Kiffen legalisieren?: Debatte um Cannabis: Was in die Tüte kommt
Die Legalisierung von Cannabis soll viele Probleme lösen, auch das von Kreuzberg mit den Dealern im Görlitzer Park. Sollte die Droge in Deutschland erlaubt werden?
Cannabis hat einen langen Weg als Droge der Friedfertigen hinter sich. Eine ganze Hippie-Generation kämpfte von Rauch umnebelt für eine bessere Welt. Doch der Stoff wurde immer potenter, die Gesetze wurden strikter. Irgendwann auf diesem Weg ging die Unschuld verloren.
Im Görlitzer Park wird Cannabis seit vielen Jahren verkauft. Illegal, aber rund um die Uhr und kaum verfolgt und damit faktisch geduldet. Der Grünstreifen in Berlin-Kreuzberg wird in Reiseführern als Paradies beschrieben, in dem Gras so leicht zu bekommen sei, als wäre es erlaubt. Ist es aber nicht.
Dies wurde der Öffentlichkeit zuletzt deutlich vor Augen geführt, als zwei Dealer mit den Betreibern einer Bar aneinandergerieten, die wegen der vielen Verkäufer um ihre Kundschaft fürchten. Die beiden Männer aus Guinea erlitten durch Messerstiche lebensgefährliche Verletzungen, anschließend verwüsteten ihre Freunde aus Rache die Bar. Längst ist die Situation um den "Görli" genannten Park eskaliert. Als ein Lösungsansatz wird immer wieder die Legalisierung von Cannabis gefordert. Kreuzbergs Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann will schon lange in einem Modellversuch einen Coffeeshop am Görli eröffnen, doch das gibt die Rechtslage in Deutschland nicht her.
Was sagen die Gesetze zum Umgang mit Drogen?
Rechtlich gelten Drogen als "Betäubungsmittel", ein klassischer Begriff, der sich ursprünglich auf als Schmerzmittel verwendete Stoffe wie Opium oder Morphin bezog. International ist heute die Bezeichnung "Suchtstoff" üblich. Was darunter fällt, regelt das Betäubungsmittelgesetz (BtmG) in gesonderten Kapiteln, wobei es danach unterscheidet, ob die Substanzen verkehrsfähig sind oder verschrieben werden dürfen.
Die einschlägigen Strafvorschriften bedrohen Anbau und Handel mit bis zu fünf Jahren Haft. Deutlich härter wird es, wenn dies professionell als "Bande" oder gewerbsmäßig betrieben wird sowie Schusswaffen ins Spiel kommen oder Minderjährige als Dealer eingesetzt werden. Dann droht eine Mindeststrafe von fünf Jahren, so viel wie für einen Totschlag. Der bloße Konsum wird dagegen als Akt der Selbstschädigung eingestuft und ist straflos. Bei Besitz kleiner Mengen "zum Eigenverbrauch" kann die Staatsanwaltschaft von der Strafverfolgung absehen.
Wie gehen die Strafverfolger mit „kleiner“ Drogenkriminalität um?
Für die Staatsanwaltschaften gilt der Legalitätsgrundsatz, also müssen sie Straftaten verfolgen, wenn sie ihnen bekannt werden. Die Einstellung von Verfahren bei Kleindelikten gehört jedoch zur Praxis, zur Anklage kommt es in diesen Fällen selten. Feste Grenzen gibt es nicht, die Umgangsweisen sind von Bundesland zu Bundesland verschieden. Als Richtwert für Cannabis gelten in den meisten Bundesländern sechs Gramm, die Stadtstaaten sind großzügiger.
Wie steht diese Praxis im internationalen Vergleich da?
Der Besitz von Betäubungsmitteln ist weltweit verboten, in manchen Ländern wie etwa Malaysia oder Singapur wird er drakonisch bestraft. Allerdings sind seit einigen Jahren Tendenzen zur Entkriminalisierung zu beobachten. Der US-Bundesstaat Colorado hat Marihuana im Frühjahr vollständig legalisiert, Washington folgte nach. Mehrere weitere Bundesstaaten haben gleichzeitig mit den Kongresswahlen Anfang November Volksabstimmungen abgehalten und wollen Cannabis ebenfalls legalisieren.
In Europa sind die als Kifferparadies bekannten Niederlande dagegen seit Jahren dabei, das Gras und vor allem den Drogentourismus aus ihrem Land zu vertreiben. Ein vollständiges Verbot, das zwischenzeitlich immer wieder diskutiert wurde, ist bislang jedoch nicht erlassen worden. Immer liberaler wurde dagegen der Umgang mit Cannabis in Spanien. Barcelona wird bereits als "das neue Amsterdam" bezeichnet. Im Gegensatz zu Holland sind die Coffeeshops in Spanien jedoch eher versteckt untergebracht und dürfen nur von eingetragenen Mitgliedern besucht werden.
Einen besonderen Versuch startete im Mai dieses Jahres das kleine Uruguay. Cannabis ist dort nicht nur legal, der Anbau und Handel werden auch staatlich kontrolliert. Dadurch soll die Droge weder den Kartellen noch dem freien Markt überlassen werden, damit sie nicht zu offensiv beworben wird. Der Aufbau der Infrastruktur dauert aber noch, das einzigartige Projekt beginnt also aus praktischen Gründen wohl erst 2015.
