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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird nicht anwesend sein, wenn über die Armenien-Resolution abgestimmt wird. Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier auch nicht.
© Kay Nietfeld/dpa

Armenien-Resolution im Bundestag: Dass die Kanzlerin fehlt, ist ein Armutszeugnis

Merkel, Steinmeier und Gabriel werden nicht dabei sein, wenn der Bundestag am Donnerstag über die Armenien-Resolution abstimmt - ein falsches Signal. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claudia Keller

Die Abstimmung über die Armenien-Resolution im Bundestag wird am Donnerstag ohne die Bundeskanzlerin, ohne den Vizekanzler und ohne den Außenminister ablaufen. Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel haben Besseres vor, als sich über die Frage den Kopf zu zerbrechen, ob die Deportationen und Massaker an den Armeniern vor hundert Jahren ein Völkermord waren. Und vor allem, ob es klug ist, der Türkei eine Lehrstunde zu erteilen, wie man mit der eigenen Geschichte umgeht.

Merkel hält stattdessen auf einem Kongress eine Rede über digitale Bildung, Steinmeier ist auf Dienstreise in Lateinamerika, und Wirtschaftsminister Gabriel spricht vor der Bauindustrie. Die Abstimmung kann auch ohne die drei Spitzenpolitiker stattfinden, und zu ihrer Entlastung heißt es in ihren Büros, dass die auswärtigen Verpflichtungen schon lange zugesagt waren.

Doch Termine kann man absagen, wenn einem Anderes wichtiger ist. Dass die drei Spitzenpolitiker es nicht getan haben, legt die Schlussfolgerung nahe, dass ihnen das Thema nicht so wichtig ist – oder dass ihnen die alternativen Termine gut zu pass kommen, um sich politisch nicht positionieren zu müssen. Psychologisch verständlich wäre das. Steinmeier hat schon vor einem Jahr durchblicken lassen, dass er die Abstimmung über eine solche Resolution mit Blick auf das deutsch-türkische Verhältnis nicht für klug hält, Merkel hat eh schon reichlich Ärger mit Erdogan.

Politisch gesehen ist die Abwesenheit der drei ein Armutszeugnis. Man mag bedauern, dass es bei der Abstimmung nur noch am Rande um die Armenier und ihre Geschichte geht, sondern vor allem um eine Abstimmung über Erdogan. Doch auch dazu sollte man sich als Bundeskanzlerin, als SPD-Chef und als Außenminister verhalten.

Das Thema ist wichtig - es geht auch um die Mitverantwortung des Deutschen Reichs - und es interessiert die Bürger. Sie können von ihren Volksvertretern erwarten, dass sie Position beziehen und eine ehrliche Debatte führen. Wer die Resolution für falsch hält, sollte dagegen argumentieren und dagegen stimmen. Wer sie für richtig hält, sollte sich mit Argumenten dafür einsetzen und dann auch dafür stimmen. Wer sich entzieht, macht sich selbst unglaubwürdig – und den politischen Prozess mit dazu.

So fördert man Politikverdrossenheit

Dass Sigmar Gabriels Büro auf Nachfrage Journalisten ausrichten lässt, er unterstütze die Inhalte der Resolution, macht es nicht besser. Wenn er eine Meinung hat, sollte er sie in die Parlamentsdebatte einbringen und dafür kämpfen. Fragwürdig ist auch das Verhalten von Aydan Özoguz. Die SPD-Integrationsbeauftragte der Bundesregierung hatte die Resolution zu Beginn der Woche kritisiert, zugleich aber angekündigt, sie werde am Donnerstag trotzdem dafür stimmen. Steinmeier hatte kürzlich angekündigt, die SPD-Fraktion werde geschlossen dafür stimmen. Besser kann man als Politiker die Politikverdrossenheit bei Wählern gar nicht fördern, als zu signalisieren: interessiert mich nicht, ist mir zu schwierig, und die Fraktionsdisziplin steht über allem.

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