Urteil zu NPD-Verbot: Das Verfahren selbst ist wichtig
Das Verfassungsgericht entscheidet Dienstag über ein Verbot der NPD. Das Urteil wird - so oder so - ein Kompass für die Frage, ob man Extremisten bekämpfen kann, indem man ihre Organisationen verbietet. Ein Kommentar.
Deutschland steht vor einer Zäsur. Am Dienstag wird das Bundesverfassungsgericht erstmals seit 61 Jahren verkünden, ob eine Partei verboten wird. Das Verfahren gegen die NPD wird, anders als der abgebrochene Versuch 2003, mit einem Urteil abgeschlossen. Endlich. Nach ewig anmutendem politischen Gerangel wird nun juristisch entschieden, wie die Agitation der NPD zu werten ist. Als so gefährlich, dass zum Schutz der Demokratie ein Verbot alternativlos erscheint. Oder als weitgehend wirkungsloses Geschrei einer Kleinpartei, deren Existenz die Republik nicht fürchten muss.
Wie die Richter in Karlsruhe entscheiden, ist offen. So oder so werden sie einen Maßstab setzen, an denen sich Politik und Gesellschaft orientieren müssen, sollte je wieder das Verbot einer extremistischen Partei zur Debatte stehen. Dafür allein wird sich das NPD-Verfahren gelohnt haben. Das Urteil könnte sogar eine Antwort auf die Frage bieten, ob ein Parteiverbot überhaupt noch zeitgemäß ist.
Das lässt sich mit Blick auf die aktuelle Situation wie auch die Vergangenheit bezweifeln. Die Bundesrepublik war schon wenige Jahre nach ihrer Gründung eine stabile Demokratie und ist das bis heute. Keine extremistische Partei scheint in der Lage zu sein, die freiheitliche Grundordnung massiv beeinflussen oder gar zerstören zu können. Die NPD sitzt in keinem Landtag mehr und ist seit 2012 in neun Bundesländern bei Wahlen unter einem Prozent geblieben. Andere rechtsextreme Parteien sind noch schwächer.Und die rechtspopulistische AfD ist trotz ihrer rassistischen Färbung bislang nicht einmal Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes. Das kann man kritisieren, aber der AfD zu unterstellen, ein „Viertes Reich“ anzustreben, wäre überzogen. Außerdem ist weder eine linksextreme oder islamistische Partei in Sicht, die der Demokratie gefährlich werden könnte.
Die NPD ist in keinem Landtag
Der Blick in die Vergangenheit lässt zudem erkennen, dass die beiden Parteiverbote aus den 1950er Jahren wenig nachhaltig waren. Die Auflösung der braunen Sozialistischen Reichspartei 1952 und das erzwungene Ende der KPD vier Jahre später haben nicht verhindert, dass Nationalisten und Kommunisten sich neu formierten. Eine Nachfolgepartei der SRP war übrigens die 1964 gegründete NPD. Und auf die KPD folgte 1968 die DKP, die als lupenreine Ersatzorganisation auftrat und deshalb sofort hätte verboten werden müssen. Doch Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat verzichteten damals auf den Gang nach Karlsruhe und ließen NPD und DKP gewähren. In dem Wissen, dass der harte Kern sich nicht von welchem Fanatismus auch immer abbringen lässt, so aber auch ein Außenseiter bleibt. Ohne Chance auf Teilhabe an politischer Macht.
Die späteren Versuche, die NPD doch zu verbieten, waren vor allem reflexhafte Reaktionen der Politik auf schwere Verbrechen. 2001 drängte die Regierung Schröder den Bundestag und den Bundesrat zum Antrag, nachdem in Düsseldorf bei einer Bombenexplosion jüdische Aussiedler verletzt wurden und drei Monate darauf Brandsätze gegen eine Synagoge flogen. Doch bis heute gibt es kein einziges Indiz dafür, dass die NPD in die Taten verstrickt war.
Unvergessen das Spitzeldrama von 2003
Dennoch beschloss man vor gut 15 Jahren, dass sie büßen sollte. Aber der Aktionismus, in den Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat daraufhin fielen, endete im Desaster. Das Bundesverfassungsgericht stellte das Verbotsverfahren ein, da die Rolle staatlicher Spitzel in den Vorständen der NPD unklar blieb. Die Symbolpolitik gegen „Rechts“ war beim Thema Parteiverbot gescheitert. Kommt es jetzt auch ohne Spitzeldrama so?
Das laufende Verfahren gegen die NPD wäre ohne die Verbrechen des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrunds“ nicht in Gang gekommen. Doch Anlass und Reaktion passen auch diesmal nicht zueinander. Kurz nach dem Ende des NSU stellte der damalige Generalbundesanwalt Harald Range fest, die Terrorzelle sei nicht der militante Arm der NPD gewesen. Dennoch entschloss sich der Bundesrat 2013, diesmal sogar alleine, wieder in Karlsruhe vorstellig zu werden. Im Verbotsantrag ist vom NSU kaum die Rede. Symbolpolitik ist kein starker Motor für ein Verfahren gegen eine Partei. Aber vielleicht klappt es ja doch. Verdient hätte es die NPD.
Frank Jansen