniern verehrt. Sie verbinden ihren Namen mit den politisch stabilen Wachstumsjahren ab 2003, als zunächst ihr Mann, der verstorbene Néstor Kirchner, Präsident war. Sie bedient zudem die Sehnsucht vieler Argentinier nach einem linken Nationalismus im Gegensatz zum neoliberalen Ausverkauf. Niemand weiß nun, wie groß ihr Einfluss auf die Regierung von Alberto Fernández sein wird.
Entscheidend für den Wahlsieg des Duos war eine strategische Allianz, mit der sie konkurrierende Flügel innerhalb der peronistischen Bewegung vereinten. Der Peronismus kann wohl am besten als Sammelbecken populistischer Strömungen von links bis rechts beschrieben werden. Eine Konstante ist der starke Einfluss der Gewerkschaften.
Alberto Fernández war einst Kabinettschef von Néstor Kirchner. Unter Cristina Kirchner blieb er zunächst auf diesem Posten, trat aber 2008 zurück. Er war gegen ihr Vorhaben, die Exportsteuern für den wichtigen Agrarsektor anzuheben. Danach sprachen Fernández und Kirchner fast zehn Jahre lang nicht mehr miteinander. Fernández versuchte in dieser Zeit eine gemäßigte Alternative innerhalb des Peronismus zum linken Kirchnerismus aufzubauen. Es gelang ihm nicht. Die Wiederannäherung der beiden 2017 ging auf das taktische Geschick Kirchners zurück. Sie stellte ihre eigenen Ambitionen auf das Präsidentenamt zurück, hatte offenbar erkannt, dass es zu viel Polemik um ihren Namen gibt.
Die Märkte reagierten zunächst negativ auf Fernández' Sieg
Es ist unklar, mit welchen Rezepten Fernández sein Land aus der Rezession führen will. Die Märkte reagierten negativ auf seinen Sieg. Die argentinische Zentralbank verhängte prompt ein neues Limit für den Umtausch von Pesos in Dollars, um ein weiteres Abfließen von Kapital zu bremsen. Das Limit liegt nun bei 200 Dollar pro Person und Monat. Bis vergangenen Freitag hatte es noch 10 000 Dollar betragen. Alberto Fernández erbt einen Staat mit erdrückenden Schulden und ohne Handlungsspielraum. Um nicht die Insolvenz beantragen zu müssen, wird er den IWF-Kredit über 57 Milliarden Dollar neu verhandeln müssen, den Vorgänger Macri aufgenommen hatte. Den Finanzmärkten wird das nicht gefallen. Die Vorhersagen sind also eher düster: Experten erwarten, dass die Rezession sich im nächsten Jahr fortsetzen wird. Die Inflation dürfte weiterhin bei 50 Prozent liegen und der Peso, der in diesem Jahr 30 Prozent an Wert verlor, zusätzlich absacken. Fernández muss auch die verschiedenen Strömungen in der peronistischen Bewegung zusammenhalten, ohne die Fehler der Kirchner-Regierung zu begehen, die den Haushalt mit zu hohen Ausgaben für Subventionen und den öffentlichen Dienst überlastet hatte. Klar gemacht hat Fernández bereits, dass er das Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Wirtschaftsverbund Mercosur ablehnt. Es sei schädlich für Argentiniens Industrie. Er hat sich außerdem mit Brasiliens rechtem Staatsoberhaupt Jair Bolsonaro angelegt: Auf einer Siegesfeier forderte Fernández „Freiheit für Lula“, Brasiliens linken Ex-Präsidenten, der nach einem fragwürdigen Gerichtsverfahren wegen Korruption im Gefängnis sitzt. Philipp Lichterbeck
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