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Bundestagsabgeordnete bei der namentlichen Abstimmung über die Fortsetzung des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan.
© Bernd von Jutrczenka/ dpa

Bundeswehr in Afghanistan: Der Bundestag verlängert das Mandat um ein Jahr - und übernimmt damit Verantwortung

Deutschland setzt ein Zeichen - obwohl klar ist, dass die Bundeswehr mit dem Abzug der US-Armee auch ihre Stärke bald reduzieren muss. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ingrid Müller

Verantwortlich zu handeln bedeutet bekanntlich, Verantwortung zu übernehmen. Das hat der Bundestag am Freitag getan, als die Abgeordneten das ungeliebte Afghanistan-Mandat um ein weiteres Jahr verlängert haben. 1300 Bundeswehrsoldaten sind derzeit am Hindukusch für die Ausbildungs- und Trainingsmission „Resolute Support“ eingesetzt.

Diese Verlängerung bedeutet nicht, dass weiterhin das ganze nächste Jahr so viele dort stationiert sein werden. Wird das Abkommen, das die USA mit den radikal-islamischen Taliban am 29. Februar in Katar unterzeichnet haben, wirklich umgesetzt, dann wird Präsident Donald Trump innerhalb der ersten 135Tage die US-Soldaten auf 8600 Mann reduzieren – und „proportional“ die alliierten Truppen, wie es in dem Text heißt. Komplett sollen sie in weiteren neuneinhalb Monaten gehen.

Die Deutschen können ihre Sicherheit gar nicht allein gewährleisten

Klar ist ohnehin: Wenn die Amerikaner gehen, bleiben die anderen nicht. Zum einen gilt das Prinzip „Zusammen rein, zusammen raus“. Aber es ist kein Geheimnis, dass die Deutschen ihre Sicherheit allein gar nicht gewährleisten könnten. Wie und wann welche der Soldaten gehen, hängt immer davon ab, welche anderen Soldaten gehen. Am Anfang werden sicher nicht die kräftigsten Einheiten abgezogen werden. Viele Menschen sind es leid, dass immer noch deutsche Soldaten am Hindukusch sind.

Man kann den ganzen Kriegseinsatz für falsch halten. Doch auch Deutschland hat sich dort eingemischt. Nicht nur deshalb kann es nicht Hals über Kopf abziehen, selbst wenn sich viele Deutsche nach fast 20 Jahren ein „Hauptsache raus“ wünschen würden. Doch dann würden die Taliban wohl frohlocken, die 2001 mit dem Einsatz der internationalen Truppen nach dem Anschlag vom 11. September gestürzt worden waren. Sie bekommen schon im Vorgriff auf die innerafghanischen Friedensgespräche Kämpfer aus den Gefängnissen frei.

Viele finden, dass die Taliban ihr Versprechen schon brechen

Diese Verhandlungen haben aber noch immer nicht begonnen, obwohl dafür der 10. März verabredet war. Eine erste Delegation, die über den Prozess sprechen sollte, ist gerade erst einmal nach Kabul heimgekehrt, jetzt soll noch einmal eine neue Delegation geschickt werden. Die Radikalislamisten haben die Gewalt gegen die Ausländer zwar reduziert, aber die Afghanen sind weiter Ziel ihrer Attacken. Viele von ihnen finden, dass die Taliban ihre ersten Versprechen schon brechen.

Allerdings steht im Abkommen der USA auch, dass ein dauerhafter Waffenstillstand Teil der innerafghanischen Friedensverhandlungen sein soll. Außerdem müssen die Afghanen mit ansehen, wie sich der mit knapper Mehrheit zum Wahlsiegererklärte bisherige Präsident Asharf Ghani und der unterlegene Kontrahent Abdullah Abdullah weiterhin einen Kampf um die Macht liefern. Die Mandatsverlängerung des Bundestags bedeutet kein Muss, dass die ganze Zeit 1300 Soldaten am Hindukusch stationiert bleiben.

Geordnet abziehen, nicht fliehen

Hätten die Deutschen jedoch in der jetzigen Situation schon einmal das Mandat reduziert, wäre das ein Signal an die Taliban gewesen, dass sie sich an gar nichts halten müssen. Die Amerikaner und auch die Deutschen haben den afghanischen Bürgern allerdings versprochen, dass sie sich dafür einsetzen, dass bei den Friedensgesprächen die demokratischen Ansätze, die Menschenrechte und die Rechte der Frauen nicht wieder völlig geschleift werden. Das wird schwer genug sein. Es sollten also alle auf der diplomatischen Ebene mit Kraft und Verantwortung daran arbeiten, dass die Afghanen Frieden schließen. Es wird ohnehin nur ein schmerzlicher Kompromiss werden können. Doch je schneller die Verhandlungen vorankommen, desto eher sind die deutschen Soldaten wieder zurück. In Würde. Geordnet. Nicht wie auf der Flucht.

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