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Königin Elizabeth II. bei der Verlesung der Queen's Speech im Jahr 2016 (Archiv).
© REUTERS/Justin Tallis/Pool
Update

Queen Elizabeth liest Johnsons Regierungserklärung: Der Brexit-Countdown geht in die entscheidende Phase

In der Rede der Queen wird der Brexit nur ein Punkt unter vielen sein. Dabei bleiben Johnson nicht mehr viele Tage, um seinen Plan umzusetzen. Ein Überblick.

Das britische Parlament wird am Montag nach einer knapp einwöchigen Pause von Königin Elizabeth II. in einer feierlichen Zeremonie wiedereröffnet. Die Queen verliest dabei die Regierungserklärung von Premierminister Boris Johnson (etwa 13 Uhr deutscher Zeit).

Laut der britischen Zeitung „Guardian“ wird der Brexit trotz des nahenden Austrittsdatums am 31. Oktober nur eines der Themen auf der Agenda sein. In der Regierungserklärung werde es 22 Gesetzentwürfe geben. Zentral sei jener, der härtere Strafen für Gewalt- und Sexualstraftäter vorsehe, berichtet der Guardian. Auch Straftäter aus dem Ausland, die nach Großbritannien zurückkehren, sollten härter bestraft werden.

Außerdem sehe ein weiterer Gesetzentwurf vor, dass Wählerinnen und Wähler künftig für Wahlabstimmungen einen Personalausweis mit Foto vorweisen müssten. Weitere Themen auf der Tagesordnung seien veränderte Konzessionen im Schienenverkehr und die Beschränkung von Plastik und anderer Umweltverschmutzung. In Sachen Brexit werde es vor allem um den Vorschlag eines punktebasierten Immigrationssystems ab 2021 gehen.
So läuft die Queen's Speech ab:

  • Die Ansprache der Königin (oder des Königs) ist das Kernstück der Eröffnung des britischen Parlaments. Sie markiert eine neue Arbeitsperiode des Parlaments.
  • Üblicherweise hält der britische Monarch seine Rede im Mai, aber dieser Zeitpunkt ist flexibel – vor allem wenn es ein Wahljahr ist.
  • Die Rede, die die Königin verliest, schreibt die Regierung. Die Rede listet die Gesetzentwürfe, die die Regierung plant, einzuführen.
  • Die Königin hält die Rede auf einem Thron im britischen Oberhaus (House of Lords).
  • Die Abgeordneten werden traditionell mit dem sogenannten „Black Rod“, einem Parlamentsbediensteten, in den Saal des Oberhauses geführt, um die Rede der Königin anzuhören.
  • Nach der Zeremonie kehren die Abgeordneten zurück in den Saal des Unterhauses (House of Commons). Dort debattieren sie rund sechs Tage lang über den Inhalt der Rede. Jeder dieser Tage ist dabei einem Thema wie beispielsweise „Wirtschaft“ oder „Innere Sicherheit“ gewidmet.

Ob es rechtzeitig vor dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag zu einer Einigung zwischen London und Brüssel kommt, ist ungewiss. Am Wochenende war es trotz intensiver Gespräche nicht zu einem Durchbruch gekommen. Die Verhandlungen in Brüssel sollen am Montag fortgesetzt werden. Auch am Montag empfängt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Paris EU-Ratschef Donald Tusk, um unter anderem über das weitere Vorgehen beim Brexit zu sprechen.

Johnson wird Juncker, Macron und Merkel treffen

Die „Times on Sunday“ berichtete unter Berufung auf eine ungenannte Quelle, Johnson wolle zeitnah mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel sprechen, um auszuloten, ob eine Einigung im Brexit-Streit noch möglich ist.

Johnsons Botschaft sei dabei: „Lasst es uns zu Ende bringen“, zitierte die „Sunday Times“ eine Insider-Quelle. Andernfalls werde der Premier vorschlagen, eine „freundliche Version des No Deals“ zu wählen, bei der die schlimmsten Konsequenzen eines ungeregelten Austritts abgefedert werden sollen.

Am vergangenen Donnerstag war nach einem Treffen Johnsons mit dem irischen Regierungschef Leo Varadkar unerwartet Bewegung in die Gespräche gekommen. Nach EU-Angaben hat London Zugeständnisse bei der Frage in Aussicht gestellt, wie künftig Zollkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland vermieden werden können. Daraufhin begannen beide Seiten am Samstag eine neue, intensive Verhandlungsrunde. Am Sonntagabend hieß es allerdings aus Verhandlungskreisen, dass es keine nennenswerten Fortschritte gebe.

Findet sich bis zum Beginn des EU-Gipfels am Donnerstag kein gemeinsamer Ausstiegsplan, müssen die EU-Staaten entscheiden, ob sie die Beratungen mit Großbritannien ganz abbrechen oder ob sie eine Verlängerung der Beratungen auch über den 31. Oktober wollen.

"Super Saturday" auf der Insel

Sollten sich London und Brüssel bis zum EU-Gipfel einig werden, hätte Johnson nur noch einen Tag, um die Zustimmung des Unterhauses einzuholen. Denn falls bis Samstag 19. Oktober kein vom Parlament beschlossener Austrittsvertrag vorliegt, muss Johnson laut Gesetz die EU um eine Verschiebung des EU-Austritts über den 31. Oktober hinaus bitten.

Am 19. wird das britische Parlament deshalb in einer Dringlichkeitssitzung noch einmal über Johnsons Pläne beraten und abstimmen. Es gilt aber als sehr zweifelhaft, ob Johnson eine Mehrheit erringen kann. Der Premier wäre auf Unterstützung aus der Opposition angewiesen. Der Tag wird auf der Insel auch als "Super Saturday" gehandelt.

Die Frage was passiert, wenn Johnson die Abstimmung verliert, lässt sich derzeit kaum beantworten. Er hätte einmal die Möglichkeit, über Neuwahlen abstimmen zu lassen. Doch dafür bräuchte er eine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament, die er kaum bekommen dürfte. Denn bei Neuwahlen, so fürchtet die Opposition, würde Johnson als Gewinner hervorgehen. Johnson könnte aber auch bei seinem Ausstiegsplan zum 31. Oktober bleiben und wissentlich gegen das Gesetz verstoßen. In diesem Fall würde Großbritannien eine weitere wilde Brexit-Woche bevorstehen. (Tsp,dpa)

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