Zukunft der Kohle: Das wird teuer und unbequem
Es kann keine dauerhaft sinnvolle Lösung sein, mit steigendem Aufwand Kohle zu fördern und zu verfeuern. Auf der anderen Seite hängt die Existenz vieler Menschen daran. Deutschland braucht einen Kompromiss. Ein Kommentar.
Kohle. Seit Jahrhunderten nennt man diesen Brennstoff „schwarzes Gold“, seit ein paar Jahren auch „Klimakiller“. Tatsächlich ist er beides. Und: Sprengstoff für unsere Gesellschaft. Heute dürften 15 000 Arbeitnehmer der Energiewirtschaft im Berliner Regierungsviertel für die Zukunft des Kohleabbaus demonstrieren. Und dort, wo sie abgebaut wird, am Tagebau Garzweiler in NRW, bilden die Gegner eine Menschenkette. Der Tag ist ein dramaturgischer Höhepunkt der Energiewende bisher. Der nächste folgt an dem Tag, an dem Demos dieser Gruppen nicht durch 600 Straßenkilometer voneinander getrennt sind.
Der Streit um den wichtigsten heimischen Rohstoff spaltet Koalitionen, Parlamentsfraktionen, fast alle Parteien, er spaltet auch Familien und sogar Persönlichkeiten, die nach dem richtigen Weg in die Zukunft dieses Landes suchen, Bundeskanzlerin und Vizekanzler eingeschlossen. Kohle wird zur Gewissensfrage! Kommt es im Parlament zum Schwur, sollte man den Fraktionszwang aufheben, wie einst beim Paragrafen 218 zum Schwangerschaftsabbruch.
Denn auf der einen Seite leuchtet fast jedem aufgeklärten Bürger ein, dass es keine dauerhaft sinnvolle Lösung sein kann, mit steigendem Aufwand Millionen Jahre alte Pflanzenreste aus der Erdkruste zu kratzen und diese zu verfeuern, um damit Strom und Heizung für die Stube zu erzeugen. Alle seriösen Klimaforscher sagen, dass wir damit eine Katastrophe auslösen. Mensch kann heute viel besser Energie erzeugen.
Ökologisch Bewegte dürfen es sich nicht zu einfach machen
Auf der anderen Seite – und da machen es sich viele ökologisch Bewegte zu einfach, ihr gutes Gewissen zu pflegen: Wer es ernst meint mit dem schnellen Kohleausstieg, muss auch Mitmenschen, deren Existenz von diesem Raubbau unmittelbar abhängt, in die Augen schauen können. Allein im südlichen Brandenburg und Sachsen sind es 8000 – und ihre Familien. In der Lausitz und in NRW gibt es Städte, die dann wirklich dichtmachen können, da braucht man dann auch keine Friseure, Pommesverkäufer und Briefträger mehr. Das als Kollateralschaden der Energiewende abzutun, wäre zynisch.
Viele Sozialdemokraten stehen heute an der Seite der Arbeiter und warnen ihren Parteichef davor, den De-facto-Kohleausstiegsplan seines (übrigens Grünen) Staatssekretärs zu vollstrecken. Druck kommt auch vom Wirtschaftsflügel der Union. Zugleich will die Kanzlerin angeblich selbst, dass die ältesten Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Sie muss sich jetzt bekennen. Merkel kann Deutschland als Gastgeberin des G-7-Gipfels im Juni nicht als innovativen Energiewendestandort präsentieren – und gleichzeitig zusehen, wie die selbst gesteckten Klimaziele verfehlt werden. Das wäre nicht nur ihre persönliche Niederlage, es wäre schlecht für den Standort Deutschland.
Kompromissmöglichkeiten gäbe es. Viele sind unbequem, viele umstritten, alle sind teuer: Verschonte man die Kohlekraftwerke noch ein paar Jahre, könnte man der unterirdischen CO2-Speicherung (CCS) eine neue Chance geben. Oder: Die Länder beteiligen sich an einem Programm zur energetischen Gebäudesanierung, das den Namen verdient. Oder: Man verpflichtet die Autohersteller auf schärfere CO2-Grenzwerte. Auch das: ein kleiner Beitrag. In jedem Fall gilt es, einen Austiegsplan zu finanzieren, der Menschen keine falschen Hoffnungen für ihre Reviere macht, ihnen aber auch nicht über Nacht die Heimat nimmt.
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