Welche Tendenz gibt es in Deutschland?
Lange war die Forderung nach kontrollierter Freigabe ein Kiffer-Traum, der in der Politik nur vereinzelt Unterstützung fand. Mittlerweile fordern nun viele Grüne eine „ideologiefreie und ehrliche Drogenpolitik“. Frankfurts grüne Gesundheitsdezernentin Rosemarie Heilig kündigte jetzt einen Modellversuch an.
Relativ neu ist die breite Unterstützung von juristischer Seite: Mehr als 120 Strafrechtsprofessoren haben ein Manifest unterzeichnet, das die bisherige prohibitive Linie für gescheitert erklärt. Deren Sprecher Lorenz Böllinger hält das Verbot sogar für verfassungswidrig. Cannabis-Konsum zu bestrafen, verstoße gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Der Zweck, Handel und Konsum einzudämmen, werde nachweislich nicht erreicht. Es gebe viele negative Folgen, zum Beispiel erschwere es die Prävention. Cannabis-Konsum sei ein "opferloses Delikt: Der Konsument schädigt nur sich selbst – wenn überhaupt".
Wie verhalten sich die Gerichte?
Der Bundesgerichtshof erkennt nur auf eine "nicht geringe Menge" bei einem Wirkstoffgehalt unterhalb von 7,5 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC). Insgesamt ist die Rechtsprechung konstant, seit das Bundesverfassungsgericht 1994 in seinem sogenannten Cannabis- Beschluss anordnete, dass strafrechtliche Ermittlungsverfahren bei Besitz kleiner Mengen einzustellen seien. Allerdings stellten die Richter damals fest, dass es ein „Recht auf Rausch“ nicht gibt. Auch sei der Staat nicht verpflichtet, potenziell gleich schädliche Drogen auch bei Verboten gleich zu behandeln.
Wie argumentieren die Befürworter der Legalisierung?
Kurz gesagt: Verbote bringen nichts. Suchtforscher legen Zahlen vor, denen zufolge ohnehin fast jeder Dritte Hasch-Erfahrungen macht. Dennoch müssten Strafverfahren geführt und Akten bearbeitet werden. Der Schwarzmarkt treibe die Preise, weshalb Konsumenten in Beschaffungskriminalität gezwungen würden.
Macht Cannabis abhängig?
Es gilt als weitgehend gesichert, dass lang anhaltender Marihuana-Gebrauch süchtig machen kann. Das Risiko soll bei neun Prozent liegen. Es steigt an, je früher Cannabis konsumiert wird (einer von sechs kiffenden Teenagern wird abhängig). Wer täglich "Gras" raucht, wird zu 25 bis 50 Prozent süchtig. Abhängige, die die Droge absetzen wollen, haben mit Angstgefühlen, Schlafstörungen, Missstimmung und Reizbarkeit zu kämpfen.
Welche Folgen hat der kurzzeitige Konsum?
Das Kurzzeitgedächtnis wird geschwächt, die Folge sind Lernstörungen. Zudem kann das Urteils- und Kritikvermögen verringert sein. Die motorischen Fähigkeiten sind herabgesetzt, die Gefahr von Verkehrsunfällen ist deutlich erhöht. In hohen Dosen kann Cannabis Verfolgungswahn und vorübergehende Psychosen auslösen.
Welche Gefahren bestehen beim langfristigen oder ausgeprägten Gebrauch?
Je jünger der Konsument ist, umso schwerwiegender sind die Folgen. Das Gehirn reift bis etwa zum 21. Lebensjahr aus, deshalb ist der Gebrauch bis zu diesem Zeitpunkt besonders problematisch. Bei jungen Marihuana-Rauchern wurden Störungen in der Gehirnentwicklung nachgewiesen. So bei der Verschaltung im Bereich des Hippocampus, der Gedächtniszentrale des Gehirns. Die Schulleistungen bleiben hinter den Möglichkeiten zurück. Auf die Dauer leidet das geistige Leistungsvermögen.
Bei Langzeitkonsumenten besteht eine erhöhte Gefahr für Angststörungen und Depressionen. Allerdings ist es schwierig, bei diesen seelischen Problemen Marihuana als die einzige Ursache dingfest zu machen. Es kann sein, dass Drogenkonsum eine vererbte Anlage zu psychischen Krankheiten früher ausbrechen lässt. Umstritten ist, ob Cannabis der Türöffner zu harten Drogen ist. Hier ist ebenfalls unklar, ob es einen ursächlichen Zusammenhang gibt – oder ob Menschen mit einem Hang zu Drogen zuerst zu jenen Substanzen greifen, derer sie habhaft werden können. Häufig ist das Cannabis.
Welche Einnahmen könnte Deutschland durch eine Legalisierung erzielen?
Der deutsche Hanfverband schätzt die Steuereinnahmen im Fall einer Legalisierung auf bis zu 2,8 Milliarden Euro jährlich. Für die USA schätzte eine Gruppe von 300 Ökonomen die möglichen Steuereinnahmen auf etwa sechs Milliarden Dollar. Doch nicht nur als neue Geldquelle ist Cannabis interessant. Der Staat gibt schließlich etwa 3,7 bis 4,6 Milliarden Euro jährlich im Kampf gegen Drogen aus, wie der Grünen-Politiker Dieter Janecek ausgerechnet hat.